Vermutung Asperger bei gutem Freund - Wie ansprechen?

Hallo zusammen,
ich habe einen sehr guten Freund - wenn nicht sogar mein bester Freund. (Ich w, er m beide Mitte 20) In den letzten Monaten lernte ich ihn immer besser kennen und ich habe immer öfter ein "merkwürdiges" oder "wundersames" Verhalten beobachtet, das ich mir nicht erklären konnte. Da man mit ihm sehr gut reden kann, sprach ich ihn auch auf gewisse Dinge an, die er zum Teil schon selbst beobachtet hatte - zum Teil auch etwas ganz Neues waren. Vor kurzem gerieten wir in einen "Streit" - nun es war mehr eine rationale Diskussion von seiner Seite (Ich warf ihm vor, mich nie zu fragen, ob ich zu etwas mitkommen will bzw dass es mich verletzt, dass ich das Gefühl habe, dass er mich nicht dabei haben möchte, aber auf Vorschläge meinerseits immer positiv reagiert) - in der er mir zu verstehen gab, dass er meine emotionale Herangehensweise an einen Sachverhalt einfach nicht verstehen könne und dass er mir schon gesagt habe, dass es ihm schwerfiele auf Personen zuzugehen und warum mich das trotzdem verletzt.
Weitere Dinge, die ich nun in Kurzform aufschreibe, die mir aufgefallen sind:
- versteht Neckereien nicht
- kann mit subtilen Blicken, oder zweideutigen Aussagen nichts anfangen
- Sehr kreativ, besondere Begabung, fantastisches Gedächtnis von Spezialwissen auf gewissen Gebieten*
- sagt er könne seine Gefühle nur über ein bestimmtes kreatives Medium ausdrücken*
- sozialer Mensch, wenn auch in Gruppen ab ca 4 Personen sehr stumm, ruhig, wirkt tlw abwesend
- kann andere Menschen nicht für Dinge begeistern, da Begeisterung für ihn mimisch und verbal schwierig auszudrücken ist (hat er selbst erkannt)*
- ambivalentes Verhalten zu Berührungen - berührt selbst von sich aus keine Menschen, zeigt körperlich, dass ihm Berührungen unangenehm sind, sagt dies aber nicht.* (Seine Version ist, dass es bei den Mitmenschen nur schräg ankomme, er Berührungen aber mag - Die Körpersprache sagt etwas anderes)
- sehr ehrlich und direkt, sagt sogar er "verstehe" Lügen nicht*

und viele weitere Dinge. (Stichpunkte, die ich schonmal mit ihm als gute Freundin besprochen hatte, haben ein Sternchen)

Nun, ich zerbrach mir monatelang den Kopf über sein Verhalten, bis ich zufällig auf das Asperger-Syndrom gestoßen bin - ich habe mich nun durch Ratgeber und Foren gewälzt und habe trotzdem noch keine Ahnung, wie ich ihm meine Vermutung erklären soll. Er ist ein sehr reflektierter Mensch und denkt auch viel über sich nach - erklärt aber immer nur er sei "schüchtern und mit wenig Selbstbewusstsein".

Nun zu meiner Frage: Wie könnte ich ihn denn schonend darauf ansprechen? Immerhin könnte diese Laien-Diagnose auch vollkommen falsch sein, ich möchte ihm keine Angst machen (auch wenn ich bereits gelernt habe, dass Aspies wundervolle Menschen sind, weiß ich nicht wie er darauf reagiert). Hat hier jemand schon Erfahrungen damit gemacht? Ich möchte möglichst behutsam vorgehen - er ist mir sehr wichtig!

Ich danke sehr herzlich für Tipps und Ideen!

Antworten

  • Hallo Junefirerise,
    ich war länger nicht hier, aber in der Zwischenzeit sehr viel mit dem Thema Asperger-Syndrom beschäftigt.
    Ich bin froh, dass du schreibst, dass du weißt, dass Aspies wunderbare Menschen sind. Ich habe die Begegnungen mit kleinen und großen Menschen mit Asperger-Syndrom sehr schätzen gelernt. Wenn man sich mit dem Thema befasst, und sich ein bißchen auf die Besonderheiten im Kontakt einstellt, sind Kontakte nach meiner Erfahrung sehr bereichernd, sanft und aufrichtig! (Du siehst, ich bin begeistert- weswegen ich mich auch nach längerer Abwesenheit gleich wieder einmischen muss... 😺
    Zu dem was du schreibst haben sich mir verschiedene Fragen gestellt:
    Wieso ist es wichtig, dem Ganzen das Etikett zu geben? Die Hauptsache ist doch, dass ihr euch mögt und dass das gelingt, was in allen Beziehungen passieren muss: einen Weg zu finden, auf dem ihr miteinander sein könnt und auf dem es euch beiden gut geht.
    So eine Diagnose, wenn sie denn gestellt würde, hat schon weitreichende Wirkung. Häufig ist das Thema eher nicht mit "wunderbar" sondern eher mit "behindert" assoziiert. Viele, gerade jüngere Menschen fühlen ich von so einer Vermutung zunächst sehr verunsichert. Sicher kann das hilfreich sein, wenn es in mehreren Bereichen des Lebens, vor allem wohl beruflich, echte Probleme gibt. Dann gibt es ja auch viele Unterstützungsmöglichkeiten. Aber du beschreibst es so, dass ich denke, es ist doch eigentlich alles gut, oder?
    Ich würde dir glaube ich wünschen, dass du das Wunderbare in éurem Kontakt schätzen kannst und dass ihr schaut, wie ihr gut miteinander sein könnt - und dass dabei Diagnosen weniger eine Rolle spielen!
    Sollte an deiner Vermutung ws dran sein, kannst du doch einfach davon ausgehen, dass es so ist und dich drauf einstellen...
    Ich wünsche euch auf jeden Fall von Herzen alles Gute
    Meerschneckchen
  • Hi,
    vielleicht hat dein Freund wenig Selbstbewusstsein, weil er merkt, dass seine Umfeld etwas anders tickt als er selbst.?
    Verspürt er Leidensdruck? Du musst dir erst klar werden, ob eine Diagnose für ihn oder dich wichtig ist.

    Vielleicht hilft ihm die Erkenntnis, dass er unter den Menschen was Besonderes ist. Mit der Erkenntnis und/oder Diagnose kann er oder du ganz offen und ohne falsche Scheu das Leben leben.

    Ganz nach dem Motto: Ich bin anders, na und.

    Eine Diagnose hilft zwar schwierige Situationen zu verstehen und zu meistern, aber kann vielleicht auch was kaputt machen. erst recht, wenn an dem Verdacht nichts dran ist.

    Ich glaube, dass auch Asperger_Syndrom ganz unterschiedlich bei Betroffenen ausgeprägt ist, wie alle Syndrome.

    Wenn Ihr Spannende Filme mögt, schaut euch die Stieg Larsson Trilogie an. Der Filmcharakter Lisbet Salander hat auch Asperger. Sehr cool.
    Viel Grüße

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