Unterschenkelamputation mit Knochenbrücke

Ich bin seit einem Unfall vor ca. 2 Jahren Unterschenkelamputiert und habe große Probleme. Aufgrund von Schmerzen und geringer Belastbarkeit kann ich Prothesen kaum verwenden. Auch 2 Nachoperation wegen Neuromen und Exostosen brachten bislang keine Besserung.

Nun bin ich beim Surfen zu dem Thema auf verschiedene Operationsmethoden (z.B. nach Ertl oder Guedes) gestoßen bei deinen eine Knochenbrücke zwischen Schien- und Wadenbein erstellt wird. Auch die Muskeln und Nerven werden besser versorgt. Dies soll zu einer wesentlich größeren Belastbarkeit führen. Leider gab es nur Berichte aus den USA und Brasilien. In Europa wird dieses Verfahren wohl nicht angewandt. Hat jemand mehr Informationen oder Erfahrungen zu dem Thema? Vielleicht auch Adressen von Fachleuten oder so ...

Ich brauche auf jeden Fall einen guten Arzt oder Klinik zum Thema Amputation, da ich mit Ende Zwanzig nicht nur im Rollstuhl sitzen will. Mit meinen bisherigen Ärzten bin ich nicht zufrieden.

Antworten

  • Hallo MisterX,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html
    Dein Anliegen habe ich an unseren entsprechenden Fachexperten weitergeleitet. Bitte hab ein wenig Geduld bis zur Antwort 😉

    Fachexperten benötigen für eine kompetente Antwort möglichst viele relevanten Details zum jeweiligen Anliegen. Sollte es weitere Informationen geben, wäre es hilfreich, wenn Du diese in der Zwischenzeit nachreichst. Dabei werden selbstverständlich keinerlei persönlichen Daten benötigt.

    Wenn Dein Anliegen dann geklärt ist, sei bitte so lieb und setze die Bewertung oberhalb des Threads auf 100%. 😀
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    Bei weiteren Fragen wende Dich gern jederzeit wieder an mich oder meine Kollegen oder die Community! Wir alle hier freuen uns, wenn wir helfen dürfen 😀

  • Hallo Mister X,

    Ich kann dir auch den Grund nennen, weshalb die Ertl oder Guedes Technik nicht oder kaum angewendet wird in Deutschland.
    Studien haben gezeigt, dass eine Amputation im unteren drittel der Extremität sehr häufig Belastungsprobleme haben. Die Techniken nach Ertl und Guedes, tragen jedoch nicht wesentlich dazu bei, dass die Belastung dadurch stärker wird. Soll meinen...die "Brückenbildung" ist nicht ausschlaggebend für eine höhere Belastbarkeit.
    Die Entbelastung nach Amputation im unteren Drittel des Beines beträgt etwa 10%.. im mittleren drittel etwa 30% im oberen drittel etwa 60%. Deshalb neigen Orthopäden eher dazu, dass sie im oberen Drittel amputieren. Hier ist auch die Chance einer muskulären Deckung des Stumpfes um ein vielfaches höher. Was mit entscheidend ist für den "Tragekomfort" einer Prothese.
    Du solltest dich mit dem Gedanken einer Nachamputation beschäftigen,.. Beinkürzung bis knapp unterhalb des Knies. Dann ist davon auszugehen, dass du relativ problemlos eine Prothese tragen kannst. Die Spitzenportler mit Handicap sind der Beweis dafür.

    LG Thomas
  • Google mal unter Endo-Exo.

    Dann schreib ich doch noch was dazu:

    Das Zeil der Knochenbrücke war die Belastbarkeit durch fixieren der beiden Knochen (Schien- und Wadenbein) zueinander zu verbessern. Bei uns werden aber 85% wegen PAVK amputiert. ca. 7% wegen Tumor. Bleiben die Traumapatienten. Da versucht man erst mal Gliedmaßen-erhaltend zu arbeiten. Gelingt das nicht, ist das Bein infektiös. Daher reduzieren sich die potentiellen Kandidaten weiter. Die, die dann amputiert werden müssen, haben andere Begleiterkrankungen, die ein Ertl unmöglich oder zumindest nicht vielversprechend machen.

    Für Ertl braucht man ein ca. 5cm Knochenstück mit intakter Knochenhaut. Das OP-Verfahren ist aufwendig. Daher ist das Verfahren eher exotisch. Amputationschirugie ist bei uns auch eine Restechirugie mit der sich kein orthopädischer Chirurg rühmen kann. Eigentlich gehört das auch in die Hand eines Spezialisten, aber heut zu Tage meint jedes Kreiskrankenhaus jede OP machen zu müssen...

    Bei einer Traumatischen Amputation versucht man eher soviel zu erhalten, mie möglich ist. Manche Operateure schießen da schon mal übers Ziel hinaus und erhalten Gewebe um jeden Preis zu Lasten der Lebensqualität der Patienten.

    Hier kann man natürlich keine Beratung und Beurteilung machen. Für eine gute Prothesenführung ist ausreichend vitales Gewebe erforderlich. Ist der Stumpf zu kurz, fehlt die Führung im Schaft. Dann wäre eine Nachamputation auf eine andere Amputationsebene evtl. die bessere Wahl. Man bekommt einen belastbaren Stumpf auf Kosten eines Funktionverlustes. Dieser kann durch die technische Orthopädie (Prothesentechnik) immer besser ausgeglichen werden.

    Ein nicht ganz neues, aber immer noch in der Entwicklung steckendes Verfahren ist die Endo-Exo-Prothese. Hier wird ein Metallstift in den Knochen implantiert und verwächst fest mit diesem. Die Erfahrung kommt aus der Endoprothetik ("Hüftgelenk") Ist aber ein völlig anderer Mechanismus. Dazu ggf. mehr. An den Metallanker wird extern die Prothese geschraubt und ist jetzt fest mit dem Knochen verbunden. Vorteil: "uneingeschränkte" Belastbarkeit. Belastung im Knochen und Belastungsreriz im Knochen, dass dieser in seiner Struktur und festigkeit erhalten bleibt. "natürliche" Belastung des Skelet und Bewegungsapparat....
    Nachteil: permanente offene Wunde (Stoma) durch den der Metallanker durch den Knochen tritt. Erstaunlicherweise funktioniert das aber recht problemlos bei "geeigneten" Patienten. Der Patient muss ausreichende kognitive Fähigkeiten besitzen, das Stoma zu reinigen und pflegen und angemessen mit seinem Körper umgehen (Alkohol-, Nikotin-, Drogenkonsum, ggf. Diabetis).


    Anders als das alte, einzementierte Hüftgelenk verfügt das Endo-Exo-Implantat über eine "spongiöse" Oberfläche, in die das Knochengewebe einwächst. Das Implantat besteht aus 2 Teilen: Eigentliches Knochenimplantat, das in der 1. OP eingesetzt wird. Nach einer mehrwöchiger Verwachsung erfolgt die 2. OP, bei der der Austrittsstift angeschraubt und das Stoma (Austrittsloch) angebaut wird. Jetzt kann stufenweise mit der Belastung begonnen werden.
    Beschränkungen durch Hautreizungen, Druck- oder Scheuerstellen bestehen nicht mehr.
    Der Austrittsstift ist mit einer Metalllegierung beschichtet, die ein Anhaften von Gewebe verhintert. Die Ternnstelle bleibt eine offene Wunde, durch die permanent kleine Mengen Sekret austrtitt. Dies wird durch eine Mullkompresse aufgefangen und sie muss regelmäßig 1-2 x am Tag gewechselt werden. Es gibt auch Patienten, die das einfach raussabbern lassen (!?).
    Hier ein Link zum Verfahren:
    http://www.osseointegration-germany.de/index.php/de/
    http://www.schuett-grundei.de/index.php?seid=251
    http://www.bgu-ludwigshafen.de/gesundheits-abc/gesundheits-abc/e/endo-exo-prothese/beschreibung.html




  • Die angesprochenen Operationstechniken (Ertl, Guedes) werden, wenn überhaupt in der Regel bei der Primäroperation durchgeführt mit Knochen von der Fibula oder Tibia, möglich unter Erhaltung der Knochenhaut und Durchblutung. Dies ist sekundär nicht mehr möglich, da der Knochen bereits weg ist. Transplantierter Knochen vom Patienten oder Fremdknochen sind nicht gleich gut. Eine Studie von Tucker im JBJS 2012 hat keine Verbesserung durch die Knochenbrückenbildung nachgewiesen. Ich denke, dass eine individuelle Unetrsuchung und Abklärung durch einen Amputationsspezialisten notwendig ist (in Deutschland zB. Prof. Hans-Henning Wetz Münster, PD Dr. Lutz Brückner Bad Klosterlausnitz) um die Ursache der Probleme ausfindig zu machen. Bei Neuromproblemen zB. würde eine Knochenbrücke gar nicht bringen.
  • Ich bin vor knapp einem dreiviertel Jahr nach Ertl (modifiziert) im UKM amputiert worden. Ich bin überzeugt von dieser Amputationstechnik. Endelastbarkeit ist vorhanden, was die prothetische Versorgung und den alltäglichen Umgang mit der Prothese vereinfacht. Bei Stumpfschwankungen und extremem Durchrutschen im Schaft kann ich trotzdem problemlos weiterlaufen, auch wenn ich mit dem Stumpfende auf dem Schaftboden stehe. Mein Stumpf ist etwas länger als Burgessamputierte, sodass ich eine super Führung und Hebelwirkung habe, aber auch nicht zu lang, um nicht extrem eingeschränkt in der Fusswahl zu sein. Das einzige was mich stört ist die nervige Schweissbildung im Silikonliner; davon kann aber denke ich jeder Linerträger eine Ode verfassen. Das ist das einzige Kriterium was mich im Alltag abbremst.

    Davor war ich seit 1994 vorfussamputiert (Überrolltrauma). Wegen der verdammt schlechten Stumpfverhältnisse entschied ich mich für eine Stumpfrevison.

    Vor der Amputation konnte ich mich nur durch Berichte und durch nicht konstant geführte Blogeinträge aus den USA informieren. Schade eigentlich, dass diese OP Methode in Dt. vernachlässigt wurde.
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