Wie und wo bekommt man die beste Beratung wegen einem Dreirad?

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Hallo ihr lieben,


ich würde gerne wieder Rad fahren können. Ich habe eine ICP (Hemiparese bzw leicht Tetra) und kann daher das Gleichgewicht auf einm normalen Rad nicht halten. Als Kind hatte ich ein Dreirad mit einer Befestigungsmöglichkeit (toe cages aus dem Fahrradladen) für meine Füße.

Dieses wurde von der Krankenkasse gezahlt.

Ich weiß, dass das für Erwachsene nicht gezahlt wird. Möchte mir trotzdem vielleicht selber eins kaufen.


Nur wie fange ich an zu suchen? Wo gibts gute Beratung? Wo kann man die Geräte testen?


Wo habt ihr eure Dreiräder her?

Wart ihr in einem normalen Dreiradladen oder in einem Sanitätshaus?

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?


Freue mich auf antworten.

Antworten

  • Pitjes
    Pitjes ✭✭✭
    bearbeitet 3. Mär 2023, 11:57
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    @Sonnenblume2323

    Hallo, dein Vorhaben finde ich super. Raus und in die Bewegung ist das Beste für Körper und Geist.

    Diese Dreiräder sind ja nicht ganz soo preiswert, obwohl es im Internet günstige Angebote gibt. Davon ist aber dringend abzuraren, weil du nicht testen kannst, und im Reparaturfall kein Händler die Reparatur übernehmen würde, weil du nicht bei dem gekauft hast. Auch gibt es gewaltige Qualitätsunterschiede, es gibt Berichte von gebrochenen Rahmen u. Ä.. Wichtig halte ich auch versicherungtechnische Aspekte, die den Garantiefall/Gewährleistung betreffen. Deswegen würde ich dir dringend empfehlen, dir erstmal im Internet ganz in Ruhe einige Testberichte bspw. der großen Testplattformen durchzulesen, um einen Überblick darüber zu bekommen, worauf du achten solltest, und was wirklich gut ist. Die Stiftungen "Ökotest oder Warentest" bieten da ganz gute, unabhängige Einblicke.

    Dann solltest du dein Rad bei einem großen Händler in deiner Nähe kaufen, der eine auf dich bezogene intensive Beratung anbietet, und der die notwendigen Einstellungen und Aus- bzw. Umbauten vornimmt. Den kannst du dann für Alles in Anspruch nehmen.

    Ein geduldiger Preisvergleich spart Geld, z. B. werden die Kosten in einem Sanitätshaus höher sein als bei einem guten Händler. Im Sanitätshaus wird auch nicht repariert, sondern die werden das in Auftrag geben. In einem Regressfall führt das erfahrungsgemäß zu erheblichen Schwierigkeiten. Eine Checkliste auf der Grundlage deiner bisherigen Erfahrungen hilft dir, bei einer Besichtigung die wichtigsten Fragen zu klären.

    Wenn du mal ein Photo postest, und einen Erfahrungsbericht, hast du wirklich Alles richtig gemacht.

    Viel Spaß beim Aussuchen, Kaufen und Fahren wünsche ich dir!

    Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zuviel

    Gib Alles, bloß nicht auf!

  • Hallo Sonnenblume,


    Vor ein paar Jahren hatte ich ein ähnliches Vorhaben. Dabei habe ich einiges gelernt - vielleicht hilft Dir das ein bissle weiter:


    1) Jeder Velohändler (egal wie gut) möchte einem etwas verkaufen. Da wird einem dann schnell etwas Ungeeignetes “aufgeschwatzt”.


    2) Im Internet hat es sehr viele Anbieter. Es hat “günstige” Anbieter, zB Haverich oder Wulfhorst, oder sehr teure, zB. Hasebikes. Je nachdem was Du brauchst reicht ein günstiges Modell oder es braucht ein teures. Bist Du leicht und kein Rowdy der die Schotterpiste runterdonnert sind die günstigen Modelle tiptop. Bist Du schwerer, fährst gerne auf “schwierigen” Wegen (uneben etc.) und möchtest das selbe Dreirad die nächsten 30 Jahre fahren braucht es ein “teures”.


    3) Ehe Du ein Dreirad kaufst würde ich Dir empfehlen ganz viel auszuprobieren: einmal um den Platz fahren reicht nicht. Am besten ist es irgendwo einen Veloverleih zu finden, der auch Dreiräder hat. Jeder Händler bevorzugt verschiedene Modelle, da kann man gut ausprobieren. Das alles ist nicht ganz günstig, ist es aber wert. Denn ein Dreirad ist (a) sackschwer und (b) fährt sich ganz anders wie ein normales Velo. Je mehr Du ausprobieren kannst umso besser weisst Du was gut ist: magst Du ein hohes Dreirad (Haverich, Wulfhorst, Pfauen, etc.) oder ein tiefliegendes (Hasebikes, zB.)? (Hier ist das Gleichgewicht entscheidend (bei den hohen Dreirädern) und ob Du Dich unten auf der Strasse (bei den tiefliegenden) sicher fühlst.) Braucht es einen Motor? Kommst Du damit zurecht? Wäre ein RaceRunner eine bessere Alternative als ein Dreirad?


    4) Wenn Du weisst was sich für Dich gut angefühlt hat kannst Du - falls das geht - auf eine Rehamesse oder Messe für Spezialvelos gehen. Da hat es dann viel mehr als die paar Firmen die ich ausprobiert habe. Vielleicht hast Du gemerkt was Du brauchst, aber die Dreiräder haben Dir nicht gefallen oder waren nicht ganz das, was Du gesucht hast. An einer Messe entdeckst Du dann vielleicht etwas Passendes oder Neues.


    5) Finanzierung: ein “günstiges” Dreirad kostet mindestens 1500 CHF, ein teures kostet locker 15’000 CHF und mehr. Je nach Bedarf lohnt sich das “teure” Modell allerdings. Die Hasebikes zB sind so teuer, dafür sind sie unkaputtbar und man kann sie recht gut nachrüsten, zB mit einem Motor oder einer Anpassung falls die eine Seite schwächer wird, etc. In der Schweiz (ich weiss nicht wo Du lebst) kann man bei der pro infirmis um finanzielle Unterstützung bitten oder bei Stiftungen anfragen. Auf jeden Fall empfehle ich Dir: lieber hier ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen (zB für den Veloverleih und dann später das passende Dreirad). Das zahlt sich aus.


    Das waren jetzt viele Tips und ich kann das nicht so gut beschreiben. Deshalb schreibe ich noch meine Erfahrung: ich habe eine Cerebralparese mit Tetraspastik. Vor ein paar Jahren konnte ich nicht mehr Velo fahren und habe ein Dreirad gesucht. In Ferien am Chiemsee (schön flach und jede Menge Veloverleihe!) habe ich fünf verschiedene Dreiradmodelle ausprobiert. Anfangs bin ich von einem Graben zum nächsten gefahren, denn ein Dreirad fährt sich ganz anders als ein normales Velo. Dann hatte ich aber den Trick raus und konnte rumprobieren: hochgebaut oder tiefliegend? Mit Motor oder ohne? Wieder zuhause habe ich mich dann bei verschiedenen Dreiradhändlern informiert. Der eine Händler hatte nur ganz schwere Modelle mit Motor (damit komme ich nicht zurecht, da meine Reaktionen unkoordiniert und verzögert sind). Der andere Händler wollte mir das Modell, welches ich hatte, nicht verkaufen, da er es minderwertig fand. Ich habe mir dann ein tiefliegendes Hasebike aufschwatzen lassen, obwohl es für mich viel zu schwer war und ich mich so tief unten nicht sicher gefühlt habe. Ich habe dann wirklich viel geübt, musste das Velo dann allerdings der pro infirmis zurück geben. Als Ersatz habe ich mir bei tutti für 300 CHF ein gebrauchtes Haverich gekauft - eine alte leicht klapprige “Schrottmühle” (d.h. ein bissle rostig, aber noch tiptop) und genau das Richtige für mich! Mit dem Haverich war ich wirklich sehr glücklich und zufrieden. Jetzt kann ich leider nicht mehr damit fahren, da ich die Beinmotorik nicht mehr habe. Aber solange es noch ging war - für mich - das “billige” Haverich die beste Option. Gewünscht hatte ich mir allerdings immer das Renndreirad von Wulfhorst. Das lag allerdings nicht drin, da ich zu klein war und der Rahmen nicht auf meine Grösse angepasst werden konnte. Mein nächster Anlauf war dann ein RaceRunner, nur ging das schon nicht mehr und ich musste auf den Rolli umsteigen. Auch gut - damit bin ich jetzt so mobil wie noch nie in meinem Leben!


    Ich möchte Dir Mut machen: hör auf Dich und nimm Dir Zeit zum Rumprobieren. Lieber ein wenig länger warten und dafür das Richtige finden als dann nur frustriert zu sein.


    Viel Glück und vor allem ganz viel Spass wünsche ich Dir!


    AnneMarie

  • Pitjes
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    @AnneMarie

    Danke für deinen Erfahrungsbericht, und die vielen klugen Tipps.

    Du schreibst, du kannst nicht mehr mit dem Dreirad fahren. Dazu fällt mir ein Liegerad mit Armantrieb ein. Das müsste es doch auch als Dreirad geben?

    Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zuviel

    Gib Alles, bloß nicht auf!