Arbeit sollte sich lohnen, denkt Herr K.

Herr K. ist vor seinem 20. Altersjahr invalide geworden. Sein Invaliditätsgrad beträgt 88%. Er erhält deshalb eine volle ausserordentliche Invalidenrente von 1547.- und Ergänzungsleistungen in der Höhe von 1403.25, das ergibt ein Einkommen von 2950.25/Monat.

Herr K. wohnt in der Stadt Zürich, ist ledig und konfessionslos und hat kein (steuerrelevantes) Vermögen.

Für die 18’564.- IV-Rente pro Jahr muss Herr K. 816.80 Steuern bezahlen. Die Ergänzungsleistungen müssen nicht versteuert werden.

Herr K. hat nun grosses Glück und erhält die Möglichkeit, seine Restarbeitsfähigkeit zu verwerten. Er verdient damit 7000.- /Jahr (netto).

Der Freibetrag bei den Ergänzungsleistungen beträgt 1000.-. von den restlichen 6000.- werden ihm 2/3 (also 4000.-) als Einkommen angerechnet und die Ergänzungsleistungen dementsprechend gekürzt.

Herr K. erhält also neu pro Jahr:

EL: 12’839.-

Verdienst: 7000.-

IV-Rente: 18’564.-

Total: 38’403.-

Das steuerbare Einkommen von Herr K. beträgt nun 25’564.- (IV-Rente + Verdienst). Dafür muss er 1511.- Steuern bezahlen. Sein jährliches Einkommen beträgt nach Abzug der Steuern: 36’892.- Pro Monat hat Herr K. also gerade mal 192.- mehr als vorher zu Verfügung.

Dass die EL bei Verdienst gekürzt werden, ist (mehr oder minder) verständlich; aber dass das steuerbare Einkommen um 7000.- steigt, wenn Herr K. effektiv nur 3000.- mehr einnimmt, das ist hirnverbrannt. Eine ausgewachsene IV-Revision nach der anderen mit dem Kampfruf «Arbeit muss sich lohnen» innerhalb kürzester Zeit durchs Parlament zu peitschen, das ist kein Problem, aber eine griffige Gesetzgebung auszuarbeiten, nach der niedrige Einkommen (egal ob nun aus Erwerbseinkommen oder Sozialtransfers stammend) entweder gleich oder gar nicht zu besteuern sind, das ist in Bern seit Jahren ein Ding der Unmöglichkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Parlamentarier, ich weiss schon, dass die Kantone gar nicht nicht begeistert sind, wenn man in ihre Fiskalhoheit eingreifen will und ich weiss auch, dass natürlich die Ansätze für Ergänzungsleistungen, Sozialhilfe u.s.w. erhöht werden müssten, wenn man sie besteuern würde, aber mit ein bisschen zumutbarer Willensantrengung dürfte da doch eine Lösung zu finden sein? (Findet übrigens auch Monika Bütler, Professorin für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen und plädiert in ihrem Blog für eine Steuerbefreiung des Existenzminimums.)

Aus objektiver Sicht jedenfalls spricht nichts dafür, dass diese Hindernisse nicht überwindbar wären. Aber man muss halt auch wollen. Und bevor das Problem nicht endlich(!) mal gelöst ist, will ich den Slogan «Arbeit muss sich lohnen» gar nicht mehr hören. Gell, liebe FDP.

Herr K. ist ein fiktives Beispiel, die Zahlen sind jedoch (soweit möglich) echt. Die Ergänzungsleistungen von Herrn K. wurden unter der Prämisse berechnet, dass er in der Stadt Zürich wohnt und 1000.- Miete bezahlt.

Die Steuerbelastung wurde mit dem Online-Rechner des Steueramtes des Kantons Zürich berechnet. Die Höhe der Ergänzungsleistungen mit dem Rechner von Pro Senectute.

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