Arbeit muss sich lohnen – aber für wen?

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zum Thema «psychische Erkrankung und Arbeit» möchte ich noch den finanziellen Aspekt von Arbeit für Menschen mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit beleuchten. Zwar wird in politischen Diskussionen über Sozialleistungen stets betont, «dass Arbeit sich lohnen müsse», doch dabei geht es kaum je darum, inwiefern sich Arbeit aus der Perspektive der Betroffenen tatsächlich lohnt. Politiker·innen benutzen den Slogan vielmehr regelmässig als Argument, um die jeweiligen Sozialleistungen zu kürzen. Auch (unbehinderte) Mitarbeitende von Sozialunternehmen reagieren häufig verschnupft, wenn man sie damit konfrontiert, dass sich die Arbeit für die beeinträchtigten Mitarbeitenden in ihrer Institution finanziell häufig kaum lohnt. Dies zum einen, weil die Löhne in geschützten Arbeitsumgebungen oft sehr tief sind und zum anderen, weil sich auch verhältnismässig tiefe Löhne auf die IV-Rente und die Ergänzungsleistungen auswirken können. Rasch wird dann verteidigend ins Feld geführt, dass es bei der Arbeit «doch nicht nur ums Geld gehe», soziale Aspekte seien schliesslich auch wichtig und zudem hätten die Betroffenen dadurch einen strukturierten Tagesablauf. Genau. Deshalb beziehen ja auch alle nichtbehinderten Mitarbeitenden eines Sozialunternehmens einen Lohn auf Sozialhilfeniveau, weil es bei der Arbeit doch vor allem darum geht «sozial eingebunden» zu sein und eine Tagesstruktur zu haben. (Falls es nicht klar ist; das war ironisch gemeint).

«Arbeiten Sie doch einfach mal!»

Für den Leitfaden «Arbeiten mit psychischer Erkrankung» habe ich im Vorfeld (u.a. in Workshops mit Betroffenen) abgeklärt, welche Themen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung im Zusammenhang mit dem Thema «Arbeit» besonders relevant sind. Bei denjenigen Personen, die bereits eine IV-Rente beziehen, war dies u.a. die Frage: «Wie viel kann/darf ich neben der IV-Rente verdienen?». Diese Fragestellung ist auch laut Mitarbeitenden von Behindertenorganisationen und IV-Stellen in ihrem Arbeitsalltag sehr präsent. In komplettem Gegensatz dazu steht die Bereitschaft der IV-Stellen, die Frage zu beantworten. So schreibt beispielsweise die IV-Stelle Schaffhausen auf ihrer FAQ-Seite folgendes:

Wieviel kann ich arbeiten bzw. verdienen, damit meine IV-Rente nicht gekürzt wird?

Die IV erbringt ihre Leistungen nach dem Prinzip „Eingliederung vor Rente“. Ihr erstes Ziel ist also, den Versicherten zu helfen, ein möglichst selbständiges berufliches und gesellschaftliches Leben zu führen. Die Renten sind deshalb dazu da, den Teil des Einkommens zu ergänzen, der aufgrund einer Beeinträchtigung nicht selbst erarbeitet werden kann. Wenn Sie also in der glücklichen Lage sind, ein höheres Einkommen zu erzielen, sollten Sie das nutzen, auch wenn die Rentenleistungen der IV unter Umständen zurückgehen. Damit leisten Sie einen wesentlichen Beitrag dazu, die Idee der IV – nämlich die Hilfe zur Selbsthilfe – zu verwirklichen.

Da denkt sich jede/r IV-Bezüger·in natürlich sofort: «Oh ja klar, ich fang doch einfach mal an zu arbeiten, ohne zu wissen, wie sich das auf meine persönliche finanzielle Situation auswirkt, weil das entspricht ja der IDEE DER IV…» Das ist natürlich kompletter Quatsch. Gerade Versicherte mit schwankenden Krankheitsverläufen wollen vorher genau wissen, worauf sie sich finanziell einlassen. Ihnen diese Informationen mit moralisch erhobenem Zeigefinger vorzuenthalten, ist zum einen sehr paternalistisch und nützt zudem auch nichts, weil Betroffene sich die Informationen einfach anderswo holen (beispielsweise bei einer Behindertenorganisation).

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