Unser Kind ist anders
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Auch wenn der letzte Beitrag schon ein bischen her ist, so möchte ich doch auch etwas dazu sagen.
Ich weiß aus eigener und beruflicher Erfahrung wie es ist, mit einer Behinderung geboren zu werden. Und ich habe die Eltern und deren Kinder erlebt, die teilweise mit sehr schweren Behinderungen zur Welt kamen. Meine Erfahrung ist, wer es nicht erlebt hat, kann überhaupt nicht einschätzen wie es für Eltern und Kinder ist, einem Leben mit Behinderung JA zu sagen. Eltern oder Angehörige, die nie zuvor mit behinderten oder schwerstmehrfachbehinderten Kindern Zeit verbracht haben, sehen dieses werdende Leben weitaus öfter abschreckend als Eltern, die solch einem Kind das Leben geschenkt haben und diese Kinder in ihrer Familie haben. In den Vorstellungen dieser Eltern ist so ein Leben mit Behinderung mit sehr viel Leid und Mißempfindung verbunden, weil sie viel zu sehr ihre Lebenserwartungen mit dem Leben eines behinderten Kindes vergleichen. Tatsache ist aber, daß die meisten Kinder ihr Leben sehr genießen. Auch dann, wenn sie sehr schwer erkrankt oder behindert sind.
Ich hatte oft Eltern vor mir, die sich nach der Geburt ihres behinderten Kindes nicht trauten, ihr Neugeborenes zu besuchen oder zu lebensrettenden Maßnahmen JA zu sagen. Auch dann nicht, wenn es sich um eine relativ leichte Behinderung handelte. Aber wenn diese Eltern sich einmal überwunden hatten dieses befremdliche lebene Wesen an zu nehmen und zu akzeptieren, lernten sie schnell, diese etwas andere Art von Lebensqualität schätzen zu lernen. Genau wie ich durch meinen Beruf, lernten diese Eltern ihre Kinder als sehr fröhliche und lebensbejahrende Wesen kennen, die ihnen zeigten wie schön es ist, trotz Behinderung, auf der Welt zu sein. Diese Kinder haben nicht immer die gleiche Lebensqualität und Lebenserwartung, wie gesunde Kinder, aber sie genießen ihr Leben genauso wie gesunde Kinder. Wenn ihre Familien sie entsrechend fördern und stützen, werden sie auch als Erwachsener ihren eigen Weg gehen und trotz ihrer Einschränkung ihre Lebensqualität zu schätzen wissen.
In diesen Familien sind die Leidtragensten nicht die behindeten Kinder, sondern deren Eltern. Vor allem bei schwerstmehrfachbehinderten Kindern ist der Pflegeaufwand enorm hoch. Fast jede Familie kommt irgend wann einmal ans Ende ihrer Kräfte, weil die Pflege sehr schwer kranker Menschen, egal ob Kind oder Erwachsener, körperliche Schwerstarbeit und psychisch sehr belastend ist. Für diese Familien hat sich, Gott sei dank, in den letzten zehn Jahren eine immer besser werdende Unterstützung etabliert, die es früher überhaupt nicht gab. Heute haben pflegende Eltern die Möglichkeit sich bei der Pflege ihrer Kinder helfen zu lassen, so daß sie sich hin und wieder eine Auszeit gönnen können. Aber trotz aller Strapazen und trotz der manchmal schlechten Aussichten ihrer Kinder, sagten alle Eltern, wenn ich sie ein paar Jahre nach der Geburt ihres behinderten Kindes wieder traf, "hätte wir vorher gewußt wie stark mein behindertes Kind mein Leben bereichert, ich hätte bei seiner Geburt viel weniger Angst gehabt". Bei den meisten Behinderungen stellten diese Eltern sogar fest, daß sie in der Realität für das Kind weitaus unkomplizierter und weitaus weniger belastend sind, als sie es in den Vorstellungen ihrer Eltern waren.
Auf Grund meiner Erfahrungen würde ich allen Eltern, die vor der Entscheidung einer Pranataldiagnostik oder Abtreibung stehen, lernt erst einmal intensiv Familien und ihre behinderten Kinder kennen, bevor ihr Euch gegen das Leben eines Kindes entscheidet, daß ich vieleicht nur aus dem Lehrbuch kennt.
Lieben Gruß
Karin
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Danke Karin
Deine Gedanken gehen in die Richtung die ich auch schon versuchte aufzuzeigen . Theoretisch müsste man nämlich auch noch das Ungeborene fragen können .Schwierig finde Ich das in der Heutigen Zeit oft Kinder ;produzirt; werden ohne sich darüber wirklich Gedanken zu machen . Kürzlich wurde ein Mann verurteilt der sein Baby bei minusgraden 3 Stunden im Auto Vergessen hatte und eine Disco besuchte .Setzen wir uns weiterhin für ein lebenswertes Leben ein egal ob behindert oder nicht behindert
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Hallo Colores,
ich denke genauso wichtig wie sich für das Leben aller Kinder ein zu setzten ist, Präsenz zu zeigen und dafür zu sorgen das in der Öffentlichkeit mehr Positivberichte als Negativberichte über Menschen mit Behinderung verbreitet werden.
Beispiel Rollstuhl. Keiner von uns wird behaupten das ein Leben mit Rollstuhl besser ist, als ein Leben ohne Rollstuhl. Trotzdem ist der Rollstuhl ein wahnsinnig gutes Hilfsmittel, daß einem Menschen der nicht mehr oder nur noch ganz schlecht laufen kann, eine Mobilität und Selbständigkeit zurück gibt, die nicht zu unterschätzen ist. Bei Aaron Fotheringham's Geburt prognostizierten die Ärzte seine Zukunft weitaus negativer, als sie gwöhnlich bei dieser Behinderung verläuft. Die Kinderärte und Frauenärzte in meiner Klinik redeten es genauso. Aaron sagte in dem schweizer MyHandicap-Artikel vom 3.12. "Wenn mich eine schöne Fee fragen würde, ob ich laufen wolle, würde ich ihr sagen: Nein, denn warum soll ich laufen, wenn ich durchs Leben rollen kann." Spina bifida gehört zu den Diagnosen, sie es erlauben ein Leben erst gar nicht zu zu lassen oder ab zu treiben.
Es müssen nicht immer außergewöhnliche Karrieren sein, um diesen verunsicherten Eltern zu zeigen, daß ein Leben mit Behinderung auch schön, aktiv und erfüllend sein kann. Wir können dies selber tun, in dem wir uns nicht verstecken und zeigen wie normal unser Leben trotz Behinderung ist. Frei nach meinem Motto: "Das Leben ist schon, so wie es es ist."
Lieben Gruß
Karin
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Ein befreundetes Paar von uns stand auch vor der Entscheidung, Kind mit Spina Bifida behalten oder abtreiben. Sie haben verschiedene ärzte konsultiert und einer davon sagte etwas, was ich niemals vergessen werde:
"Stellen sie sich vor, ihr Kind kommt gesund zur Welt. Später erleidet es einen Unfall und ist querschnitt gelähmt. Würden Sie es dann einschläfern lassen deswegen?"
Ok ja, ist schon etwas heftig. Aber sie haben das Kind behalten und der Kleine ist wohl auf, entwickelt sich geistig normal und ist ein echter Sonnenschein!
Gerade letzte Woche haben wir wieder darüber geredet und die Eltern sagten, sie verstünden gar nicht mehr, weshalb sie sich jemals überlegt haben das Kind abzutreiben.
Gruss
Phil
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Hallo Phil,
solche Fragen habe ich Eltern auch öfter stellen müssen, wenn sie sich nicht entscheiden konnten, "soll ich mein Kind leben oder sterben lassen". Ich freue mich sehr, daß diese Eltern ihr Kind so positiv erleben, nach dem es ihnen so schwer gefallen ist, es an zu nehmen. Solche Geschichten brauchen diese verunsicherten Eltern, um zum Leben mit Behinderung "JA" sagen zu können. 😉
Gruß Karin
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Hallo Karin
Eignetlich taten sie sich nicht wirklich schnwer. Ich hab gerade gestern abend nochmals mit ihnen darüber geredet und sie haben diesen Thtread gelesen.
Sie sagten für sie war Abtreibung eigentlich erst gar keine Frage aber dann kamen alle damit und drängten sie fast in diese (fatale) Entscheidung. Es ist schon ganz schlimm, dass Eltern diese Kinder eignetlich wollen aber dann von Ärzten und Aussenstehenden überredet werden, dass diese Kinder "es besser hätten", wenn sie abgetrieben werden.
Ich und meine Partnerin haben viele Jahre versucht ein Kind zu bekommen, aber es hat nie geklappt. Ein Arzt sagte da mal zu uns, es sei vielleicht besser so, weil "sehen sie sich an", wenn das Kind behindert zur Welt käme, dann hätte es ja "kein richtiges Leben". Was soll man dazu noch sagen?!
Gruss Phil
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Hallo Phil,
da fehlen einem die Worte. 🙁 Was meinst Du was ich in meinem Beruf alles erlebt habe. Ich mußte mir ja immer beide Seiten anhören. Die der Eltern und die der Ärzte. Es stimmt das viele Eltern ihre Kinder zum größten Teil haben möchten und das sie von Ärzten, Angehörigen und Freunden oft total verunsichert werden. Ja, es wird ihnen sogar ein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie, trotz allem, ihrem Kind das Leben schenken wollen. Viele Menschen denken jede Behinderung bedeutet unendliches Leid und der Betroffene hätte nichts vom Leben und die behandelnden Frauenärzte gehen immer vom schlimmsten Fall aus und machen diesen Müttern unnötige Angst. Hinzu kommt der Schmerz oder Egoismus einiger Eltern, kein gesundes Kind bekommen zu haben. Es mangelt einfach an Aufklärung und daran, daß wir Behinderte oft in Parallelgesellschaften leben. Würden wir alle miteinander leben,gemeinsam zur Schule gehen oder gemeinsam Sport treiben und behinderte Kinder und Jugendliche nicht selektieren, wären so manche Eltern deutlich mutiger und Ärzte, Verwandte und Freunde dieser Eltern viel weniger voreingenommen. 😉
Gruß Karin
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