Wohnraummehrbedarf Rollstuhlfahrer, GdB 100%, u.a. Merkz: "G" und "aG", "B" und "H" - Rechtsgrundlag

Hallo Leute,

nach Abgrasen des Internets, allem voran die Links in MyHandicap (!) habe ich nichts finden können, was ich als Antragsteller dem Sozialamt (34 Euro Rente + Ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt) an Paragraphen und zwingenden Bestimmungen vortragen könnte, damit die sich nicht weiter um die Behebung meine Raumnot drücken können. Man redet sich mit einem veralteten MDK-Gutachten heraus und hat dadurch bereits zweimal viel Zeit gewonnen.

Was genau sollte man denen "reinschreiben" ?

Für die ganz emsigen: bitte keine Formulierungsvorschläge nach dem gesunden Menschenverstand, deutsch beherrsche ich selbst ganz leidlich. Ich brauche konkret rechtlich relevante Fundstellen und Rechtsgrundlage(n).

Vielleicht haben wir auch einen Experten im Forum, der mir sagen kann, was da wirklich Sache ist. Nach hiesiger Anwaltsmeinung besteht keinerlei Rechtsanspruch, die DIN-Norm zum Mehrbedarf Rollstuhlfahrer heranzuziehen ...

Danke um Voraus
sagt euch
ppiet



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  • Hey ppiet ,
    interessante Frage - nice one 😀

    Nicht mein Spezialgebiet, aber hier ein Versuch – Du kannst dann selber anhand der genannten Quellen nachvollziehen ob plausibel.

    Das Gesamtergebnis wäre: Du kommst da mit gesetzlichen Rechtsgrundlagen nicht weiter und mit der DIN auch nicht. Die Länder/Kommunen haben einen relativ großen Spielraum, wie sie die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft (KdU) festlegen; dies gilt auch bezüglich von Wohnraum für Menschen mit Behinderungen.

    Einmal durchbuchstabiert, stellt sich mir das wie folgt dar – und ja, viel davon ist allgemein und nicht speziell auf den Bedarf von Menschen mit Behinderungen bezogen, aber für den gilt keine grundlegend andere Regelungstechnik.

    1) Rechtsgrundlagen für die Kosten der Unterkunft ist nach dem, was Du geschrieben hast, in Deinem Fall § 35 SGB XII, http://dejure.org/gesetze/SGB_XII/35.html. Eine bundeseinheitliche Festsetzung der KdU gibt es nicht.

    2) Deswegen müssen die Kommunen als Leistungsträger festlegen, was angemessene KdU sind, was sie im Rahmen von Verwaltungsvoschriften o.ä. tun.

    3) Vorgaben für die Festlegung der Angemessenheit der KdU ergeben sich aus dem Urteil des BSG vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 18/09 R, http://lexetius.com/2009,4059. Das bezieht sich zwar auf die KdU nach SGB II, aber wird weithin auch als Vorgabe für die KdU nach § 35 SGB XII herangezogen.

    4) Viele Kommunen entwickeln deswegen ein „schlüssiges Konzept“ oder es gibt anderweitige Verwaltungsvorschriften, welche die KdU nach den Vorgaben des BSG festlegen. Ein Beispiel dafür (Leipzig): http://cdn.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.5_Dez5_Jugend_Soziales_Gesundheit_Schule/50_Sozialamt/KdU/Schluessiges_Konzept_2013.pdf und http://cdn.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.5_Dez5_Jugend_Soziales_Gesundheit_Schule/50_Sozialamt/KdU/KdU_M1_Angemessenheit_der__KdU_u_Heizung.pdf Das steht teilweise auch drin, welchen zusätzliche Wohnraum Leute mit bestimmten Merkzeichen beanspruchen dürfen.

    5) Für die angemessene Größe des Wohnraums, ein vom BSG „vorgeschriebener“ Faktor bei der Ermittlung, ist dabei gemäß der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Es handelt sich dabei um die Werte, die die Länder aufgrund von § 10 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) festgelegt haben (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R, http://lexetius.com/2006,3771, Rn. 19).

    6) Die in 5) genannten Werte sind in auch in Verwaltungsvorschriften, diesmal von den Ländern, festgelegt. Wenn ein Land keine VwV zu §10 WoFG hat dann sind gemäß BSG anderweitige Verwaltungsregelungen zur Bestimmung der angemessenen Wohnfläche heranzuziehen ( u. a. Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 109/11 R).

    7) Bei diesen abstrakten Werten über die Angemessenheit ist dabei gemäß BSG, Urteil vom 22. 8. 2012 - B 14 AS 13/12 R (http://lexetius.com/2012,6135) allerdings erhöhter Wohnraumbedarf zB auf Grund von Behinderung nicht zu berücksichtigen. Dieser ist vielmehr Teil der der konkret-individuellen Angemessenheitsprüfung (und dürfte damit eigentlich auch nicht einmal in den VV zu den KdU zu finden sein – ist er aber teilweise doch).

    Also: Keine gesetzlichen Grundlage, je nachdem, wo du wohnst, uU nicht mal eine VwW , die die Wohnraumgröße für Menschen mit verschiedenen Merkzeichen eindeutig festlegt. Du müsstest für die Kommune, wo Du wohnst, die entsprechenden VwV über die KdU sowie ggf. die VwV des Landes zu Wohnraumhöchstgrenzen finden.

    Eine fantastische Zusammenstellung ist die hier: http://www.harald-thome.de/oertliche-richtlinien.html - da solltest Du eigentlich alles finden, was auch nur entfernt relevant sein könnte.
    Das, was in den VwV für Leute mit den entsprechenden Merkzeichen drin steht, solltest Du kriegen – ansonsten kannst Du nur mit dem Einzelfall argumentieren und da hilft DIN nicht weiter.

    Wegen konkreter Formulierungsgeschichten bist Du vielleicht in einem Hartz-IV oder ähnlichem Forum besser aufgehoben.

    Viele Glück, sag‘ gerne Bescheid, ob Du weiterkommst, ananim

  • Boh - eij, ananim - das ging ja extrem schnell ...

    tausend Dank erstmal für deine Mühe. Jetzt hab ich ein paar weitere Ausgrabungsstellen und bin weiter heftig am Rödeln.

    Zum Lexetius: was muss ich da eingeben? ich komm immer nur auf ne Suchseite.
    Alles andere hab ich bereits durchforstet. Den Thomé kann ich bald auswendig, das ist ne gewaltige Fundgrube.

    Hier ist Bayern, und die Augsburger gelten als besonders zickig.
    Es scheint so, dass es keine Formulierung geben dürfte, die man mal einfach an den Antrag klebt, um die Spar-Tricks auszuhebeln.

    Die haben hier eine ausgebuffte Methode, den MDK einzubinden und zu unterschlagen, was der alles braucht. Bisher hat der nach Aktenlage aus 2013 messerscharf geschlussfolgert (Zukunfts-Glaskugel lässt grüßen), dass ich ja einen Rolli hätte. Und mit dem in der Wohnung alles machen könnte (damals war das auch so).
    Ärztliches Attest aus 2014 hat nicht interessiert. Zweimal nacheinander. Erst jetzt hat man sich bequemt (nach 7 Monaten) Hinweis zu geben, was drin stehen sollte. ( 7 Monate = Einsparung 7 x 300 Euro, ein guter Schnitt für die Stadtkasse) Warum man vor Ort bei mir nicht zum Augenschein kam, ist nirgendwo erklärt. nun denn, RA Zeeb (Tip von Tacheles; ein ähnlich gelagerter Kollege wie Thomé) wird seiner Freude per Klage Ausdruck geben.

    Auch er sieht es so, wie du oben beschrieben hast. Ich dachte halt, es gäbe einen weniger nervigen und diplomatischeren Weg, dem Amtsschimmel den Weg zu weisen.

    Tausend dank für den Augenblick.
    Ich werde gern wieder berichten für deine Sammlung und zur Erbauung des Forums.

    Ich setzt das hier mal noch nicht auf 100 %. Vielleicht hat noch wer ne gute Ausgrabungsstelle.

    lg
    ppiet




  • Hey,

    ppiet hat geschrieben:

    Zum Lexetius: was muss ich da eingeben? ich komm immer nur auf ne Suchseite.




    sorry, da habe ich nicht aufgepasst offensichlich. Hatte die so einkopiert wie die LInks waren, während ich die Urteile las. Falls Du es nicht sowieso schon rausgefunden hast: Wenn du so etwas wie "Urteil des BSG vom 22. 9. 2009 - B 4 AS 18/09 R" in eine Suchmaschine eingibst, solltest Du auf eine Seite von dejure.org mit Fundstellen kommen und Lexetius is dann eine davon.

    Viel Glück beim weiteren Graben (das hat wirklich was Detektivisches) und prozessieren, beste Grüße, ananim
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