Unterlassene Hilfeleistung Frage an die Anwälte

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Antworten

  • Sehr geehrtes Mitglied,

    auf die von Ihnen gestellten Fragen können wir Folgendes ausführen:

    In der von Ihnen geschilderten Situation war, unserer Einschätzung nach, das Verhalten der Polizisten bzw. Unfallbeteiligten ausreichend und dadurch strafrechtlich nicht relevant.

    Tathandlung iSd. der unterlassenen Hilfeleistung gem. § 323 c StGB ist das Nicht-Leisten, also das Unterlassen von Hilfe. Diese muss nach nachträglicher Prognose erforderlich und möglich sein. Die Pflicht entfällt, wenn Hilfe von vornherein aussichtslos oder offensichtlich nutzlos ist.

    Ein wirksamer Verzicht des Bedrohten auf Hilfe beseitigt die Rechtswidrigkeit des Unterlassens, ebenso die frei verantwortliche wirksame Erklärung eines schwer Erkrankten, es solle kein Arzt gerufen oder eine Einweisung in die Klinik unterlassen werden. (Fischer 57. Auflage 2010, § 323 c StGB)

    Die Polizei ist also nicht verpflichtet, einen Arzt gegen den Willen des vermeintlich Verletzten zu bestellen, um so klären zu lassen, ob es ihm wirklich gut geht.
    Eine Untersuchung gegen den Willen des Patienten ist aus strafrechtlicher Sicht problematisch. Maßnahmen gegen den Willen eines Patienten können eine Körperverletzung gem. § 223 StGB, eine Freiheitsberaubung, gem. § 239 StGB oder eine Nötigung, gem. § 240 StGB darstellen.

    Dies ist mit dem hohen Stellenwert des Selbstbestimmungsrechts zu begründen. Jeder hat das Recht selbst über seinen Körper und eventuelle Hilfe, die er entgegen nehmen will zu entscheiden

    Von diesem Grundsatz wird nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen abgewichen:
    So kann § 323 c StGB einem Arzt gebieten, sich über eine (missbräuchliche) Verweigerung der Zustimmung zu einer Bluttransfusion bei einer dritten Person (insbesondere Verweigerung durch Eltern eines Kindes aus Glaubensgründen) hinwegzusetzen, wenn betreuungsgerichtliche Maßnahmen nicht mehr möglich sind. Im Hinblick auf das persönliche Selbstbestimmungsrecht gilt dies idR. nicht bei Verweigerung der Zustimmung durch den Patienten selbst.

    Eine Verpflichtung könnte für die Polizisten also nur bestanden haben, wenn keine frei verantwortliche wirksame Verzichtserklärung vorlag. Dies ist aber nicht schon anzunehmen, wenn die Person nach dem Unfall leicht geschockt ist, was den Regelfall darstellt. Sie muss sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden.

    Freundliche Grüße,

    Florian Teßmer, RA
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