Geschichte der Amputation

13»

Antworten

  • Hallo Klaus,

    genau so empfinde ich das auch. Es gibt ja wirklich schwerere Behinderungen als eine Amputation, denn letztendlich ist man da trotz allem noch relativ beweglich. Aber für andere ist ein fehlendes Glied offensichtlich das Schlimmste in ihrer Vorstellungskraft.Ich kenne ja die Situation als Zweibeinige und als Eibeinige, und ich merke das sehr deutlich, dass beim Erscheinen ohne Prothese da einfach immer ein gewisses Entsetzen die erste Reaktion ist. Nicht diese vorsichtige Befremdung, die ich erlebe, wenn ich einfach hinke oder auch im Rollstuhl sitze, das ist anders. Da ist fast eine gewisse Peinlichkeit dabei,wie Du sagst, bloß nicht hingucken, und wenn ein Kind fragt, dann schnell wegziehen.
    Ich denke, das ist schon wie Du es für Dich selber auch empfindest: Ein Körper, der nicht mehr "komplett"ist, der schockt erst mal.
    Und der schockt vor allem auch einen selbst, wenn die Amputation neu ist.
    Deswegen ja meine Worte, dass man sich eigentlich erst mal vor den Spiegel stellen muss und sich ein bisschen "in die Arme nehmen" und lernen, so bist Du jetzt. Man muss lernen, dass man , wie beim Golfspiel , sein eigenens Handicap (denn jeder Mensch hat eins) neu errechnen muss--dann ist man ein kompletter Spieler, dem nichts fehlt.Dieser Schritt wird meines Erachtens in allen Rehas viel zu sehr vernachlässigt.

    Weißt Du, was das für Religionen sind, die böse Geister als Behinderte darstellen?
    Das ist mir ganz neu und muss doch schlimm sein in einem Land, wo es durch den damaligen Krieg sicher noch immer viele Behinderungen gibt.

    Gruß,
    Annca
  • Schriftenfuzzi hat geschrieben:
    ( ..)


    Ich entschuldige mich besonders bei Dir vollumfaenglich im voraus dafuer, wieder (zur Abwechslung) mal wieder was zum Thema zu schreiben ; ) Wir wollen uns da nicht beirren lassen ; )

    - - - - -

    Interessant zur Frage der "GESCHICHTE DER AMPUTATION" auch die Geschichte derjenigen Operationen, die man mit grosser Muehe versucht, um eine Amputation zu vermeiden - diese sind naemlich damit eng verbunden. Etwa sind sie darin eng verbunden, dass man Ergebnis, Kosten, usw. vergleichen kann und, vor der Entscheidung, ob das eine oder andere gemacht werden soll, diese unmittelbar gegeneinander abwaegen muss. Ich habe das auch erlebt und es war da nicht ganz so schwer herauszufinden - das kann es aber in jeder anderen Situation sein. Wer auch wegen einem Tumor hingehalten hat, weiss vielleicht, was fuer eine Art Abwaegung ich da meine.

    Die Entwicklung der letzten Jahre zeigte anfaengliche Euphorie hin zur extremitaetenerhaltenden Operation. Noch vor 10 Jahren hat man gelesen, dass die Amputation oft vermieden werden kann.

    Funktionell scheinen je nach Studie, von denen es ganz unterschiedliche gibt, die extremitaetenerhaltenden Operationen etwas die Nase vorne zu haben. Aber da Metallimplantate, die bei solchen Rekonstruktionen verwendet werden, immer noch Lockerungen oder chronische Infekte haben, und da sie auch nicht ganz so belastbar zu sein scheinen, ist die Funktion auch bei Extremitaetenerhaltung nicht stets gewaehrleistet.

    Finanziell ist die Amputation zu Beginn zwar billiger, aber ueber einen Zeitraum von 20 Jahren doch eher teurer, vor allem der Hilfsmittel wegen. Kommt man ohne Hilfsmittel aus, ist die Amputation ein relativ kostenguenstiger Eingriff.

    Psychisch geht es Amputierten offenbar nicht viel schlechter als Leuten, die z.T. heroische Extremitaeten-Rekonstruktion hinter sich haben: auch diesen sieht man auesserlich etwas an, auch diese haben offenbar ihren Aerger mit Versicherungen, auch die haben allenfalls Phantomschmerzen oder Schmerzen am operierten Koerperteil, auch bei diesen werden die partnerschaftlichen Beziehungen belastet.

    Medizinische Komplikationen gibt es bei beiden Operationen. Nach der Amputation die Wundheilungsstoerung, die schon fast als normal anzusehen ist - dann tut permanent etwas weh, die dauernden Hautprobleme, spaeter Ueberlastungen und Folgeschaeden. - - Die Extremitaetenerhaltung hat gerade zu Beginn erstmal gleich das deutlich hoehere Komplikationsrisiko, allenfalls kommen Korrekturoperationen dazu und fuer jeden Eingriff gibt es ein Risiko, was Verwechslungen, Anaesthesie, Zwischenfaelle, usw. angeht; dazu kommen aber offenbar auch spaeter schwierige Probleme wie Versagern von Implantaten. Dann ist es so, dass Endoprothesen - Gelenks- oder Knochenimplantate - deutlich schwieriger zu ersetzen sind als Prothesen wie wir sie kennen: die kann man ohne groessere medizinische Komplikationen einfach reparieren oder ersetzen.

    Das macht also gerade bei voraussichtlicher Laufzeit von mehreren Jahrzehnten die Auswahl des Verfahrens nicht immer gerade leicht.

    Neuerdings ist man nun offenbar nicht mehr durchwegs der Ansicht, dass die extremitaetenerhaltenden Eingriffe stets nur besser sind als die Amputation. Das ist eine Entwicklung der Amputationsgeschichte, die man wohl vor 10 Jahren nicht so erraten haette.


    http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cncr.24458/pdf

  • Du behauptest das Folgende:

    Annca hat geschrieben:es gibt auch noch andere Themen, über die ich manchmal rede


    Ich sehe aber:

    Annca hat geschrieben:
    Nach der Amputation vor den Spiegel stehen (...) so kann ich mich lieben,


    Annca hat geschrieben:
    vor den Spiegel stellen(...) "in die Arme nehmen"


    Technische Rueckmeldung:

    - Du sagst das irgendwie immer wieder.
    - Auch an Orten, wo es gar nicht zum Thema passt.
    - Auch Ondata hat ja so eine Platte, die spielt immer dasselbe Lied.
  • Klaus123 hat geschrieben:Daher glaube ich für Nichtbehinderte ist beim Anblick von Amputierten die fehlende Unversehrtheit des Körpers ganz entscheidend.


    Deswegen ist z.B. fuer mich so wichtig, mir da was anziehen zu koennen! Aber es muss auch was entsprechendes sein, um das mal anzudeuten.

    Fehlt einem ein Bein oder ein Fuss, ist das eine Sache. Aber die fehlende Hand ist im konstanten Kreuzfeuer der Blicke, im konstanten kommunikativen Austausch und somit sehr viel emotionaler in ihrem Fehlen. Es ist wie wenn einem ein Stueck des Gesichts oder der eigenen Ausdrucksmoeglichkeiten fehlt. Das damit abzutun, man solle sich vor dem Spiegel lieben, greift natuerlich angesichts der Gesamtsituation *extrem* kurz. Ich meine, sicherm ich putze mir auch die Zaehne und buegle meine Hemden, so arg haengen lasse ich mich nicht - aber mit Spiegel anschaun ists doch bei weitem noch nicht getan!?

    Ich mag mich vollstaendig viel lieber und wirklich gut : ) Dabei lassen die bislang kommerziell vertriebenen Teile einfach zu wuenschen uebrig.

    Das Expressive an der fehlenden Hand wurde bislang ja gar nicht ersetzt. Aber es gibt neue Entwicklungen (Kuenstlerin: Becky Pilditch), die solche Prototypen expressiver Handprothesen erstmals ausprobiert haben:

    http://www.youtube.com/watch?v=lKNWo2TjfPE

    Da wird natuerlich Geschichte geschrieben, sowas gabs frueher in der Form noch nicht so.
Diese Diskussion wurde geschlossen.