Was geschieht bei einer erneuten IV Anmeldung?
Hallo Miteinander,
Ich (29,w) bin aktuell in einer Situation, in der eine erneute IV-Anmeldung immer wahrscheinlicher wird. Daher möchte ich mich erkundigen, ob jemand abschätzen kann, was bei einer erneuten IV-Anmeldung potentiell geschieht, und was für Möglichkeiten ich habe, dabei etwas mitzuentscheiden?
Kontext:
Ich habe ursprünglich(2015) die gymnasiale Matur abgeschlossen, hatte im Jahr nach dem Abschlussaber einen schlimmen Zusammenbruch und war anschliessend ca. 5 Monate stationärin einer Klinik.
Mit IV Unterstützungkonnte ich ein Aufbautraining, ein Praktikum im 1. Arbeitsmarkt und schliesslich eine Ausbildung zur Pharma-Assistentin EFZ machen.
Im Anschluss war die IV raus, und ich habe 1 Jahr 80% und ein 2. Jahr 60% auf dem Beruf gearbeitet,während ich im 2. Jahr berufsbegleitend ein Studium begonnen habe (mittlerweile habe ich das Studienfach gewechselt).
Im 2. Jahr habe ich bei der Arbeit 2 stark retraumatisierende Ereignisse erlebt, im 3. Jahr kam noch eine Retraumatisierung durch meine damalige Therapeutin dazu.
Nach 2Jahren auf dem Beruf habe ich gekündigt, da ich die Situation im damaligen Betrieb nicht mehr ausgehalten habe und die Tätigkeit im Verkauf mich nervlich komplett kaputt gemacht hat.
Ich habe gehofft, einen Job im Backoffice, ev. bei einer Krankenkasse o.ä. zu finden, so dass ich nicht mehr im Verkauf arbeiten muss. Seither habe ich temporär in verschiedenen Jobs gearbeitet, eine neue Stelle zu 20% in der Logistik einer Apotheke gefunden (kein Kundenkontakt). Daneben bin ich noch beim RAV gemeldet.
Zeitgleich mit den retraumatisierenden Ereignissen sind Unklarheiten bezüglich meiner Symptome und Diagnosen aufgetaucht; meine Symptome stimmten nicht mit den gestelltenDiagnosen überein.
Es folgte eine ADHS-Abklärung, die unklar ausging, da zuviele andere Diagnose nicht abgeklärt waren. Meine Psychiaterin hat die anderen möglichen Diagnosen dann abgeklärt: Ergebnis PTBS seit über 10 Jahren(+langjährige Entwicklungstraumatisierung durch die Familie).
Eine neue Diagnose würde theoretisch eine Wiederanmeldung bei der IV rechtfertigen. Ich weiss, dass es die Möglichkeit zur Umschulung gibt - die IV finanziert dabei in der Regel eine 1 jährige Umschulung, die einen nicht in bessere finanzielle Jobs bringen soll, als vor der Erkrankung.
Und hier liegt dasProblem:
Ich habe im September 24 ein Teilzeitstudium begonnen (BSc. Gesundheitsförderung und Prävention) und habe zum ersten Mal in meinem beruflichen Leben das Gefühl in die richtige Richtung zu gehen; in eine Profession, in der ich meine Fähigkeiten einsetzen kann, die sich sehr sinnvoll anfühlt und mir seit Ewigkeiten zum ersten Mal ein Gefühl von Kohärenz zurück gibt. Allerdings würde ein Job als Gesundheitsförderin hochstwahrscheinlich besser bezahlt, als der einer Pharma-Assistentin.
Ich habe auf Stipendien vom Kanton gehofft (Kanton Bern), aber dies scheint grössere Hürden zu haben, alserwartet, da ich seit 2016 keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern habe. Trotz Angabe im Gesuchsformular, dass der Aufenthaltsort meiner Eltern unbekannt ist, inklusive entsprechender Stellungnahme, weshalb, verlangt das Bildungsamt die Einsendung der Mietverträge meiner Eltern inklusive Unterschrift von Ihnen. (Sonst wird bei der Budgetberechnung für Ihre Jährlichen Wohnkosten nichts abgezogen, was ein Stipentium sehr unwahrscheinlich macht, auch wenn sonst kein Geld vorhanden ist.)
Kontakt zu meinen Eltern aufzunehmen ist für mich psychisch nicht handhabbar, ohne meine psychische Gesundheit/Stabilität massiv zu gefährden.
Da aber selbst mit 2.Nebenjob - sofern ich bald einen machbaren fände - das Geld nicht reichen würde, um meine Lebenskosten zu decken, denke ich nun über eine Wiederanmeldung nach, möchte aber auch mein Studium nicht auf's Spiel setzten.
Kann mir die IV bei Wiederanmeldung das Studium verbieten? Und kann jemand einschätzen was bei einer Wiederanmeldung geschehen würde?
Ich will unbedingt berufstätig bleiben und weiter studieren, aber ich möchte auch langfristig gesünder und stabiler werden können, was im Verkauf nicht möglich ist.
Ich wäre sehr dankbar für jedwede Einschätzung.
Freundliche Grüsse,
Noëmie
Beste Antwort
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Hallo @Mental_Health_Warrior
Erlauben Sie mir zuerst folgende Bemerkung, die ernst und nicht despektierlich gemeint ist: Ihre Pseudonym „Mental_Health_Warrion“ gefällt mir 💪 Wirkt kraftvoll und selbstbewusst!
Nun aber zu Ihrer Frage: Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt etwas mangels Informationen zu „Ihrem Fall“ übersehe, sage ich Ihnen trotzdem: Machen Sie eine IV-Anmeldung. Sie haben nichts zu verlieren. Meiner Einschätzung nach ist das Schlimmste, was passieren kann, dass die IV-Stelle Ihre beruflichen Pläne nicht unterstützt. Die IV-Stelle wird Ihnen weder etwas verbieten, noch Sie zu etwas zwingen, sondern höchsten allenfalls die Unterstützung ablehnen.
Freundliche Grüsse
Thomas Pfiffner
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Antworten
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Hallo @Mental_Health_Warrior ,
vielen Dank für deine Frage. Die Frage wurde an eine Fachperson weitergeleitet und wir hoffen dir möglichst schnell eine Antwort bieten zu können.
Viele Grüße
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Guten Tag Herr @Thomas_Pfiffner
Herzlichen Dank für Ihre rasche Reaktion und für's Kompliment zu meinem Pseudonym😊 Und danke für Ihre Einschätzung und die Informationen. Ich bin schon sehr beruhigt, wenn en Verbot nicht möglich ist. Dass im Falle einer Ablehnung meiner Pläne keine Unterstützung erfolgt ist natürlich verständlich.
Wie ist es im Bezug auf eine Rente; kann man mir diese auch nicht "aufzwingen", falls in einer Abklärung herauskäme, dass ich nur eingeschränkt arbeitsfähig bin?
Ich habe einen Termin mit meiner Ärztin vereinbart, um eine Anmeldung bei der IV mit ihr zu besprechen.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung.
Freundliche Grüsse,
Mental_Health_Warrior
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Hallo @Mental_Health_Warrior
Das mit der Rente ist eine gute Frage, denn das ist tatsächlich etwas tricky:
Man kann sich bei der IV nicht ausschliesslich für Eingliederungsmassnahmen oder ausschliesslich für Rente anmelden, sondern das eine geht nicht ohne das andere. Es ist EIN Prozess. Am Ende jedes Eingliederungsprozesses wird immer eine Rentenprüfung durchgeführt. Es ist also nicht auszuschliessen, dass die IV-Stelle Ihnen am Schluss dieses Prozesses eine Rente zuspricht und nur unter bestimmten Bedingungen können Sie diese ablehnen.
Das ist aber sehr kompliziert und kann ich Ihnen nicht hier erklären. Ich empfehle Ihnen ein Beratungsgespräch mit Ihrer IV-Stelle zu vereinbaren.
Aber die Frage ist doch: Wäre das denn so schlimm, vielleicht auch nur vorübergehend eine IV-(Teil-)Rente zu beziehen, wenn Sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen?
Freundliche Grüsse
Thomas Pfiffner
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…zum Schluss noch dies: Ich durfte letztes Jahr einem inspirierenden Referenten aus England zuhören. Er meinte, man soll sich zwischendurch auch mal fragen, was das beste ist, was passieren könnte und nicht immer nur das schlimmste 😁
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Herzlichen Dank für Ihre Antwort und die Infos. Ich weder einen Beratungstermin bei der IV vereinbaren und mich beraten lassen.
Herzlichen Dank auch für den Input zum Referenten. Ich schätze, dass die allgemeine Situation des "ausgeliefert seins" - sei es einer Institution wie der IV, einem Amt, wie der Bildungsdirektion, oder einer einzelnen Person - für mich einfach generell ein grosser Stressor ist. Dabei wird mein Ohnmachtsgefühl einfach konstant getriggert und ich bräuchte eigentlich bessere professionelle Unterstützung, als es aktuell der Fall ist. (Aber das ändert sich hoffentlich in den nächsten 2 Wochen; work in Progress)
Ihre Frage bezüglich der (Teil)rente hat mich zum nachdenken gebracht; In diesem Zusammenhang ist es sicherlich auch das Ohnmachtsgefühl, das eine grosse Rolle spielt, und die Vorstellung, dass dieser zustand in einer Rentenabklärung noch viel länger (in schlimmen Fällen Jahre) anhalten könnte. Oder im noch schlimmeren Fall, ich 100% arbeitsfähig geschrieben werde, obwohl ich es nicht bin und ich deshalb wieder Sozialhilfe beziehen muss. Das Thema Rente ist aber auch ein alter Trigger, da meine Mutter früher regelmässig vor und nach Abklärungs- und Begutachtungsterminen wegen der Rente psychisch zusammengebrochen ist. Ihre Angst und meine Angst von damals steckt mir noch immer sehr in den Knochen. Und auch wenn ich heute rational weiss, dass das Sozialversicherungssystem der Schweiz einen auffängt, so ist diese unmittelbare Existenzangst von früher immer noch vorhanden. (Damals wusste ich nicht, dass meine Mutter Borderline hat, und konnte die starken Gefühlsausbrüche entsprechend nicht einordnen, sondern übernahm die Angst und Panik ungefiltert).
Aber absolut, wenn ich die trigger im Griff halten kann, kann ich mich darauf konzentrieren, was im besten Fall geschehen könnte. (Ich habe immer etwas Angst, mich auf solche Gedanken einzulassen, weil der Fall auf den Boden der Tatsachen von dort viel höher scheint). Aber nur so kann Vertrauen aufgebaut und gewonnen werden.
Und wahrscheinlich liegt die Realität irgendwo zwischendrin. Ich hoffe, dass die Beratung etwas Klarheit bringen wird.
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!
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