Erfahrungsbericht Zugfahrt

MyHandicap User
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bearbeitet 3. Jun 2024 in Reisen & Mobilität
Ein Erfahrungsbericht von Ilonka Lütjen:


Eine Zugfahrt

Eine Zugfahrt ist nicht immer lustig und entspannend. Vor allem, wenn man eine Behinderung hat. Der wohlmeinende Rat: "Fahren Sie doch lieber die 173 km mit dem Zug. Das ist doch viel bequemer für Sie, als mit dem Auto zu fahren. Sie wissen doch auch gar nicht, was Sie am Ziel erwartet", zeugt von verständlicher Unkenntnis der Situation. Aber als Facharzt? Hmm...

So denkt man, wenn man keine Behinderung hat!

Unsere Seite sieht anders aus. Ich müsste 3-4 mal umsteigen, wie ich inzwischen rausgefunden habe, bis ich am Zielbahnhof angekommen bin. Auch wenn ich von zu Hause aus ein Taxi nehme, um zum Bahnhof zu gelangen, muss ich vorher alles!!
Notwendige so einpacken, dass ich es einfach transportieren kann. Nachdem ich aus dem Taxi ausgestiegen bin, muss ich zum Zug auf das Gleis. Zum Glück gibt es inzwischen Fahrstühle zum Gleis. In Mainz ist das zumindest so. Wenn es allerdings keinen Fahrstuhl gibt und auch die Rolltreppe grad nicht funktioniert, steht die nächste Herausforderung an.
Im Winter ist das Warten am Gleis zusätzlich kalt. Stellen Sie sich vor: ich stehe/ sitze endlich am Gleis. Habe ein Ticket für die 1. Klasse und einen reservierten Sitzplatz. Tja, plötzlich wird über Lautsprecher bekannt gegeben, dass die Reihenfolge der Wagen heute anders ist,b als auf dem Plan vermerkt. Also muss ich an das andere Ende vom Gleis gelangen. Inzwischen fährt der Zug ein. Diesmal ist er pünktlich. So schnell komme ich nicht ans andere Ende. Vielleicht gibt es auch den reservierten Sitzplatz nicht, weil der Wagen abgehängt wurde. Stress ist überhaupt nicht gut! Aber ich muss einsteigen, wenn der Zug nicht ohne mich losfahren soll.

Durch den Zug zu gehen ist schwierig. Es wackelt. Besonders die Verbindungsstelle zwischen zwei Wagen ist extrem wacklig und eine echte Herausforderung an die Koordination und das Gleichgewicht. Zwischendurch zur Toilette zu gehen ist deshalb auch herausfordernd. Manchmal ist selbst bei der 1. Klasse eine Toilette blockiert und der Weg für mich ist weit bzw. führt in den benachbarten Wagen. Zurück zu meinem Weg durch den Zug. Ich bin gespannt, ob ich einen Sitzplatz finde. Der Wagen mit meinem reservierten Sitzplatz ist ja abgehängt worden. Es suchen viel mehr Menschen einen Platz, als Plätze vorhanden sind. Lange kann ich leider nicht stehen.

Es gibt auch die Option, vor dem Tripp bei der Bahnhofsmission anzurufen. Dann werde ich mit Rollstuhl vom Taxi abgeholt und zum Zug gefahren. Mein Gepäck und den Stock halte ich auf dem Schoß. Mit Rollator habe ich das Abenteuer einer Zugfahrt noch nicht unternommen! Abholen klappt auch am Flughafen. Juhu! Blöd ist nur, wenn ein Termin zum Abholen mal vergessen wird. Das hatte ich auch schon! In dem Fall ist der Stress noch größer.

Wenn die Zugfahrt auch noch das Umsteigen (ich fahre nur Zug, wenn der Zug vom Start bis zum Ende durchfährt) beinhaltet, geht der Stress immer wieder von vorne los. Jedes Mal muss also vorher der Bahnhofsmission Bescheid gegeben werden. Oder aber ich rufe direkt bei der Bahn an. DB hat extra eine Abteilung für das Thema Disability. Bisher habe dort meistens eine liebevolle Dame im CallCenter erreicht, die aber auf einige meiner Fragen leider keine Antwort wusste. Sobald der Reisende am Zielort angekommen ist, geht das Prozedere von vorne los! Aussteigen aus dem Zug und zu dem (hoffentlich) bereits Wartenden gelangen. Sie wissen, der Zug wackelt!! Ich werde zum Taxi gerollt. Mit diesem geht es weiter zum Unternehmen. Wenn der Termin zu Ende ist, steht die Rückreise an. Falls Sie an den Silvester Abenden auch 'Dinner for one' geschaut haben: "The same procedure than...."

Bei dieser Sachlage fahre ich doch lieber mit dem Wagen! Das tun übrigens viele Menschen, die eine körperliche Behinderung haben. Der Hinweis, „Sie könnten doch einen Unfall bauen! Was denken dann die Polizisten, wenn diese Sie aus dem Auto steigen sehen?“ zeugt von verständlicher Unkenntnis. Warum sollte ich einen Unfall bauen? Und wenn, werden die Polizisten das Behindertenschild sehen und auch den Rollator oder Rollstuhl, der im Wagen liegt. Durch die Behinderung sind wir daran gewöhnt, uns vor dem Handeln schnell abzusichern. Das ist auch im Straßenverkehr sehr hilfreich. Es gibt übrigens wesentlich mehr Autofahrer, wie ich immer wieder erlebe, die man nicht auf die Straße lassen sollte, weil sie geistig nicht mehr zum Fahren in der Lage sind. Das aber wollen sich die Meisten leider nicht eingestehen.

Zur Not habe ich immer ein Übernachtungs-/ Survival-Pack im Wagen (Duschen mit aufgeschäumter Zahnpasta hat mich schlau gemacht) und kann mir ein Hotel nehmen, wenn ich nicht mehr nach Hause fahren kann. Inzwischen merke ich das, BEVOR ich losfahre und höre auch auf mich! Juhu!

Wie übrigens die Gegebenheiten am Zielort sind, kann ich vor dem Termin in einem Telefongespräch erfragen. Die meisten Menschen sind hilfsbereit. Besonders bei diesem Facharzt in Köln wird das wohl so sein. Wenn ich bereit bin, meinem Wagen einem anderen Menschen zum Parken anzuvertrauen, ist sogar dieses Thema geklärt. So handhabe ich das bei Kunden. Voila!

Antworten

  • Hallo Ilonka,

    vielen Dank für den ausführlichen Bericht.
    Konnte das alles so gut nachvollziehen was du hier schreibst.Hab
    da auch schon die eine und andere Erfahrung gemacht auch
    wenn ich schon seit Jahren nicht mehr mit dem Zug,Bus,Bahn gefahren
    bin und Gott echt dankbar bin, das Geld für ein Auto zu haben, was
    das Leben als Gehbehinderter sehr, sehr erleichtert.
    Ich weis ,dass nicht jeder der User hier sich ein eigenes Auto
    leisten kann und ich verstehe jeden, der da lieber ein und ander
    Mal im Haus bleibt anstatt raus zu gehen, wenn die öffentlichen
    Verkehrsmittel benutzt werden müssen.


    Schönen Tag noch,


    LG
    Bili
  • Ich fahre sehr oft mit dem Zug. Meine Erfahrungen sind mehr als positiv, da ich einige male Umsteigen muss jedes mal nehme ich die Umsteigehilfe in Anspruch. Bisher hat es IMMER prima geklappt. Ich wurde von einem Zug in den anderen mit meinem Rollstuhl geschoben im Zug wurde dafür gesorgt dass der Behindertenplatz frei gemacht wird. Bisher kann ich mich absolut nicht beklagen im Gegenteil alle sind sehr höfflich, nett und haben immer einen Lächeln auf dem Mund einfach toll. Auch die Zugbegleiter zeigen sich ihrer besten Seite : während der Fahrt wechseln mehrmals die Begleiter, und jeder stellte mir die Frage wohin ich fahre und ob sie mir helfen sollen.So viel man über die DB schimpft und unzufrieden ist (Großteils zu Recht) dieser Bereich ist nahezu perfekt geführt. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Deutsche Bahn AG.

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  • Also, man kann Probleme oder Lösungen suchen.
    So ein Auto tankt sich von alleine, wäscht sich von innen und außen, fährt ohne Zutun zur Werkstatt und Reifenwechsel und kostet nix.
    Einen kleinen Fehler, der ein Knöllchen nach sich zieht, gibt's auch nicht....

    Nur dass die Karre vor der Tür steht, kostet 250...500 € im Monat, ohne einen Meter gefahren zu sein. Wer kein Auto hat und im Monat für 300 € Taxi und Zug fährt, ist immer noch billig unterwegs.
    Komisch dass einige immer alles um sonst haben wollen....

    Klar ist es kein Luxus im Rolli unterwegs zu sein, aber wir leben auch nicht im afrikanischen Busch wo du zwischendurch vom Löwen gefressrn wirst. Und wenn du mal auf einem Bahnsteig gar nicht mehr weiter kommst, gibt's als letzte Instanz immer noch die 110.

    Der Vorteil vom Auto gegenüber der Bahn ist nur, dass du beim Auto erst nach der Fahrt bezahlen musst.

  • Für jede distanz gibt es das optimale transportmittel, das ist auch mit behinderung so

    ich kann mich im prinzip auqarius nur anschliesen, habe selber für einige private & berufliche ausflüge die DB benutzt, werde es auch in zukunft tun und war sehr zufrieden....klar sollte man das MSZ (mobiltätszentrum) zumindest einen tag vorher kontaktieren.....aber ansonsten hatte ich nie probleme beim einsteigen, umsteigen,... als rollifahrer (teilzeitrolli mit restgehfähigkeit)
    auch als mal eine reservierung um einen tag falsch war , bei einer rückreise... wurde alles problemlos umorganisiert am selben tag ! und ich auch noch angerufen um mir das zu bestätigen....geht ja kaum besser...

    was ich aber schon mache und damit sind wir bei meinem ersten satz, ich fahre wohnortbedingt mit den auto zu einem 'sinnvollen' bahnhof....und von dort gehts dann mit dem zug los....IC , ICE sind auch alleine kein problem...bei machen regional & S Bahnen war ich schon froh eine begleitung gehabt zu haben...

    auch von mir:

    herzlichen Dank an die Deutsche Bahn AG für ihren service !!
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