Gilt der Kündigungsschutz beim GdB 50 immer oder gibt es Einschränkungen

ich habe ein GdB 50, gilt der Kündigungsschutz auch, wenn eine krankheitsbedingte Kündigung ausgespochen werden soll, weil eine andere Erkrankung vorliegt als die für die Schwerbehinderung festgestellte

Antworten

  • Hallo Schwarzlippe,
    Kündigungsschutz gilt nicht immer, z.B. Diebstahl, Körperverletzung usw nicht.

    Kündigungsschutz schwerbehinderte Arbeitnehmer

    Zu dem besonderen Schutz zählt unter anderem auch der Kündigungsschutz von Schwerbehinderten, welcher §§ 85 – 92 SGB IX geregelt wird. Dabei ist zu beachten, dass dieser Kündigungsschutz in der Praxis nicht nur dann Anwendung findet, wenn der betreffende Arbeitnehmer auch tatsächlich als schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 SBG IX gilt, sondern auch bei jenen Arbeitnehmern, die nur eine Behinderung von mindestens 30 % ausweisen können, aber von der Agentur für Arbeit den Schwerbehinderten gleichgestellt sind.

    Der Kündigungsschutz beinhaltet, dass schwerbehinderten Arbeitnehmern nur gekündigt werden darf, wenn das zuständige Integrationsamt dieser Kündigung zustimmt. Dies gilt sowohl für ordentliche als auch für außerordentliche Kündigungen.

    In der Praxis bedeutet dies, dass ein Arbeitgeber sich zunächst nach § 85 SGB IX an das zuständige Integrationsamt wenden und dieses um Zustimmung bitten muss, wenn er einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen möchte. Stimmt das Integrationsamt der Kündigung nicht zu, ist diese nicht wirksam. Erfolgt eine Kündigung hingegen ohne die Zustimmung des Integrationsamtes, so kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung ihrer Unwirksamkeit klagen. Des Weiteren wird die Kündigung wirkungslos, wenn der Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt nichts von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers gewusst hat, dieser ihn aber innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Kündigung über die Behinderung beziehungsweise den gestellten Antrag informiert [LarbG Schleswig-Holstein, 06.07.2010, 1 Sa 403e/09].

    Bedingung für diesen besonderen Kündigungsschutz ist allerdings, dass das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung sechs Monate ununterbrochen bestanden hat. Eine kurzzeitige Unterbrechung der Arbeitszeit, die allein auf Veranlassung des Arbeitgebers hin geschah, ist nicht anzurechnen: der Kündigungsschutz besteht auch in jenen Fällen weiter [BarbG, 19.06.2007, 2 AZR 94/06].

    Außerdem muss bei Zugang der Kündigung mindestens eine der folgenden Sachlagen bestehen, um den Kündigungsschutz zu erhalten:
    •Die Schwerbehinderung beziehungsweise die Gleichstellung ist bereits durch die zuständige Behörde festgestellt worden
    •Der Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist mindestens drei Wochen vorher bei der zuständigen Behörde eingegangen [BArbG, 01.03.2007, 2 AZR 217/06]
    •Die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ist offensichtlich

    Kündigung schwerbehinderte Arbeitnehmer

    Ob eine Zustimmung zur Kündigung des Schwerbehinderten erfolgt oder nicht, entscheidet das Integrationsamt, welches als eine staatliche Behörde an ein pflichtgemäßes Ermessen gebunden ist und sämtliche für den individuellen Fall relevanten Umstände berücksichtigen muss. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass der § 85 SGB IX zwar die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer (Sonderkündigungsschutz) stärkt, aber nur insoweit sie sich tatsächlich auf die Schwerbehinderung beziehen. Dies bedeutet dementsprechend keinen Freibrief für Schwerbehinderte, nach dem sie sich verhalten können, wie sie möchten. Auch sie sind dazu angehalten, kein Fehlverhalten im Arbeitsverhältnis an den Tag zu legen. Dieses personen- beziehungsweise verhaltensbezogene Fehlverhalten kann beispielsweise in Form von mangelnder Eignung, Minderleistungen oder krankheitsbedingte Fehlzeiten auftreten.

    Hat der Arbeitgeber hingegen aus betriebsbedingten Gründen das Arbeitsverhältnis gekündigt, geschieht dies häufig aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes, beispielsweise aus rationalisierungsgründen. In diesen Fällen hat das Integrationsamt zu überprüfen, ob gegebenenfalls die Umsetzung des schwerbehinderten Arbeitgebers auf einen anderen Arbeitsplatz möglich wäre.

    Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens muss das Integrationsamt nach § 87 Abs. 2 SGB IX sowohl eine Stellungnahme des
    •Betriebsrates,
    •Personalrates,
    •der Schwerbehindertenvertretung sowie
    •des schwerbehinderten Arbeitnehmers einzuholen.

    Dies geschieht innerhalb einer Frist. Dabei ist zu beachten, dass bei fehlenden Stellungnahmen des Betriebsrates, des Personalrates sowie der Schwerbehindertenvertretung das Verfahren ganz normal weiterläuft, während die Stellungnahme des Arbeitnehmers entsprechend § 87 Abs. 2 SGB IX zwingend vorliegen muss, wobei sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Auch ein Hinweis, dass der Betroffene keine Stellungnahme abgeben möchte, gilt als ausreichend. Würde die Zustimmung seitens des Integrationsamtes allerdings ohne eine Anhörung des Schwerbehinderten erfolgen, würde sie als fehlerhaft und somit wirkungslos gelten.

    Nach dem Eingang der Stellungnahmen beziehungsweise nach der Anhörung des Betroffenen hat das Integrationsamt gemäß § 88 Abs. 1 SGB IX einen Monat lang Zeit, um eine Entscheidung zu treffen; allerdings handelt es sich dabei um eine sogenannte „Soll-Vorschrift“ einer Frist, welche also durchaus überschritten werden darf. Sollte diese Überschreitung jedoch unangemessen lang sein, kann der Arbeitgeber entsprechend § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG Schadensersatzansprüche gegenüber dem Integrationsamt geltend machen.

    Da es der Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer bedarf, ist der frühestmögliche Zeitpunkt zur Aussprache der Kündigung somit die Erteilung dieser Zustimmung.

    Zu beachten: die Zustimmung des Integrationsamtes ist nicht erforderlich, wenn
    •der schwerbehinderte Arbeitnehmer von sich aus kündigt,
    •das Arbeitsverhältnis aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages beendet wird,
    •das Arbeitsverhältnis im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und schwerbehindertem Arbeitnehmer beendet wird.
    (Quelle: Juraforum.de)
    Gruß
    Rudi
  • Sehr geehrtes Forenmitglied,


    wir haben uns Ihre Frage angesehen.

    Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben grundsätzlich besonderen Kündigungsschutz.
    Im Falle einer Kündigung treffen den Arbeitgeber deshalb besondere Pflichten. Er muss den Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung und grundsätzlich das Integrationsamt vorab beteiligen.

    Schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen gleich gestellte Arbeitnehmer haben wie jeder Arbeitnehmer den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Darüber hinaus haben sie einen besonderen Kündigungsschutz gemäß dem SGB IX. Dieser wurde durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) vom 1.1.2017 noch verstärkt.

    Nicht in allen Fällen ist das Integrationsamt zu beteiligen, so bestehen Ausnahmen beispielsweise wenn das Arbeitsverhältnis erst sechs Monate besteht oder der Arbeitnehmer mindestens 58 Jahre alt ist und im Falle einer Kündigung Anspruch auf eine Abfindung hat.

    Voraussetzung für den besonderen Kündigungsschutz ist, dass bei dem Arbeitnehmer eine Schwerbehinderung vorliegt, also die zuständige Behörde einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt hat oder die Schwerbehinderung offensichtlich ist oder ein Gleichstellungsbescheid der Agentur für Arbeit vorliegt. Die Vorschriften des Kündigungsschutzes finden keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist.

    Das neue BTHG macht eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zwingend erforderlich. Arbeitgeber müssen diese Änderung nun bei jeder Kündigung beachten.
    Nach § 178 Abs. 2 SGB IX ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine solche Beteiligung ausspricht, unwirksam.

    Gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss bei der Kündigung Schwerbehinderter auch der Betriebsrat beteiligt werden. Dieser muss zur Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers Stellung nehmen.

    Die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eines Schwerbehinderten ist grundsätzlich erforderlich. Dies bedeutet, dass ein Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 170 Abs.1 SGB IX erforderlich ist. Die Zustimmung muss bei Ausspruch der Kündigung vorliegen. Das Integrationsamt prüft im Rahmen des Antragsverfahrens, ob und inwieweit die Kündigung durch die besonderen Leiden des schwerbehinderten Menschen bedingt ist. Eine Prüfung der übrigen Kündigungsvoraussetzungen erfolgt an dieser Stelle nicht.

    Das Integrationsamt entscheidet über die Zustimmung zur Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen. Es muss die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abwägen.

    Grundsätzlich ist die Kündigung eines Schwerbehinderten von der Zustimmung des Integrationsamtes abhängig. Jedoch enthält das Gesetz einige Ausnahmen. Die Zustimmungsbedürftigkeit entfällt unterbestimmten Voraussetzungen. Hierzu zählt beispielsweise die Kündigung Schwerbehinderter, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht (§ 173 Abs.1 Nr.1 SGB IX). Dann muss die Kündigung durch den Arbeitgeber dem Amt lediglich angezeigt werden. Die Zustimmung des Integrationsamtes ist auch nicht nötig bei der Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben. Vorausgesetzt der Arbeitgeber hat ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und der beabsichtigten Kündigung wurde bis zu deren Ausspruch nicht widersprochen. Entsprechendes gilt bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, sofern die Wiedereinstellung der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist, oder wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderung nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.

    Wir raten dazu, dass Sie spätestens mit dem Anhörungsschreiben, welches im Falle der Einleitung des Verfahrens vor dem Integrationsamt versandt wird, Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht in Ihrer Nähe aufsuchen und dort das weitere Vorgehen abstimmen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc Florian Teßmer
    Rechtsanwalt














Diese Diskussion wurde geschlossen.