Mein Kommentar wird etwas lang, deswegen unterteile ich ihn in drei Teile:
Teil 1: Der richtige Zeitpunkt
Manchmal ist es am schlausten, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. In anderen Situationen können Entscheidungen, die man heute trifft, in einigen Jahre unerwartete Konsequenzen haben. Dann ist es sinnvoll, sich bereits jetzt Gedanken zu machen, was später sein könnte.
Das Schwierigste ist, diese zwei Situationen zu unterscheiden. Wann bleibe ich im Hier und Jetzt und wann muss ich über meine Zukunft nachdenken?
Hinterher ist man immer schlauer, aber leider hilft diese Erkenntnis im Nachhinein nichts mehr. Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht rückgängig gemacht werden.
Teil 2: Situationsunabhängige Hinweise bezüglich Berufswahl:
Da die Wahl des ersten Ausbildungsplatzes und die Wahl des ersten Berufsfeldes die weitere berufliche Karriere nachhaltig prägt, lohnt es sich, dem Berufswahlprozess genügend Zeit zu geben. Ein späterer Wechsel des Berufsfeldes ist gerade für Menschen mit einem angeborenen Handicap mit vielen Hindernissen verbunden.
Es gibt viele gute Ausbildungsplätze, sowohl in der freien Wirtschaft als auch in geschützten Bereich. Ob der freie Arbeitsmarkt oder der geschützte Bereich für eine Person besser ist, hängt sehr stark von der Person und der jeweiligen Situation ab.
Oft gibt es auch die Möglichkeit, eine Ausbildung im geschützten Bereich zu absolvieren und danach in den freien Arbeitsmarkt zu wechseln. (sofern die nötigen Fähigkeiten vorhanden sind) Der Vorteil ist, dass die Person mit Handicap während der Ausbildung bei Bedarf unterstützt und entlastet werden kann. Der Nachteil ist, dass manche Arbeitgebende im freien Arbeitsmarkt immer noch Vorurteile gegenüber Menschen haben, die diesen Weg wählen. Der Sprung vom geschützten Bereich zum freien Arbeitsmarkt kann trotz Unterstützung durch Job Coaching, Integrationsdienst oder ähnliches recht gross und schwer zu meistern sein.
Für mache Menschen ist die Ausbildung schwieriger als die eigentliche Arbeit. Leider geniesst die Ausbildung in unserer Kultur einen sehr hohen Stellenwert. Vielerorts kann ohne abgeschlossene, anerkannte Ausbildung kein genügend hohes Einkommen zum (würdevollen) Überleben erzielt werden, selbst dann, wenn die Arbeitsleistung identisch ist wie die einer ausgebildeten Person.
Teil 3: In der Arbeitswelt ernst genommen werden
Menschen mit Handicap haben leider manchmal immer noch Schwierigkeiten, in der Arbeitswelt ernst genommen zu werden. Sei dies auf der fachlichen Ebene oder auf der menschlichen, von den Arbeitgebenden, Bezugspersonen oder Behörden. Manchmal werden Kommentare, Kritiken und Inputs von Menschen mit Handicap einfach ignoriert. Das ist schade. Ich denke, auch bei kritischen Äusserungen steckt in den meisten Fällen zumindest ein Stück Wahrheit dahinter.
Deswegen mein Rat an alle Bezugspersonen, Amtspersonen und Arbeitgebende: Nehmen Sie die Äusserungen, Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Handicap ernst, auch dann, wenn diese zunächst unsinnig oder unangenehm daherkommen. Sich unangenehmen Dinge zu stellen, kann langfristig eine angenehme Entwicklung bewirken.
Ich bedanke mich bei allen, die bis hierher alles gelesen haben. Ich wünsche jedem, der gerade in einer beruflichen Entwicklung steckt, ob Berufswahl, Neuorientierung, Wiedereinstieg oder Umschulung, das bestmögliche Ergebnis.