Rechtliche Fragen zu Fernstudium / Studium

Rubinchen
Rubinchen ✭✭
bearbeitet 29. Jun 2022, 09:19 in 🇩🇪 Deutschland: Studierende

Hallo,

ich schreibe für meinen erwachsenen Sohn, für den ich die Betreuung innehabe.

Zur Erklärung: mein Sohn erlitt vor ca. 12 Jahren einen unverschuldeten Verkehrsunfall. Als Folge eines SHTs und eines Schleudertraumas hat er Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme und ein chronisches Schmerzsyndrom sowie versch. körperliche Schädigungen (Instabilitäten, Bandscheibenvorfälle, Hörverarbeitungsstörung). Aufgrund vieler belastender Erfahrungen (Schwierigkeiten mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, Begutachtungen, unfähige Ärzte, ...) hat er sich sozial zurückgezogen und hatte mehrere Jahre schwere Depressionen.

Jetzt - durch eine Umstellung der Schmerztherapie - geht es ihm besser und er möchte gerne ein Studium beginnen. Einen FH-Abschluss hat er. Er wird es wahrscheinlich nicht Vollzeit schaffen und seine Konzentration reicht höchstens für zwei Stunden. Dann muss er eine Pause machen und kann weiterlernen, wenn er sich erholt hat.

Da der Besuch einer normalen Uni wahrscheinlich viele Kräfte verbraucht, um alleine hinzukommen und sich in einen Hörsaal zu setzen, dachte er an ein Fernstudium.

Aber hier liegt der Knackpunkt. Keiner konnte uns bisher aufklären, wie das geht und was rechtlich zu beachten ist. Von der Deutschen Rentenversicherung ist er dauerhaft als voll erwerbsgemindert eingestuft. Er hat einen GdB von 80% und lebt von Grundsicherung, hat Pflegestufe 2.

Wenn er jetzt ein Fernstudium beginnen würde (er müsste einen Teil bezahlen, die Familie würde ihn unterstützen), was bedeutet das dann? Wir haben es so verstanden, dass dann die Grundsicherung wegfällt und er als "gesund" gilt, d. h., dass er - lt. Aussagen des Beraters - dem Arbeitsmarkt wieder voll zur Verfügung stünde. Wenn er das Studium beginnt, aber nicht schafft, dann müsste er sich über die Arbeitsagentur eine Stelle suchen. Fällt dann auch die Einstufung der Deutschen Rentenversicherung weg und er ist wieder als "gesund" eingestuft? Von was kann er dann leben? BaföG?

Beim Bafögamt wurde uns gesagt, dass er nur für die Regelstudienzeit BaföG bekommen könnte. Er braucht aber sicher länger. Und danach?

Studienkredit?

Er kann einen Nachteilsausgleich bekommen, aber angeblich kein Teilzeitstudium machen?

Oder kann er weiterhin Grundsicherung beziehen, wenn er sein Fernstudium mit unserer Hilfe selbst finanziert?

Das sind Fragen, auf die wir so viele verschiedene Antworten bekommen haben, dass das ganze wie eine schwarze Wand vor uns steht. Wir wollen es ja richtig machen, aber auch dafür sorgen, dass mein Sohn finanziell über die Runden kommt. Noch dazu, wo wir nicht einmal wissen, ob er das online-Studium schafft.

Oder kann er ein Probesemester machen, damit man die Lage überhaupt einschätzen kann?

Wer kann dazu kompetent beraten? Die Fernunis versprechen alles mögliche, aber ob das dann auch so ist, weiß ich auch nicht.

Ich würde mich über Hilfe sehr freuen. Ich glaube, für meinen Sohn wäre es sehr wichtig, dass er überhaupt wieder ein Ziel vor Augen hat.

Viele Grüße

Rubinchen

Antworten

  • Hallo Rubinchen,


    weiß nicht, ob das Theme noch aktuell ist. Zu allen Punkten kann ich Dir leider nichts sagen, aber zum Bafög. Nachdem das Amt zumindest von Förderung bis Ende der Regelstudienzeit spricht, gehe ich mal davon aus, dass Dein Sohn die Altersgrenze für die Bafög-Förderung noch nicht überschritten hat.


    Wenn behinderungsbedingt die Regelstudienzeit überschritten wird, muss das Bafög-Amt auch darüber hinaus fördern ("individuelle Ausbildungsförderung"). Bei Förderung über der Regelstudienzeit ist das Bafög dann auch Vollzuschuss, muss also nicht zurückgezahlt werden. Voraussetzung ist, dass die Behinderung ursächlich für die Studienverzögerung ist. Gleiches gilt für die Beantragung von Verlängerungen der Höchststudiendauer an der Uni. So habe ich in einem Präsenzvollzeitstudium praktisch auch in Teilzeit studiert (in meinem Studiengang konnte ich mir auch selbst ein Fernstudium organisieren).


    Neben Bafög könnte Dein Sohn zusätzlich auch den Bildungskredit (2 Semester) oder einen Studienkredit in Anspruch nehmen; oder sich um Stipendium bewerben (z. B. das Deutschlandstipendium würde auf den Bafögsatz nicht angerechnet werden).


    Und oftmals gibt es an Fernunis "Sozialtarife" für Menschen mit Behinderungen, so dass Studiengebühren ermäßigt wären.


    Und etwas, was ich in der langen Zeit gelernt habe, in der ich (neben dem Studium) selber noch um die Schaffung der Voraussetzungen für das Studiums wie Finanzierung etc. gekämpft habe: in keinem Amt sitzt ein Berater ;-). Es mag da Ausnahmen geben, aber ich bin bislang auf keine gestoßen.


    Viele Grüße,


    enableMeToo

  • Hallo Rubinchen,

    vielen Dank für deine Frage. Toll, dass du so hinter deinem Sohn stehst!

    Da ihr in dem ganzen „Behördendschungel“ offenbar nicht weiterkommt, könntet ihr euch ja mal bei einer Beratungsstelle zu euren Möglichkeiten informieren.  

    Ein Beispiel dafür ist die unabhängige ergänzende Teilhabeberatung.

    https://www.teilhabeberatung.de/node/34

    Eine andere Möglichkeit der übergeordneten Beratung ist der Sozialverband Deutschland. Allerdings muss man dort Mitglied sein, um sich kostenlos beraten zu lassen.

    https://www.vdk.de/deutschland/pages/der_vdk/72455/suche-beratungsstelle

    Oder ihr guckt mal im Adressverzeichnis des Infoportals Rehadat.

    https://www.rehadat-adressen.de/anlaufstellen/

     

    Daneben könnt ihr euch natürlich auch erst mal im Internet informieren.

    Auf unserer Webseite gibt es zwei Artikel zum Thema Fernstudium und Behinderung.

     

    https://www.enableme.de/de/artikel/barrierefrei-studieren-mit-einem-fernstudium-2086

     

    https://www.enableme.de/de/artikel/fernstudium-bietet-fur-menschen-mit-behinderung-viele-vorteile-2560

     

    Und es gibt das Handbuch Studium und Behinderung inzwischen auch online

    https://www.studentenwerke.de/de/handbuch-studium-behinderung

     

    Außerdem könnte dein Sohn ja auch als Akademiestudierender ein Semester an einer Fernuniversität eurer Wahl ein Semester lang das Studieren ausprobieren. Das entspricht dem Status des Gasthörers an einer Präsenzuniversität.

    https://www.fernuni-hagen.de/studium/fernstudieren/hoererstatus.shtml

     

     

    Ich hoffe, das hilft euch weiter!

    Viel Erfolg dir und deinem Sohn und ihm ein interessantes und abwechslungsreiches Studium.

     

    Viele Grüße

    Annemarie

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