Beste Inhalte
Aw: Man fühlt sich komplett entfremdet weil es vielen Menschen besser geht als einem selber
Hallo Nom,
ich bin überzeugt, dass es vielen behinderten Menschen zumindest ähnlich geht, wie dir. Auch ich merke, dass die Menschen um mich herum nicht nur keine Ahnung haben, wie es ist, behindert zu sein, sondern es sie auch gar nicht interessiert und sie meine Behinderungen mindestens fahrlässig ignorieren. Sehr deutlich wird das bei meinem Arbeitgeber. Trotz Schwerbehindertenrecht muss ich um alles eigentlich Selbstverständliche kämpfen. Sogar meine direkte Vorgesetzte sagt allen Ernstes zu mir "kümmere dich darum" wenn es z. B. nur um einen Stuhl mit Armlehnen oder einen Parkplatz in Eingangsnähe geht.
Jedem der Gesunden kann im nächsten Moment ein Unfall passieren, der sie selbst mit Behinderungen zurücklässt. Aber daran denken sie lieber nicht.
Ich glaube, was du und auch wir anderen erleben, liegt vor allem an der Realitätsferne der heutigen, virtuellen (also scheinbaren) online-Gesellschaft. Man flüchtet gemeinschaftlich aus dem echten Leben in eine Scheinwelt, die man unter Kontrolle hat. Denn das echte, reale Leben haben sie nicht unter Kontrolle und sie haben verlernt, sich darin zu behaupten. Würde heute z. B. ein weltweiter EMP einen gigantischen, dauerhaften Blackout auslösen, wäre die große Masse völlig hilflos. Kaum einer kann noch selbst kochen/backen, kaum einer kann noch selbst - und per Hand - nähen oder Dinge herstellen. Handwerke sind ausgestorben und auch die alt gewordenen Handwerker sind fort. Wer soll es ihnen beibringen?
Auch denke ich, dass wir ihnen einen Spiegel vorhalten, wie unangenehm das Leben sein kann und sie weichen jeglicher Unannehmlichkeit, Anstrengung und Verantwortung aus. Ja, das ist feige und faul - aber genau das ist (neben ausgeuferter Selbstsucht und Habgier) eines der Hauptmerkmale der sogenannten "Zivilisationen" im Jahr 2025.
Was können wir nun tun? Noch dazu, wenn man kaum Geld hat.
Andere in ähnlichen Situationen finden, sich austauschen, sich treffen, gemeinsam etwas unternehmen. Vielleicht sogar eine Art WG gründen, sich gegenseitig helfen. Jeder Mensch hat irgendein Talent, dass er in eine Gemeinschaft einbringen kann.
Nein, ich bin auch noch nicht so weit, ich arbeite noch Vollzeit und bin vor Schmerzen und Einschränkungen derzeit nicht in der Lage, irgendeine Art von Freizeit zu leben. Aber mit meiner kommenden, ersten OP hoffe ich, endlich den Anfang gefunden/gemancht zu haben. Sobald Hüften, Schultern und Hände wieder funktionieren und weitgehend schmerzfrei sind, kann ich mich ganz auf mein künftiges Leben im Rollstuhl konzentrieren.
Ich habe mir gesagt: "geht nicht" gibt's nicht. D. h., ich passe mir die Umstände den Bedingungen an. Beispiel: Kein Gesunder traut mir Gartenarbeit zu. Aber zwischen Hochbeeten auf Sitzhöhe kann ich mit dem Rollstuhl navigieren und eben doch gärtnern. Mähroboter können den Rasen dazwischen kurzhalten.
Ja, man braucht heute Geld zum leben und um das Leben zu gestalten. Viel davon habe ich auch nicht. Dann muss ich halt Prioritäten setzen und an anderen Stellen sparen. Auch gebrauchte Dinge können ihren Dienst tun und sind nicht so teuer, wie Neugeräte.
Geld beherrscht unsere Welt und die Hirne der meisten Menschen. Sie sind auf etwas dressiert und fixiert, sowie abhängig von etwas, dass sie beherrscht und versklavt. Das werden wir nicht ändern. Aber für mich ist das kein Grund Menschen und Leben zu hassen und abzulehnen. Erst Recht nicht den Planeten, der nun wirklich nichts dafür kann, wie es uns geht. Denn wenn ich so fühlen würde - machte ich mir doch mein Dasein selbst negativ und schlecht. Immer nur - oder eben sehr - negativ zu denken und zu fühlen, ändert nichts und verdirbt uns selbst nur unser Leben. Ich erfreue mich an Tieren und der Natur. Und wenn ich sie nicht selbst aufsuchen kann, dann benutze ich eben die Technik, um sie zu genießen und mich dabei gut zu fühlen.
Ich glaube, es liegt viel mehr an uns selbst, als wir meist erkennen. Von mir z. B. weiß ich, dass mich Lernen, Neues entdeckenTiere und Natur erfreuen und mir positive Erlebnisse verschaffen. Es ist also mein Bestreben, mich täglich mindestene 2x zu freuen und zu lachen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist die Selbstaufgabe und sich in Neid und Hass, in dunklen Gedanekn und Emotionen zu verlieren. Denn damit schadet man sich am ehesten selbst, meine ich. Ich werfe Gesunden nicht ihre Gesundheit und Reichen nicht ihren Reichtum vor, lediglich, wie sie mit diesen Umständen mit Anderen umgehen. Aber nein, beneiden tue ich sie nicht, denn sie laufen einem goldenen Kalb hinterher, dass ihnen jegliche Zufriedenheit, alle Freiheit und das damit verbundene Lebensglück raubt.
Jeder Mensch muss mit gewissen, unabänderlichen Umständen zurecht kommen. Und herausfinden, wie er das Beste daraus machen kann. Und eines kann ich dir garantieren: Es gibt Gesunde mit Geld, die so manche Behinderte mit kaum Geld um irgendetwas beneiden. Und sei es "nur" Bodenständigkeit.
Ich wünsche dir, dass du etwas für dich findest, dass dir positive Erlebnisse und somit ein wenig Lebensfreude schenkt.

Aw: Onlinestudie: Selbsteingeschätzte Intelligenz bei Menschen mit körperlichen Behinderungen
Schön, dass du dich im Rahmen deiner Arbeit mit diesem Thema auseinander setzt. Ich wünsche dir bei deiner Studie viel Erfolg und hoffe du findest ein paar Teilnehmer.
Beste Grüsse