Liebe Marianne,
es tut mir sehr leid, dass du schon so viele schmerzliche Erfahrungen sammeln musstest. Umso beeindruckender finde ich es, dass du immer wieder einen Weg nach vorne gefunden hast!
Ich hoffe, dass dein heutiger Termin mit deiner Ärztin positiv für dich verlaufen ist?
Was deine Diagnose angeht, kann ich hier natürlich nicht viel sagen, da ich dich nicht persönlich kenne. Was aus deinen Zeilen nicht hervorgeht ist der Weg zu dieser Diagnose - wurden hierzu Tests (vor allem Fragebögen und Interviews) mit dir durchgeführt? Eine gründliche Diagnostik ist hier sehr wichtig - vor allem in dem von dir beschriebenen Bereich, da Traumata (hier vor allem die "posttraumatische Belastungsstörung") und die Borderlinepersönlichkeitsstörung viele Ähnlichkeiten aufweisen.
Hinsichtlich der geplanten Behandlung scheint der Fokus eher auf die bisherigen traumatischen Erlebnisse deiner Biografie gelegt zu werden. Dass dir diese Vorstellung Angst macht, kann ich durchaus verstehen. Hierfür gibt es einen schönen und nachvollziehbaren Vergleich. Stell dir vor, deinem Körper wird eine Verletzung zugefügt. Diese blutet und schmerzt. Du klebst ein Pflaster darüber und hoffst, dass es heilt und du es nicht mehr anschauen musst. Das aber passiert nicht, diese Wunde heilt nicht von selbst, sondern eitert (ungesehen) vor sich hin. Wenn dir nun irgendjemand dieses Pflaster abreissen möchte, hättest du sicher auch Angst davor, denn das wird natürlich nochmals wehtun. Gleichzeitig ist dieses Vorgehen aber der einzige Weg zur Heilung, da diese alte Wunde erst einmal gereinigt und dann sauber und liebevoll versorgt werden muss. So tut es zwar noch einmal weh, aber dann kann deine Wunde endlich heilen und du deinen Frieden mit ihr schliessen. Ganz ähnlich verhält es sich mit seelischen Wunden.
Traumatherapie heisst also "Pflaster entfernen". Allerdings wird dabei nichts gegen deinen Willen, sondern jeder einzelne Schritt in deinem Einverständnis und in Begleitung professioneller und vertrauenswürdiger Fachpersonen geschehen. Idealerweise fängt man damit stationär an und setzt das Ganze dann ambulant fort. Daher würde ich dir auf jeden Fall auch die Suche nach einem niedergelassen Psychologischen/ Ärztlichen Psychotherapeuten, der im besten Fall das selbe Verfahren wie in der Klinik beherrscht, empfehlen, der dich vor und nach der Klinik begleitet. Traumatherapie ist auch nicht gleich Traumatherapie, denn es gibt sehr viele Wege, die nach Rom (bzw. zur Pflasterentfernung) führen. Da haben unterschiedliche Behandler*innen unterschiedliche Kompetenzen und unterschiedliche Patient*innen unterschiedliche Vorlieben.
Vielleicht noch ein paar Worte zum Thema Zugangsmöglichkeiten. Eine (psychosomatische) Reha dient der Wiederherstellung einer zuvor erkrankten Person. Im orthopädischen Bereich ist es klarer: Wir haben ein gebrochenes Bein operiert, nun soll die Gehfähigkeit wiederhergestellt werden, sodass eine Reha sinnvoll ist. Im seelischen Bereich ist es etwas schwieriger, denn ist hier denn schon wirklich die sinnbildliche OP erfolgt? Oftmals ist sie das nicht, weshalb hier womöglich ein anderes Vorgehen noch besser geeignet sein könnte. Neben der klassischen (notfallmässigen) Akuteinweisung kann man auch geplante stationäre Aufenthalte in Akutkliniken (sehr davon sind auch auf die Behandlung Traumatisierten spezialisiert) durchführen. Hat man da mal die gröbsten Themen bearbeitet, kann man immer noch eine Reha anschliessen. Je nach Befinden und Indikation kann im Anschluss daran zum sanfteren Wiedereinstieg in den Alltag auch eine tagesklinische Weiterbehandlung sinnvoll sein, die dann zu einer ambulanten Psychotherapie übergeht. Entscheidend ist hier auch der Punkt der Kostenübernahme - eine Akutklinik läuft über einen Einweisungsschein vom Haus-/ Facharzt und wird von den Krankenkassen gezahlt, während eine Reha-Massnahme i. d. R. über die Deutsche Rentenversicherung als Kostenträger läuft. Dies einfach mal informativ als Überblick der möglichen Optionen in Deutschland.
Hinsichtlich der Kliniksuche gibt es (vor allem auf den Seiten mancher Krankenversicherungen) Onlinedatenbanken zur Suche, bei denen man direkt einen Behandlungsfokus, wie beispielsweise Traumatherapie, Depression, Borderline, Ängste,... sowie gezielte Regionen auswählen kann.
Für deinen weiteren Weg wünsche ich dir von Herzen alles Liebe und viel Kraft!
Herzliche Grüsse
Claudia