Phantomschmerzen

Bin am 08.09.14 am linken Bein amputiert worden. Ich habe schreckliche Phantomschmerzen, Brennen, Kribbeln oft stundenlang. Allerdings wenn ich sitze und der Stumpf dann unter Druck ist geht es manchmal. Besonders wenn ich ins Bett gehe und liegen will geht nichts mehr. Wie ich mich auch hinlege und den Stumps mit Kissen unterstütze halte ich es vor (Phantom)Schmerzen nicht aus. Geht es irgendwann mal weg? Mir geht es also nur einigermaßen gut wenn ich sitze.

Antworten

  • Je nach dem wen man fragt verlaufen diese Phantomschmerzen anders. Einige offenbar haben nach 10 oder 15 Jahren plötzlich ganz schlimme Phantomschmerzen. Andere haben irgendwie wenig Probleme damit. Bei mir werden die Phantomschmerzen über die letzten Jahre langsam, sehr langsam, zunehmend mehr.

    Es wird unterschiedliches dagegen unternommen.

    Ich habe festgestellt, dass mir die ganzen Schmerzmittel etc. nur bedingt bis gar nicht nützen, aufgrund der Nebenwirkungen und Kosten für mich insgesamt daher weniger attraktiv sind. Lieber bin ich total wach und bei Sinnen, dafür röhrt halt der Arm. Dagegen denke ich nicht dran, bzw., habe ich geübt diese Phantomschmerzen auszublenden und dann geht es ganz gut. Es sind andere Schmerzen als wenn man sich z.B. verletzt, das Hirn kriegt irgendwann die Kurve und "weiss" dass die Phantomschmerzen nutzlose und wenig besorgniserregende Dauersignale sind, die unnötig sind und ohne Problem ignoriert werden dürfen. Das gelingt aber nicht allen, manche Leute denken dann nur an diese Schmerzen, und das kann sehr sehr schlimm sein.

    Es gibt verschiedene Medikamente, die da probiert werden. Neurontin, Antidepressiva, etc. sollen helfen. Auch gibt es Leute, denen wird eine Schmerzmittelpumpe eingebaut, die soll diese Schmerzen reduzieren. Alles das sind Versuche, ob diese nützen kann im vorneherein niemand sagen. Andere Leute versuchen TENS, wieder andere schwören auf "Abschirmung" durch Metallgewebe (Farabloc, ..). Mirror Therapy bzw. Spiegeltherapie soll auch helfen. Bei mir nutzte Metallgewebe gar nichts, Spiegeltherapie drehte die Intensität der Phantomschmerzen eher etwas hoch.

    Bei mir ist wegen der schlechten Zirkulation so, dass der Arm auch kalt ist und blau, venös teigig gestaut, weh tut und dann extrem brennt. Stumpfschmerzen und Phantomschmerzen gehen bei mir "Hand in Hand" (haha Wortwitz). Wenn ich einen Kompressionsstrumpf anziehe oder den Arm sonst komprimiere, nützt das schon mal ganz gut und er wird wieder etwas wärmer. Mit einer elastischen Bandage das Ding kontrolliert (also nicht wie ein Schraubstock sondern vorsichtig) aufs richtige Level zusammenschnurpfen sollte für den Anfang mal ganz gut sein. Eigentlich ist das so das beste was es gibt, oder die Prothese anziehen (aber beim Schaft machen drauf achten dass das Ding auch ein klein bisschen eng ist und quetscht damit der Stumpf nicht zu sehr staut). Kissen, Heizkissen, warme Socken etc. sind alle Teufelszeug es brennt dann noch mehr. Was wirklich gut ist gegen die Stauung im Stumpf ist extreme aktive Bewegung. Also für mich immer mal wieder so 1-2 Stunden ins Hallenbad und derart die Sau rauslassen dass man körperlich ans Ende kommt. Dann ist auch der Stumpf nicht mehr so gestaut. Man hat dann auch andere Sorgen und Dinge im Kopf, z.B., woher schnell etwas zu Essen kriegen : )

    Ueberhaupt ist Ablenkung die halbe Miete. Also auf los raus weg oder Action. Nicht rumsitzen und warten bis man realisiert wie arg der Scheiss brennt.

    Schaust Du auch hier:
    http://www.myhandicap.ch/suche_im_myhandicap_forum0.html

    Suchen im Forum, Stichwort z.B. "Phantomschmerzen". Wir haben da auch früher schon drüber diskutiert.
  • Danke für die schnelle Antwort. 'Wenn ich mir vorstelle die Schmerzen gehen nie weg dann gute Nacht. Wie kann man denn damit sein Leben gestalten? Im Moment kann ich nicht raus und weg habe noch keine Prothese. Im Moment hoppel ich so durch die Wohnung habe davon schon Gelenkschmerzen bekommen, wegen der ungewohnten Belastung. Ansonten versuche ich mal das in den Griff zu bekommen!!!!
  • Es hilft unglaublich, wenn man nicht zu weit in die Zukunft denkt. Deine Schmerzen könnten in 1 Monat weg sein, viel weniger sein, oder auch viel mehr sein. Oder ziemlich gleich, und dann langsam weniger werden, oder, mehr, oder sie hören auf und werde in 3 Jahren dann wieder mehr. Ob es Dir dann was ausmacht, oder egal ist, weisst Du nicht. Sorgen machen wegen so was, das lohnt sich nicht, denn Du weisst nicht was da alles kommt. Der Körper arrangiert sich mit vielem, braucht aber etwas Zeit, und ich schaute mir erstmal eine Menge Muppetshows und sonst harmlosen blödsinnigen Krimskrams an um mich abzulenken am Anfang (blutrünstige Krimis führen immer noch dazu, dass ich starke Phantomschmerzen kriege), ging zur Akupunktur, viel am Abend mit Freunden weg, und schaute nach Ablenkung und minimaler Aktivität. Ausserdem dauert alles echte Ewigkeiten.

    Man braucht auch echtes Sitzfleisch, bis man die Prothese so weit hat dass es auch wirklich alles geht. Bis ich das so weit hatte, dass die Prothese mal erstmal dauerhaft brauchbar und belastbar war, das dauerte auch seine 3 Jahre mit zahllosen Terminen bei der Prothesentechnik. Jetzt ist das egal, denn jetzt ist das Vergangenheit. Aber jetzt wissen wir auch, wie das Ding auszusehen hat. Ausserdem gibt es auch da keine Garantien, also, niemand weiss wie einfach oder schwierig das dann für Dich (oder sonst jemanden) ist und wird. Ausserdem ändert sich auch das gerne mal. - Auf einmal hatte ich Probleme wegen chronischem Stauungsekzem am Stumpf und konnte die Prothese erst mal gar nicht mehr tragen. Bis wir da eine Lösung fanden ging es lang, sicher ein paar Monate. Es stellte sich damals heraus, dass die Ossur-Liner die falsche Form für meinen Stumpf hatten, indem sich dessen Form über Monate und Jahre etwas geändert hatte. -- Ein andermal kam es zu einer Nervenverletzung oder Problemen, da ein Teil der Prothese (Kabelzug, Schultergurt) auf den Armnerv drückte, was sehr unangenehm war. Auch hier dauerte die Lösungssuche lange, und es war zu Anfang nicht klar, dass das Problem überhaupt gelöst werden konnte. Nie lohnte es sich, zu weit in die Zukunft zu denken - denn das nächste Problem, das einen etwas aus der Bahn wirft, steht vielleicht unmittelbar bevor, dann aber vielleicht auch die Lösung dieses Problems. Auch Hautprobleme mit der Prothese, ein Thema ohne Ende. Man muss sich jedenfalls so einrichten, dass es auch mal ohne Prothese geht, auch mal Wochen oder Monate, soviel realisierte ich relativ bald.

    Den Stumpf wirklich gut einwickeln so dass Haut und Fett (und was da so dran ist) alles etwas zusammengedrückt wird, das hilft bei mir recht gut, was Phantomschmerzen angeht. Wichtig, das auch wirklich so zu tun, war es aber nur am Anfang. Nach ein paar Monaten ging mir der Phantomschmerz auf die Länge langsam, aber zunehmend, kalt am Hinterteil vorbei. Dann ging ich noch zu extra Schulung, wie man sich eben NICHT auf den Schmerz konzentriert, es gibt Leute die sich damit auskennen. Also, ich habe mir wirkliche Tricks angeeignet da vorbeizuleben an dem, was da dauernd weh tun will. Inzwischen tut es - so für sich allein - so weh wie eine kleine Fabrik, aber es stört nicht mehr besonders, meist gar nicht, gelegentlich mal mehr, aber je nach Tagesform ist es eh anders. Mein Hirn dreht Schmerzen inzwischen automatisch recht stark runter. Vor einigen Jahren hatte ich dann eine Gürtelrose, und ohne da bewusst was zu tun stellte ich mit Erstaunen fest, dass diese mich (ebenfalls) nicht am Einschlafen hinderte. Bis man da also aufgibt, kann man sehr viel probieren. Auch die ganze Palette an Schmerzmitteln kann man ja durchprobieren, wenn man will, da gibts Leute, die schwören auf ihre Tabletten.

    Ich fand zwar Neurontin gegen die Schmerzen zunächst mal noch ganz gut, aber ich brauchte keine 2 Wochen um herauszukriegen dass es die Ablenkung durch Neurontin und seine für mich erstaunlich angenehmen Nebenwirkungen waren, die meine Schmerzempfindung vorübergehend reduzierten, weniger das Medikament direkt. Und nach einer Woche war die Ablenkung Vergangenheit. Dann hörte ich damit auf. Man kann sich auch anders ablenken : ) billiger und vor allem auch besser.

    Was Belastung angeht, ist vorsichtiges, langsames, und nicht allzu strenges Training alles. Also lieber sehr viele Male eine leichte Belastung wiederholen als zu sehr krass steigern. Lieber täglich 30 Minuten ins Hallenbad als 1 x im Monat für 3 Stunden. Es ist alles relativ, aber wenn es ein Trend ist, der sich bewährt hat, dann der. Ja nicht übertreiben, sonst hauts einem gerade die Bandscheibe raus, oder sonst was. Also alles was man neu belastet erst mal 2-3 Monate so lassen, erst dann etwas hochdrehen. Bis ich (und mir fehlt "nur" ein Teil am Arm) so aus dem Bett aufstehen konnte, dass ich das Gleichgewicht nicht gleich verlor, brauchte ich 2-3 Jahre oder so, mit langsam gesteigertem Sport, besserer Balance, und so weiter. Oder sagen wir anders, ich liess mir Zeit mit dem Aufbau und Ueben und so.

    Zuerst dachte ich auch, man braucht die Prothese für dies und das. Inzwischen habe ich sehr viel Uebung damit, aber genauso viel Uebung ohne. Wir haben unsere extrem schweren Ikea-Schlafzimmerschränke dann selbst zu zweit aufgebaut, ich habe sicher gut die Hälfte dabei gemacht, dies ohne Prothese, mit vielen Packungen um die bis zu 45-55kg Gewicht. Wirklich harte Arbeit also. Das erste Mal brauchte ich fuer ein schweres Ding so 3 Wochen, mit Prothese und viel Schwierigkeiten - der 500kg-Schrankeinbau vor einigen Wochen, der dauerte nur 2 Tage, ohne Prothese an, und ohne Nachdenken. Ich habe mir zu Hause auch (allein) ein paar Westinghouse-Deckenluefter an die Decke gebaut, und das einhändig zu tun, ist nicht ohne. Augen zu und durch, manchmal denkt man was für eine blöde Idee - aber nachher, rückblickend, gibt es wenig cooleres als solches Zeugs.

    Wichtig ist nur, genug langsam, aber vor allem genügend bestimmt, stets den Aktionsradius und Aktionsumfang etwas raufzudrehen, oder wo nötig auch mal runter, sich etwas (weniges) mehr vorzunehmen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden ob das auch geht. Das Hirn sortiert das dann selber aus.

  • Hallo,

    Phantomschmerzen lindern/wegstecken lernen klingt gut, würde ich auch gern können.

    Ich wurde 1999 am Kopf operiert- es tut immer noch weh. So, dass ich manchmal nicht sprechen kann oder die Tränen kommen. Wenns blöd läuft, bis 80 Mal am Tag. Normal sind aber 20 Attacken.

    Auf mehr Tabletten bin ich aber nicht scharf (nehm schon dreimal täglich was wegen einer anderen Krankheit). Mir hilft aber auch Ablenkung, da kriege ich es zwar auch, aber weniger. Und kaltes Wetter ist auch besser als z.B. tiefster Sommer.

    @Ceeage,

    wie wäre es mit einer Schmerzambulanz, vieleicht können die weiterhelfen?

    lg Joy
  • Hallo, wir führen momentan die weltweit größte Therapiestudie zum Phantomschmerz nach Beinamputation durch. Darin werden drei unterschiedliche Behandlungen gegen die Phantomschmerzen erforscht. Alle Behandlungen kommen ohne Medikamente aus und können von Patienten selbstständig durchgeführt werden. Weitere Informationen auf: http://kaasahealth.com/de/phantomschmerz
    Vielleicht hilft das ja weiter...
    Wir freuen uns über Deine Teilnahme!
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