Kettlebell-Training bei Spastik: Meine Methode und Erfahrungen

Als jemand, der selbst mit Spastik lebt, habe ich über die Jahre eine Trainingsmethode entwickelt, die mir geholfen hat, Kraft, Koordination und Kontrolle zu verbessern. Diese Methode mag unkonventionell sein, aber sie basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen und zeigt bei mir erstaunliche Erfolge. Hier möchte ich meine Gedanken und Herangehensweise teilen – verbunden mit der ausdrücklichen Betonung, dass dies meine individuelle Methode ist, die möglicherweise nicht für jeden geeignet ist.

Das Grundprinzip: Überlastung als Schlüsselreiz

Eine der größten Herausforderungen im Training mit Spastik ist die richtige Balance zwischen Über- und Unterforderung:

  • Unterforderung: Zu leichte Gewichte können dazu führen, dass die betroffene Muskulatur – insbesondere in Händen oder Beinen – verkrampft. Der Körper reagiert mit unkontrollierter Muskelspannung, um die Position krampfhaft zu halten, was häufig in Fehlbelastungen und Frustration mündet.
  • Gezielte Überlastung: Ich habe festgestellt, dass höhere Gewichte einen starken Fokus des Zentralen Nervensystems (ZNS) erfordern. Das Ziel wird plötzlich klar und eindeutig: Das Gewicht muss kontrolliert werden. Dadurch schaltet sich die sonst dominierende Spastik in stabilisierenden Muskeln aus. Die Bewegung wird flüssiger, weil der Körper auf das Wesentliche – die Kontrolle der Last – fokussiert ist.

Wie funktioniert das?

  1. Überforderung des ZNS: Die Überlastung zwingt das ZNS, die Steuerung der Bewegung zu priorisieren. Der Körper kann es sich nicht „leisten“, in ungewollte Muskelspannungen oder Reflexe abzurutschen. Beispiel: Bankdrücken mit einer schweren Kettlebell. Wenn ich mit einem herausfordernden Gewicht arbeite, liegt mein Fokus auf der Druckkraft im Brust-, Schulter- und Trizepsbereich sowie der Stabilisierung meines Körpers auf der Bank. Mein Nervensystem wird gezwungen, die Kettlebell zu kontrollieren – es bleibt keine „Kapazität“ für unnötige Verkrampfungen in der Hand oder im Arm. Dadurch arbeitet mein Körper koordinierter und die typischen Spastik-Reflexe treten in den Hintergrund.
  2. Bewusste Kontrolle: Bei schwereren Gewichten wird jede Bewegung langsam und bewusst ausgeführt. Hier sind keine schnellen oder ruckartigen Aktionen nötig. Das trainiert gleichzeitig die Kraft, die Körperwahrnehmung und die Koordination.
  3. Gezielte Positionierung: Statt die Gliedmaßen in eine Position zu zwingen, arbeite ich mit der Kettlebell so, dass die Kraft von selbst in die gewünschte Richtung fließt. Der Körper lernt auf diese Weise „nebenbei“, sich funktional zu stabilisieren.

Der Vorteil von Kettlebells gegenüber Kurzhanteln

Ein weiterer Vorteil von Kettlebells im Vergleich zu Kurzhanteln liegt in ihrer außergewöhnlichen Form und der Art, wie das Gewicht verteilt wird. Bei einer Kettlebell hängt das Gewicht durch den Griff direkt an der Hand, was den Körper weniger beansprucht, um das Gewicht zu stabilisieren. Die Form der Kettlebell ermöglicht es, dass die Stabilisierung automatisch durch den Griff erfolgt, sodass der Körper sich auf die Bewegung konzentrieren kann, anstatt zusätzliche Stabilisierung aufzuwenden.

Im Gegensatz dazu erfordert eine Kurzhantel eine zusätzliche Anstrengung, um sie zu stabilisieren, da sie direkt in der Hand liegt und nicht wie eine Kettlebell an der Hand hängt. Das bedeutet, dass der Körper nicht nur die Hauptbewegung ausführen muss, sondern auch zusätzliche Stabilität aufwenden muss, um die Kurzhantel in Position zu halten. Für Menschen mit Spastik kann diese zusätzliche Aufgabe oft zu viel sein, da die Muskeln dazu neigen, sich unkontrolliert zu verspannen, um die Kurzhantel zu stabilisieren.

Warum funktioniert diese Methode bei mir?

  • Spastik als „Nebenwirkung“ umgehen: Indem ich das Gewicht so wähle, dass der Fokus automatisch auf der Bewegung und nicht auf der Spastik liegt, „trickse“ ich meinen Körper aus. Der ständige Kampf gegen die Spastik wird ersetzt durch ein klares Ziel: Die Kontrolle der Kettlebell.
  • Kraft statt Zwang: Statt meine Muskeln in eine Position zu „zwingen“, lasse ich sie durch das Gewicht in die natürliche Position arbeiten. Das reduziert den Widerstand der Spastik und ermöglicht flüssigere Bewegungen.
  • Fortschritte spüren: Mit dieser Methode konnte ich nicht nur meine Kraft steigern, sondern auch mehr Kontrolle und Balance entwickeln – sowohl im Training als auch im Alltag.

Ein wichtiger Hinweis

Diese Methode basiert auf meinen eigenen Erfahrungen und sollte nicht als universelle Lösung betrachtet werden. Was bei mir funktioniert, muss nicht zwingend bei anderen gleichermaßen helfen. Jeder Körper ist individuell, und besonders bei neurologischen Herausforderungen wie Spastik ist eine enge Zusammenarbeit mit Therapeuten oder erfahrenen Trainern essenziell.

Fazit: Spastik mit Strategie überwinden

Kettlebell-Training mit gezielter Überlastung ist für mich ein Gamechanger gewesen. Die Methode mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, aber sie hilft mir, meine Spastik zu kontrollieren, meine Kraft zu verbessern und mein ZNS effizient zu trainieren. Ich hoffe, dass meine Erfahrungen andere dazu inspirieren, neue Wege im Training zu finden – immer mit dem Fokus darauf, was für den eigenen Körper funktioniert.

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