Zeitarbeit und Schwerbehinderung. Was für folgen? Was für Rechte habe ich ?

Guten Tag,
ich arbeite seit 4 Monaten bei einer Zeitarbeitsfirma (unbefristeter Vertrag jedoch mit 6 monatiger Probezeit).

Ich habe meine Schwerbehinderung nicht genannt, da ich Angst hatte, deshalb nicht angestellt zu werden.

Nun meine Fragen:
Wenn ich jetzt den Ausweis nachreiche, bekomme ich dann noch den Zusatzurlaub für alle 4 Monate?

Der Arbeitsauftrag bei der Firma, an die ich vermittelt wurde endet in 2 Wochen und ich habe die Befürchtung, dass ich danach gekündigt werde (laut Zeitarbeit ist deren Auftragslage nicht sehr gut, sodass ich eine weitere Vermittlung als unwahrscheinlich betrachte).
Wenn ich nun die Kündigung erhalte, kann ich den zusätzlichen Urlaubsanspruch auch noch rückwirkend geltend machen?
Die Zeitarbeitsfirma hat auch eine Betriebsrat. Wäre es sinnvoll wenn ich mich an diesen wende, oder habe ich – da noch in der Probezeit- eh keine Chancen auf eine Weiterbeschäftigung?
Wie ist das eig. bei einer Zeitarbeitsfirma und einem unbefristeten Vertrag. Falls ich über die Probezeit hinaus gelange, habe ich ja eine unbefristete Anstellung. Ist dies aber auch so sicher, wie in einer normale Firma. Ich denke, dass man in der Zeitarbeitsfirma sicherlich schnell sagen kann, dass man keine Aufträge mehr hat und deshalb den Schwerbehinderten nicht mehr beschäftigen kann, oder?

Vielen Dank für eure Antworten.

Manuela


Antworten

  • Sehr geehrtes Forenmitglied,

    grds. gilt, dass der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen nach § 90 SGB IX erst nach sechsmonatiger Tätigkeit im Betrieb entsteht.

    Die Unkenntnis über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber teuer sein. Denn im Falle der Nichterfüllung der Quote müssen Betriebe eine so genannte Ausgleichsabgabe entrichten. Da der Arbeitgeber die Anzahl der beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten Mitarbeiter selber meldet, kann er nur diejenigen angeben, über deren Anerkennung er eine offizielle Kenntnis besitzt. Da der Arbeitgeber sich nur dann rechtstreu verhalten kann, wenn er über die Schwerbehinderteneigenschaft seiner Mitarbeiter unterrichtet ist, wurde entschieden, dass der Arbeitgeber nach Ablauf von 6 Monaten Wartezeit im bestehenden Arbeitsverhältnis nach der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers fragen darf (BAG Urteil vom 16.02.2012 - Aktenzeichen 6 AZR 553/10).

    Nach der Feststellung der Schwerbehinderung bleibt es dem Arbeitnehmer überlassen, ob er diese dem Arbeitgeber mitteilt oder nicht. Solange die im Arbeitsvertrag aufgeführten Pflichten vom Arbeitnehmer erfüllt werden können, besteht keine Pflicht den Arbeitgeber zu informieren. Allerdings besteht dann auch kein Anspruch auf Zusatzurlaub oder Teilnahme an der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung.

    Menschen mit einer für das ganze Kalenderjahr anerkannten Schwerbehinderung erhalten einen Zusatzurlaub von 5 Tagen (§ 125 Abs.1 SGB IX). Die Urlaubstage treten zu dem Grundurlaub hinzu, der den schwerbehinderten Beschäftigten laut Arbeits- oder Tarifvertrag bzw. nach gesetzlichen Bestimmungen ebenso wie den nicht behinderten Arbeitnehmern ohnehin zusteht.
    Es gelten die allgemeinen Urlaubsgrundsätze, das heißt der Zusatzurlaub folgt dem Grundurlaub hinsichtlich seines Entstehens (z.B. Wartezeit/Teilurlaub bei nicht voll erfülltem Urlaubsjahr; Urlaubsjahr = Kalenderjahr), der Gewährung, seines Erlöschens und des Abgeltungsanspruchs nach Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis. Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben.

    Nach § 5 Bundesurlaubsgesetz gilt:

    (1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer
    a)
    für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;
    b)
    wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;
    c)
    wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
    (2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
    (3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.


    Es ist also grds. erforderlich, dass Sie die Schwerbehinderung im laufenden Arbeitsverhältnis mitteilen um den Zusatzanspruch (auch teilweise) durchsetzten zu können.

    Alles Rechte im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz greifen grds. erst nach einer sechsmonatigen Beschäftigungszeit. Sollte allerdings eine Kündigung in unmittelbaren Zusammenhang mit der Mitteilung der Schwerbehinderung ausgesprochen werden, sollte gleichwohl auch bei nicht erfüllter Wartezeit von sechs Monaten die Erhebung einer Kündigungsschutzklage erwogen werden. Die Klage muss aber zwingend spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingereicht werden. Ich rate dringend – auch wegen der Klärung der Kosten – dazu, hier einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu beauftragen.

    Ihre weiteren Fragen lassen sich so pauschal nicht beantworten. Soweit das KSchG Anwendung findet bedarf der Arbeitgeber eines Kündigungsgrundes. Zudem braucht der Arbeitgeber nach Ablauf einer sechsmonatigen Beschäftigungszeit der Zustimmung des Integrationsamtes. Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung anzuhören. Hier gibt es grds. keine Besonderheiten bei Zeitarbeitsfirmen.

    Eingehende Erklärungen halten die Integrationsämter auf deren Homepage bereit, z.B.: https://www.integrationsaemter.de

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc Florian Teßmer
    Rechtsanwalt
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