Mein Verlobter hat vor gestern seine Hand verloren was zahlt die Krankenkasse und was er?

Mein Verlobter aus Mexiko hat seine linke Hand verloren was sind die eigentlichen Kosten für Prothesen.?

Antworten

  • Hallo,
    wenn er bei einer deutschen, gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, übernimmt diese die Kosten für eine Prothese und das erforderliche Training dazu. Der Eigenanteil beträgt 10€.
    Eine Kosten-Obergrenze oder ein „Kassenmodell“ gibt es nicht. Voraussetzung ist aber, dass der Anwender den Gebrauchsvorteil einer hochwertigen Versorgung auch nutzen kann.
    Dies wird begrenzt durch die physischen und kognitiven Fähigkeiten des Anwenders.

    Es gibt zwischenzeitlich gute Lösung mit Einzel beweglichen Fingern und vordefinierten und selbst programmierbaren Griffmustern. Klavier spielen kann man damit zwar nicht, doch aber einiges bewerkstelligen.

    Freiwillig zahlt die KK eine hochwertige Versorgung, wir reden hier über ca. 50.000 bis 80.000€ oder mehr, meist nicht. Ich würde euch daher empfehlen, ein Kuvert zu nehme und drauf schreiben: RA Müller, Gütersloh. Da steckt ihr fortan jeden Monat 50€ rein. Ihr werdet das Kuvert brauchen.

    Ich wünsche eichtest mal alles gute und viel Glück.



  • Ja, was Einbein schreibt entspricht der Werbung bzw. Propaganda - die erwähnten Prothesen mit den Fingern und "bionisch" etc. sind üblicherweise myoelektrisch angesteuert, steigen also nach etwa 5-10 Minuten wenn man schwitzt aus, weisen eine Fehlerrate im Alltag von irgendwo zwischen 5-30% oder mehr auf, dh. man kann etwa damit rechnen, dass jede dritte bis jede zwanzigste Tasse beim Geschirrspüler ausräumen zu Boden fällt. Das ist recht viel. Belastbar etwa für Werkzeugeinsatz - Schlagbohren, Hammer, etc. - sind sie laut Herstellern kaum je bis gar nie. Im Gegenzug sind diese Prothesen vergleichsweise unbequem, und sie kosten diese im Bereich 30 000 bis 120 000 Euro, je nach Modell und Prothesentechniker. Sie sind aber bei Prothesentechnikern besonders dann extrem beliebt, da diese je nach Firma 20-30% auf die Teilekosten draufschlagen und so etwas daran verdienen. Mit dem Adjektiv "hochwertig" würde ich sehr aufpassen, so reissen die dünnen Überzüge eines iLimb beispielsweise bereits ohne dass man das Ding überhaupt trägt, einfach unberührt im Schrank, oder spätestens nach einigen Minuten Auto waschen. Wenn dann sind solche Geräte äusserst fragil und delikat, aber hochwertig wäre mir so als erstes jetzt bisher nie eingefallen. Der Gesellschaftsglaube an derlei Tand ist aber ungebrochen und sehr stark ausgeprägt. Es ist nun in der Anwenderszene bekannt, dass man über die effektive Untauglichkeit "bionischer" Armprothesen wenig bis nichts hört, indem auch gerade Leute, die dann selbst / privat sehr viel Geld für diesen Ramsch ausgegeben haben, das darüber Reden unangenehm und peinlich empfinden. Hier aber ist ein interessanter Artikel, der aus erster Hand sozusagen über diese Erfahrungen berichtet: https://www.inputmag.com/culture/cyborg-chic-bionic-prosthetic-arm-sucks

    Eigenkraftprothesen mit Kabelzug und Split Hook oder auch einer Hand dran sind theoretisch viel robuster baubar bzw. könnten in ihrer Ausführung sehr viel robuster gemacht werden. Das gibt das Bauprinzip her. Da sie aber nur etwa 5000 bis 9000 Euro - je nach Einzelteilen und Prothesentechniker - kosten, verdienen die Herstellerfirmen und Techniker daran weniger, und so vermute ich, dass oft Eigenkraftprothesen absichtlich schlechter ausgeführt / gebaut werden, um die Kunden davon abzubringen. So gibt es grosse Anbieter, deren Eigenkraftprothesenteile fast vermuten lassen, dass diese geplante Obsoleszenz sind - so dass klar ist, warum ich meine Kabelaufhängungsteile im Bereich Modellbau / Baumarkt / Fahrradteile hole, wo Steuerkabel auch richtig verbaut werden so dass sie gut laufen und halten. Es war damit auch so, dass ich dann selbst die Eigenkraftprothese so verändert habe, dass sie tatsächlich dem Werbeversprechen "robust" wirklich genügte - und als ich dann beim Tragen meiner myoelektrischen Prothese feststellte, wie sehr viel unbequemer diese war, meinte ein Prothesentechniker, dass ich von meiner Eigenkraftprothese klar unwiderbringlich verwöhnt sei, da eine myoelektrische Prothese niemals so komfortabel sein könne, und dass das im Grunde ein Fehler gewesen sei, mir sowas als erstes zu bauen (und mich das dann auch noch verbessern zu lassen).

    Die Hersteller sind aufgrund derartiger Probleme dann erstmal dazu übergegangen, das konstante Versagen ihrer myoelektrischen Prothesen "den kognitiven Fähigkeiten" der Benutzer zuzuschreiben, was so ähnlich ist wie die Fähigkeit im Fahren eines defekten Autos den kognitiven Fähigkeiten des Fahrers zuzuschreiben - und nicht dem Hersteller. Die ebenfalls an myoelektrischer Steuerung stark interessierten Forscher haben etwa 2014 einen öffentlichen Armprothesentest erfunden, in dessen erster Beschreibung klar drinstand, dass dieser Test den erklärten Zweck hat, "modernere" Armprothesen besser dastehen zu lassen als "ältere" Bauarten. Nun fügte es sich, dass beim Armprothesenrennen sowohl am Cybathlon 2016 wie am Cybathlon 2020 eben ein Teilnehmer mit einer relativ billigen Eigenkraftprothese gewann - denn es ist das überlegene Prinzip für alles mit Stress und Anstrengung - und alle Teilnehmer mit myoelektrischen Prothesen sich mit dem Rest der Rangplätze begnügen mussten. Ein Blick auf die Geschichte der Prothesengreiferdesigns zeigt denn auch, dass ein Split Hook eine relativ moderne Formidee ist, wogegen das Verwenden einer Handform für die Prothese eine Bauidee ist, die es vor hunderten von Jahren bereits gab. Damit gewann jeweils tatsächlich sogar der modernere Greifer. Und dass Angst- oder Stressschweiss auch Schweiss ist, der wie Anstrengungsschweiss die Myoelektrik einschränkt, und dass eine Anzahl anderer Faktoren dort echte Probleme verursacht, das wissen richtige Anwender eh.

    Insgesamt heisst das, dass der Markt einigermassen verworren ist, und dass teuer keineswegs hochwertig oder gut bedeutet, und auch, dass nicht alles was die Prothesentechniker bauen auch so gebaut werden muss. Das allererste , was ich mit meiner letzten "neuen" Prothese am ersten Tag machte, war zu Hause den dort verarbeiteten Kabelteil wegzumachen und meine eigenen Kabelaufhängungen zu verbauen. Das ist so wie wenn man am neuen Hemd erstmal die Knöpfe annäht oder als erstes in den Neuwagen eine neue Autobatterie reinmachen lässt, da der Hersteller dort was rein tat was nach 1-2 Wochen Stillstand schlappmacht.

  • Swisswuff schreibt hier natürlich deine persönliche Sicht.

    Wie bei allen Prothesensystemen kommt es auf den Benutzer und beabsichtigte Einsatzprofil an.

    Ein wesentlicher Faktor bei der Benutzung und dem Erfolg mit der Prothese ist die kognitive Fähigkeit des Anwenders und seine Kommunikation mit der Orthopädie Techniker. Drückt die Prothese und gibt def Anwender auf, steht das teure Ding ungenutzt im Eck. Gerade bei Hand- und Armprothesen ist das vermehrt der Fall, weils ja auch mit einer Hand ganz gut geht.

  • swisswuff1
    swisswuff1 ✭✭✭
    bearbeitet 12. Apr 2021, 09:09

    Ja , die eigene Ansicht ist von viel Erfahrung und von viel Austausch mit anderen zu exakt diesem Thema gepraegt. Sehr aktivem Austausch auch. Zudem einiges an eigener Fehlersuche, Bau / Tests, etc. - das listen wir hier nicht alles auf. Es geht aber wirklich weit. Lies den Artikel den ich oben gelinkt hatte und schau Dich in den einschlaegigen Userforen (dh nicht hier) um, da ist viel dran.

    Ein sehr wesentlicher Faktor ist der Komfort, Aufwand/Kosten und Zuverlaessigkeit - die Kombination von diesen ist bei myoelektrischen Armen relativ schlecht machbar. Entweder sind die Elektroden immer genau da wo sie sein sollen - dann ist der Arm stark eingezwaengt und der Ellbogen eingeschraenkt. Oder man hat diese Freiheit in der Bewegung aber es gibt bei der Funktion Abstriche. Da es rasch zu schwer wird, wenn man Hand, Konnektor, Ueberzug etc solide baut, macht man es halt leichter, dafuer ist es weniger haltbar und geht rasch kaputt. So siehts da aus. Etwa hat das iLimb nur hauchduenne Ueberzuege da aus Gewichtsgruenden kleine / schwache Motoren verbaut werden die durch dickere Ueberzuege an der Bewegung gehemmt werden. Unbeachtet dessen ist myoelektrische Steuerung problematisch, denn wenn man dann richtig schwitzt steigt das Ding voellig aus.

    Wenn dann also einer hingeht und so tut als ob das "kognitive Faehigkeiten" seien, die direkt dazu fuehren, dass man bei der Arbeit weniger stark schwitzt (oder so war es ja letztlich gemeint, man kann es gar nicht anders verstehen), dann sind wir eigentlich bei der sozialen Klassenfrage, bei der Gesellschaftsschicht - myoelektrische Prothesen funktionieren ja nun mal halt vor allem beim Herumsitzen. Wer also sowas propagiert, kann von echter schweisstreibender Arbeit keine grosse Ahnung haben. Derartige Prothesentechnik mit diesen Worten verbreiten zu wollen ist aehnlich wie die Aussage, "ach Sie haben kein Brot, essen Sie doch Kuchen".

    Der Post von einbein ist darin ausserordentlich wertvoll, da er ein Thema illustriert, das allgegenwaertig ist: es wird das Netz von allerlei Vorstellungen etc. zu Armprothesen geradezu geflutet - daher, dedizierte und geschlossene Armprothesen-Foren wo nicht von Aussenstehenden reingeredet wird sind immer eine gute Sache.

    Letztlich ist aber auch das egal. Die Hersteller bremsen Eigenkraftprothetik aktuell wohl nach Kraeften aus, sieht man an ihren teils arg ungeeigneten Teilen in den Katalogen; die meisten Kunden werden von den Technikern in Richtung der bedeutend ertragsreicheren myoelektrischen Armen gedraengt (deren Kosten ja nicht einfach hoch sondern gemessen an dem Bissche Etwas das man bekommt geradezu schwindelerregend irre sind), und es ist auch eine kognitive Leistung zu erkennen dass sowas dann so wenig taugt, dass man auf dieser Ebene die Sache bereits von vorne herein ganz sein lassen kann. So dass die folgerichtige Schussfolgerung ist entweder gar nicht erst hinzugehen - man spart sehr viel Zeit wenn man das gar nicht macht - oder dann einen eigenen Weg zu gehen, zu dem man aber durchaus eigene Moeglichkeiten benoetigt. Aber wer baut sich schon eigene Teile heutzutage.

  • Kommt drauf an, wie er versichert ist. War es ein Arbeitsunfall, oder er ist mindestens 8h/Woche irgendwo in der Schweiz angestellt, zahlt die Unfallversicherung. Falls nicht, müsste die Krankenkasse zahlen.

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