Geld vs. Gesundheit (keine Frage, bin nur wieder einmal frustriert)

Optionen

Es scheint mir so, als ob ich gerade auf der finanziellen Ebene vom Staat dafür bestraft werde, dass ich mich dazu entschieden habe, meine psychische Gesundheit in den nächsten Monaten in den Vordergrund zu stellen.


Heute hatte ich ein Gespräch mit einer IV-Berufsberaterin. Sie fragte mich, ob ich sicher sei, dass ich im Oktober in (die von mir gewählte psychiatrische Klinik) eintreten wolle. Als ich nach dem Grund für die Frage fragte, informierte sie mich über folgendes:


Eigentlich hätte ich nun, nach Abschluss meiner IV-unterstützen Lehre, Anspruch auf Unterstützung von der IV, um eine Festanstellung wahlweise im 1. oder im 2. Arbeitsmarkt zu finden. Die IV würde dies mit Fortzahlung des Taggelds bis maximal 6 Monate unterstützen. (und mit Beratungsleistungen)


Aber weil ich ja keine Festanstellung finden möchte, sondern in die Psychiatrie gehen und mich behandeln lassen möchte, ist meine berufliche Massnahme seitens der IV nun abgeschlossen. Stattdessen läuft nun eine Rentenprüfung für eine Teilrente. Bis die Prüfung abgeschlossen ist, kann es 6 Monate dauern (warum auch immer) Anstatt 6 Monate lang Geld zu bekommen, bekomme ich nun wohl 6 Monate lang von der IV kein Geld. Bei positivem Rentenbescheid würde ich zwar die Rente rückwirkend ausbezahlt bekommen, aber das nützt mir nichts. Ich kann ja nicht in den Coop gehen und sagen, ich bezahle meine Einkäufe erst in 6 Monaten.


Zudem muss ich, nach abgeschlossener Behandlung, einen neuen schriftlichen Antrag auf Eingliederungshilfe bei der IV einreichen.


Nun muss ich abklären, ob ich entweder versuche, vom Arbeitslosenamt etwas zu erhalten, oder vom Sozialamt oder von meinem Vater. Morgen werde ich mich beim Arbeitslosenamt einmal melden. Zwischen Sozialamt und Vater habe ich noch nicht entschieden.


Absurd finde ich, dass die IV es offenbar bevorzugen würde, wenn ich jetzt mit einem 90%-Pensum drauflosarbeiten würde, bis ich wieder einen Nervenzusammenbruch hätte und dann weiss der Geier wie lange überhaupt nicht mehr arbeiten könnte. (das wäre nicht das erste Mal, das mir so etwas passiert)


Momentan liegt meine Arbeitsfähigkeit bei 50%, dies ist auch von meinen Ausbildungsverantwortlichen so eingeschätzt worden. Würde ich nun mit 90% drauflosarbeiten, um genug Geld zu verdienen, würde beim nächsten Nervenzusammenbruch meine Arbeitsfähigkeit auf 0% sinken. Das möchte ich nicht.


Ich wurde gezwungen, mich zwischen einem gesicherten Einkommen mit psychischem Verfall und einer 10%-igen Chance auf psychische Besserung ohne gesichertes Einkommen zu entscheiden. Ich habe mich für letzteres entschieden.


Ich finde es traurig, dass dies in der Schweiz so läuft. Ich finde es auch traurig, dass in der Schweiz extreme Unterschiede zwischen den Kantonen bei der gesundheitlichen Versorgung von psychisch kranken Menschen und Menschen mit seltenen Krankheiten oder seltenen Beeinträchtigungen bestehen. So sind Menschen wie ich gezwungen, entweder umzuziehen oder mit den Krankenkassen zu streiten, wenn sie die bestmöglichen Behandlungsmöglichkeiten nutzen wollen, oder wenn die Behandlungsmöglichkeiten im Heimatkanton mehrmals nicht zum Erfolg geführt haben, jedoch von den Krankenkassen weiterhin bevorzugt werden.

Antworten

  • Liebe OK


    Erstmal möchte ich dir zu dem Mut gratulieren, deine Geschichte zu teilen: Das schafft nicht jede:r und du trägst damit zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen bei. Danke dafür.


    Dein Post hat mich sehr berührt. Aus eigener Erfahrung weiss ich, welche Opfer man zuweilen bringen muss, wenn man sich dafür entscheidet, seine psychische(n) Krankheit(en) behandeln zu lassen. Sowohl Versicherungen als auch Arbeitgeber und das erweiterte Umfeld machen einem diesen Schritt manchmal nicht leicht. Es gibt so vieles abzuklären und zu erklären, dass man sich fragt, ob sich der ganze Ärger schlussendlich lohnt. Du schreibst ja selber, dass du frustriert bist, was absolut nachvollziehbar ist.


    Ich verstehe gut, dass es sich für dich so anfühlt, als wäre es der IV wichtiger, dass du möglichst viel arbeitest, ungeachtet dessen, was das für deine gesundheitliche Zukunft bedeuten würde. Umso mehr bewundere ich dich für deine Entschlossenheit, im Oktober die stationäre Therapie zu beginnen. Denn, seien wir doch mal ehrlich: Der beste Job der Welt nützt nichts, wenn es schlecht um die eigene Gesundheit steht.


    Das mag sich jetzt vielleicht aufgrund der Scherereien und finanziellen Ängsten anders anfühlen, aber du tust das Richtige. In der stationären Therapie erhältst du die Zeit und den Rahmen, um dich von den Strapazen zu erholen, neue Kraft zu tanken und zu heilen. Auch wird dir das nötige Rüstzeug für dein weiteres Leben «draussen», also ausserhalb der Psychiatrie, an die Hand gegeben. Im besten Fall wirst du die Klinik nach einiger Zeit gestärkt und wesentlich stabiler verlassen. Das wünsche ich dir auf jeden Fall!


    Alles Gute für die Zukunft, OK.


    Liebe Grüsse


    Janine

  • Martibu
    Optionen

    Liebe OK


    Auch ich möchte dir danken für deine Offenheit und dein Mitteilen und möchte die Worte von Janine gerne unterstreichen und dich stärken in deiner Entscheidung, dir und deiner Gesundheit zu schauen.


    Leider gibt es noch viele Lücken im System gerade aufgrund der unterschiedlichen Kassen (Krankenkassen, IV, RAV, SA). Die IV-Stelle hat einen Auftrag wenn es um Integration geht und solange es noch um die Verbesserung der Gesundheit geht, ist die Krankenkasse zuständig.


    Für Überbrückungsleistungen ist dann jeweils das Sozialamt oder das RAV zuständig. Das Sozialamt und das RAV sind vorleistungspflichtig und werden nun einspringen bis die Rentenzahlung erfolgen kann. So kannst du finanzielle Lücken umgehen. Da du 50% leistungsfähig bist, wird eher das RAV zuständig sein. Da wirst du aber wahrscheinlich Arbeitsbemühungen machen müssen und die Frage ist, ob dies Sinn macht, wenn du im Herbst in die Klinik gehst. Dies würde ich gut mit deinem *r Berater*in anschauen. Wenn die IV involviert ist, gibt es da oftmals individuelle Möglichkeiten. Wichtig wäre, dass die zuständige Person bei der IV-Stelle das geplante Vorgehen mit dem RAV abspricht und man einen gemeinsamen Plan entwirft.


    Dann für während, nach deinem Klinikaufenthalt:


    Ich würde bereits in der Klinik die nächsten Schritte einleiten und dich dann wieder mit einem "Zusatz-Gesuch" bei der IV-Stelle melden. Dann wenn es dir besser geht. Diese Anmeldung braucht dann nicht mehr so lange und die Begleitung kann schnell wieder aufgenommen werden, ohne erneute Wartezeit. Die IV-Stelle arbeitet mit unterschiedlichen Kliniken zusammen und es gibt Eingliederungsberater, die werden bereits während dem Klinikaufenthalt aktiv.


    Eine grosse Schwierigkeit ist oftmals, diese Zeit bis zum Klinikeintritt zu überbrücken. Hast du Möglichkeiten und ein unterstützendes Umfeld, das dich bis dahin gut begleiten kann?


    Gerne darfst du dich auch bei uns melden, solltest du in dieser Zeit etwas brauchen. Wir sind dabei genau diese Lücken aufzufangen, Brücken zu bauen und Zwischenlösungen anzubieten. Bei Interesse www.wertfrei-hub.ch. Ich würde mich freuen von dir zu hören und wünsche dir nun auf diesem Weg alles Gute, viel Kraft und eine gute Besserung.


    Liebe Grüsse Martina