Was tun? Ben 71/2, psych. behindert, schmeisst alles, was ihm in die Hände kommt. Was tun?????

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Claire
Claire
bearbeitet 25. Aug 2022, 11:12 in Willkommen & Begrüssung

Hallo, ich bin die Grossmutter von Ben, 71/2. Er spricht nicht, wird noch gewickelt, ist oft sehr laut, schmeisst alles herum, was ihm in die Hände kommt, braucht 1:1 Betreuung.

Diagnose: Epilepsie und Autisumus, wobei ich eher auf 'schwer behindert' tendiere.

Im Haus sind alle Türen verriegelt, keine Bilder (die fliegen sonst auch), Stühle liegen im vornherein schon auf dem Boden, NICHTS liegt herum... sehr schwierig (er hat 2 Geschwister).

Diagnose: Epilepsie und Autisumus, wobei ich eher auf 'schwer behindert' tendiere.

Meine Frage: Ist sein 'Schmeissen' ein Reflex? Kann er lernen nicht zu schmeissen? Wie? Ist es schon zu spät? Wie können sich die Eltern entlasten? Darf man so ein Kind einmal anbinden, damit man in Ruhe Kaffee trinken kann? Wer hat da Erfahrung?

Ich weiss: Belohnen belohnen! Ich habs probiert, es nützt nichts. Auch mit ihm auflesen, was er aus der Schublade herumgeschmissen hat nützt nichts, es fliegt später wieder. Ben spielt nicht. Schmeissen ist fast die einzige Beschäftigung.... Wer weiss Rat?

Getaggt:

Antworten

  • Claire
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    Danke für Ihre Antwort, Gustav. Bei den Autismusforen und Vereinigungen passt nichts auf Ben zu. Da wird über Arbeit und Schule und wie man Sprechen lernen kann etc. ...diskutiert und workshops angeboten, was ja sicher sehr gut und hilfreich sein kann, aber es trifft einfach nicht auf Ben zu. ABA habe ich mit ihm gemacht, aber es funktioniert nicht mehr, weil er nicht mehr will und wie zwinge ich ihn dazu? Er wird langsam sehr stark und wehrt sich, darum denke ich, dass ich eher Hilfe erfahre bei Leuten, die Erfahrung mit behinderten Kindern haben, oder liege ich da falsch? Ja, ich würde ihn als schwer behindert einstufen, aber ich bin ein Laie, ob man dem so sagt, weiss ich nicht. Auf jeden Fall tut es mir schon gut, dass jemand geantwortet hat.

  • OK
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    Hallo @Claire

    Ich bin keine Therapeutin, deshalb ist folgender Kommentar nicht als qualifizierte fachliche Auskunft zu verstehen. Ich versuche lediglich, mich in die Situation des Betroffenen hineinzuversetzen. Ich selbst bin Asperger-Autistin. Ohne Ben zu kennen, nur anhand deiner Beschreibung, vermute ich folgendes:

    1. Die Kombination von Epilepsie oder ähnlichen Anfallsleiden und einer veränderten Wahrnehmung der Umwelt bedingt durch Autismus kann für Betroffene sehr beängstigend sein. Stell dir vor, deine Umwelt verändert sich ständig, und du weisst nicht, warum.
    2. Das Schmeissen könnte eine Reaktion auf die individuelle Überforderung sein. Ob Ben lernen kann, nicht zu schmeissen, kann ich nicht abschliessend beurteilen, aber er braucht sicher therapeutische Unterstützung, damit er sein Leben bestmöglich gestalten kann, egal wie seine Verhaltensweisen sich entwickeln.

    Ich fände es ganz wichtig und unbedingt notwendig, das Ben und seine Familie professionell unterstützt werden. Wichtig dabei ist auch, dass die Unterstützung, egal, von wem sie geleistet wird und was genau gemacht wird, sich nach den Bedürfnissen von Ben und seiner Familie richtet.

    Ich würde strikte davon abraten, Ben anzubinden, soweit sich dies irgendwie vermeiden lässt. Das kann Traumatisierungen nach sich ziehen.


    Ist Ben schon eingeschult? Wenn ja, besteht vonseiten der Schule irgendein Unterstützungsangebot? Manche Sonderschulen bieten z. B. eine Elternberatung an. Auch ergänzende therapeutische Angebote können sinnvoll sein, sie sollten jedoch sorgfältig ausgewählt werden und ein Tag sollte nicht mit Aktivitäten überladen werden. (Wie viel Aktivität bzw. Inaktivität nützlich ist, ist sehr individuell)


    Mein Asperger-Autismus ist sicherlich nicht eins zu eins mit der beschriebenen Problematik zu vergleichen. Trotzdem teile ich gerne einige Erfahrungen aus meiner Kindheit und Jugend, vielleicht ist dies ja hilfreich:

    1. Meine frühesten Erinnerungen beginnen um meinen 3. Geburtstag herum.
    2. Rückblickend finde ich, dass meine kognitiven Fähigkeiten vor allem im Kindergartenalter unterschätzt wurden. Aus eigener Erfahrung würde ich davon abraten, Gespräche zwischen Therapeuten (z. B. Psychiater) und Eltern in Anwesenheit des Kindes durchzuführen. Ich habe oft mehr verstanden, als mir zugetraut wurde, aber ich habe mich danach nicht getraut, daraus entstandene Unklarheiten zuhause anzusprechen (manche Autisten haben diese Möglichkeit auch gar nicht). So wusste ich schon im Alter von 5 Jahren, dass etwas nicht stimmt, meine Eltern mit mir immer zu diesem Arzt gingen und er denen etwas erzählte, aber ich verstand nicht ganz, was los ist. Manchmal hat mir das Angst gemacht, weil ich dachte, ich sei krank oder so, aber niemand konnte/wollte es mir erklären. Erst als ich 8 Jahre alt war, hat eine schulische Heilpädagogin das erste Mal mit mir über Autismus gesprochen. Kurz darauf habe ich heimlich die Erziehungsratgeber meiner Eltern gelesen und das Gelesene manchmal gegen meine Eltern angewendet.
    3. Meine Trotzphase hat länger gedauert als bei anderen Kindern. Kognitiv war ich weiter als andere Kinder, aber emotional war ich noch nicht so weit entwickelt. Ich war ein Kind mit der Impulskontrolle eines 3-jährigen, im Körper eines 5-Jährigen, mit dem Leseverständnis eines 10-Jährigen.
    4. Manchmal war meine Familie überfordert und ich fand mich unbeaufsichtigt im Kinderzimmer eingesperrt wieder. (als 5-jährige) In den max. 2 Stunden die ich alleine eingesperrt im Zimmer verbrachte, war ich teilweise überzeugt davon, dass ich nie wieder rausgelassen werden würde.
    5. Ich habe Dinge in meinem Zimmer versteckt, z. B. Süssigkeiten, Medikamente, Verbandsmaterial, Scheren und andere spitze Gegenstände, Streichhölzer etc. Ich hatte nach einigen Jahren Dinge in meinem Kinderzimmer, die dort nie hätten sein sollen. Auch heute noch bin ich wie ein Eichhörnchen. Ich kann nicht aufhören, Geld, Medikamente und Ähnliches an komischen Orten zu verstecken und finde dies jeweils beim Putzen wieder, obwohl ich keinen Grund mehr dafür hätte, denn ich wohne ja alleine und müsste nichts mehr verstecken.
    6. Bis ins Jugendalter hinein haben mich sensory overloads völlig aus dem Nichts getroffen und ich konnte noch keine Warnzeichen dafür erkennen. Inzwischen erkenne ich einen sensory overload 5-10 Minuten bevor die Handlungsunfähigkeit eintritt. Was mein Körper dann macht, hat sich auch verändert. Als 3-12-Jährige war es Schreien, Schlagen und mit Dingen werfen. Dann (12-16-Jährig) war es ein Zusammenrollen auf dem Boden, Augen zu und Hände auf den Ohren. Inzwischen ist es Flucht, und wenn mir jemand im Weg steht, kriegt derjenige eins geboxt. Dazu kommt es nicht mehr so oft, weil meistens schaffe ich es, mich vorher zurückzuziehen, aber wenn ich mich nicht in eine ruhigere Umgebung bringe, bevor ich handlungsunfähig werde, finde ich mich danach entweder an einem ruhigen Ecken nahe des Ereignisorts (z. B. Toilettenraum) wieder oder im Extremfall finde ich mich erst zuhause wieder und weiss nicht mehr, wie ich dorthin gekommen bin. Letzteres passiert erst, seitdem ich alleine wohne. Es ist, als ob ein Teil von mir gelernt hat, mich notfalls aus jeder erdenklichen Situation nach Hause zu bringen.
    7. Normalerweise kann ich sprechen. Wenn sich ein sensory overload ankündigt, fällt mir das Sprechen immer schwerer, ich kann mich immer schlechter konzentrieren und kann mich nicht mehr richtig bewegen. Wenn es soweit kommt, dass ich nicht mehr sprechen kann, ist das ein sehr beängstigender Zustand.

    Es tut mir leid, dass der Text jetzt so lang geworden ist. Egal wie es weitergeht, ich wünsche Ben und seiner Familie, dass seine Lebenssituation so gut wie möglich gestaltet werden kann. Die Schweiz ist leider kein sehr toller Ort, um mit Autismus zu leben, aber ehrlich gesagt ist die ganze Welt nicht für Autisten gemacht. Falls Wahlmöglichkeit besteht, würde ich für Autisten die Kantone Zürich oder St. Gallen als Wohnkantone empfehlen, doch leider können wir uns unseren Geburtsort nicht aussuchen.

  • Claire
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    Guten Abend OK. Vielen Dank für deine Ausführungen. Es berührt mich wirklich, dass sie jemand so viel Mühe gibt, mir zu schreiben. Danke! Sie zeigen mir, was vielleicht in Ben vorgehen könnte, wie er vielleicht denkt, und das ist gut zu wissen. In einem Heim geht er in die heilpädagogische Schule, aber sein Vater hat mir kürzlich gesagt, er wisse nicht, was er dort je gelernt hat. Ich weiss nicht, wie viel Ben überhaupt lernen kann. Er macht ganz ganz kleine Frotschritte. Aber natürlich hoffen wir immer ....

  • hallo OK,

    ich finde es wirklich hilfreich, berührend und beeindruckend was du beschrieben hast. kein mensch der nicht betroffen ist, bzw. sich bisher nicht mit dem thema autismus/asperger auseinandergesetzt hat, kann daraus lernen und ggf. vorurteile abbauen.


    lg jenner

  • Claire
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    Danke Jenner, ich habe es gelesen! Tut gut!

  • [Gelöschter Benutzer]
    bearbeitet 9. Aug 2022, 17:24
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    @Claire mein beitrag ging an @OK


    wenn hier nicht beim thema geblieben wird, können beiträge gelöscht werden.

    mich erschrecken die äußerungen des evtl. anbindens des kindes und inwieweit druck ausgeübt werden darf.

  • Claire
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    Ich bin neu und am lernen!😀