Angst um volljährigen Bruder [Beziehung]
Hallo liebe User,
ich bin neu in diesem Forum und meine Frage stelle ich voller Sorge um meinen jüngeren Bruder (24) an euch.
Er hat eine geistige Behinderung von 70% und wohnt in einer WG mit anderen geistig behinderten jungen Menschen zusammen, in der unter regelmäßiger Anleitung das "normale Leben" gelernt werden soll. Meine Eltern wohnen nur wenige hundert Meter weiter, so dass er fast täglich zu Besuch kommt....zumindest bis vor ein paar Wochen.
Mein Bruder war schon immer sehr beliebt bei den Frauen (Arbeitskolleginnen aus der Behindertenwerkstatt, in der er arbeitet), er selbst sieht diese Beziehungen aber nicht als feste Beziehungen, sondern als eine Art enge Freundschaft, in der man auch mal Händchen hält oder sich küsst. Es ist nichts wirklich sexuelles dabei. Zwar verletzt es ihn, wenn mal wieder Schluss ist, aber spätestens drei Tage später ist er wieder aus dem Single-Dasein raus.
Nun hat seine letzte Freundin vor zwei Wochen mit ihm Schluss gemacht, meine Eltern und ich haben ihn getröstet, es war wie immer. Einen Tag später jedoch steht er vor der Tür, um uns zu sagen, dass er nicht mehr alleine ist. Wir waren geschockt. Seine Neue ist älter als meine Mutter, ebenfalls behindert und - ohne beleidigend klingen zu wollen - weitreichend bekannt, was wir damals jedoch noch nicht wussten. Nachdem wir den ersten Schock verdaut hatten und versucht haben möglichst neutral mit der Sache umzugehen (was sehr schwer war), hat uns jemand vor der Person gewarnt, es sind einige sehr unschöne Dinge über sie bekannt.
Ich habe nun große Angst um meinen Bruder, will ihn so gerne beschützen. Aber wie soll ich ihm klar machen, was es bedeutet, wenn eine Frau verheiratet war (mit allen Vorzügen), sehr "kontaktfreudig" ist und weiß, was man wann sagen muss? Ohne, ihn komplett zu verlieren? Er merkt, dass keiner so wirklich glücklich über diese Konstellation ist (die Betreuer beider Seiten haben ebenfalls schon versucht, den Kontakt der beiden zu reduzieren), und blockt total ab, wenn die Sprache auch nur ansatzweise auf das Thema kommt.
Auch mache ich mir Vorwürfe....bevor das alles raus kam, habe ich versucht ihm klar zu machen, warum die Leute so geschockt reagieren. Habe ihm gesagt, dass es nun mal ungewöhnlich ist, vor allem in einer Kleinstadt wie dieser, wenn er auf der Straße mit einer Frau küsst und Liebkosungen austauscht, die seine Mutter sein könnte. Aber gleichzeitig habe ich ihm auch gesagt, dass, wenn es Liebe ist, ich das akzeptieren würde. Er solle nur aufpassen, dass er nicht in der Öffentlichkeit zu sehr seine Zuneigung zeigt.
Dass war an dem Tag, als er sie uns vorgestellt hat.
Am Tag darauf erfuhren wir die Hintergründe.
Sie hat ihn "ausgewählt". Wir sind fast wahnsinnig geworden vor Sorge, wollten mit ihm nochmal reden. Er ging ans Handy....und wimmelte ab, was er sonst nie macht. Er sei bei ihr. Mein Vater und ich hatten den ersten Streit seit Jahren, ich wollte hin und ihn da raus holen, meine Eltern wollten nicht, dass ich da mit rein gezogen werde, sie wollten mich beschützen und ihn auch, ich wollte helfen. Denn für mich steht stand schon immer fest, dass ich mich mal um ihn kümmern werde, wenn meine Eltern es nicht mehr können. Das war meine Rolle seit ich ein Kind bin und gelernt habe, was behindert bedeutet. Panik, Wut, Sorge, alles kam hoch. Mein Vater fuhr los, um ihre Betreuer zu informieren. Und kam wieder heim, weil er die beiden auf der Straße gesehen hatte, wie sie sich verabschiedeten. Zuhause beruhigten meine Eltern und ich uns etwas. Dann kam mein Bruder zu Besuch spät abends. Es war schwer, nichts zu sagen, was ihn hätte blocken lassen. Wir kamen nochmal auf den Altersunterschied zu sprechen, aber ihm war das egal, "sie kann nichts dafür". Ohne die ganze Tragweite zu verstehen was wir ihm versucht haben verständlich zu machen, ging er wieder in seine Wohnung. Schlafen. Er war sauer, weil die Mitbewohner seiner "Freundin" (seine Ex übrigens, die in der selben WG wohnt), ihn raus geworfen hat. Gesegnet sei die Nachtruhe im Wohnheim! Damals haben wir veruscht, ihn auf die Schiene zu erreichen, dass sich seine Exfreundin nun mal Sorgen um ihn gemacht hat und das ein Zeichen ist, dass sie ihn noch mag. Haben auf seine Sprunghaftigkeit gesetzt (was natürlich falsch war, aber wir waren so verzweifelt!). Das hat ihn nicht interessiert. Da hatte ich kurz die Hoffnung, dass er nur mit der neuen zusammen ist, um sich zu rächen. Aber das ist leider nicht seine Art....
Am nächsten Tag wurde meine Mutter krank und musste zum Arzt. Nervenzusammenbruch. Sie hatte erfahren, dass die Frau sich am Vorabend mit meinem Bruder eingeschlossen und das Rollo herunter gelassen hatte, bevor sie gestört wurden. Ich wurde wütend, bin es noch. Mein Bruder hat keine praktische Ahnung von Sexualität, sie schon, gibt es zu. Ich male mir die schlimmsten Dinge aus, was geschehen könnte. Mein Bruder kann nicht nein sagen bei anderen, nur bei der Familie...
Eben waren sie wieder zusammen, trotz Verbotes der Betreuer, sich alleine zu treffen. Mein Bruder hat sogar gelogen, eine bockige Phase vorgetäuscht, um nicht auf die Feier zu gehen, von der er bereits seit Tagen redet. Zumindest kam es uns so vor. Hätten wir ihm nicht was vorbei bringen wollen, wäre das nie heraus gekommen. Das hat er früher nie gemacht. Gelogen, ja, aber noch nie so berechnend, vorausschauend. Mir wird klar, wie groß ihr Einfluss auf ihn ist, er entfremdet sich immer mehr und immer schneller.
Ich weiß, er ist volljährig, hat sein eigenes Leben. Aber dennoch hat er Betreuer, ist nicht rechtsfähig und komplett selbstständig ,wird es nie sein. Wie kann ich ihn beschützen ohne dass er es merkt? Ihm erklären, was wir wissen, wenn er so gutgläubig, naiv und gleichzeitig so stur ist, wie ein Kind? Wir haben große Angst um ihn, es frisst uns auf. Meine Muter muss nur den Namen hören der Person und man merkt, wie sie in Sorge verfällt. Mein Vater will es sich nicht anmerken lassen, aber auch er hat Angst.
~~~~~~~~~~
Bitte entschuldigt, wenn dies ein Roman geworden ist, aber ich weiß nicht weiter. Musste es einfach los werden. Und vielleicht, nur vielleicht, habt ihr einen Rat für mich?
Siana87
ich bin neu in diesem Forum und meine Frage stelle ich voller Sorge um meinen jüngeren Bruder (24) an euch.
Er hat eine geistige Behinderung von 70% und wohnt in einer WG mit anderen geistig behinderten jungen Menschen zusammen, in der unter regelmäßiger Anleitung das "normale Leben" gelernt werden soll. Meine Eltern wohnen nur wenige hundert Meter weiter, so dass er fast täglich zu Besuch kommt....zumindest bis vor ein paar Wochen.
Mein Bruder war schon immer sehr beliebt bei den Frauen (Arbeitskolleginnen aus der Behindertenwerkstatt, in der er arbeitet), er selbst sieht diese Beziehungen aber nicht als feste Beziehungen, sondern als eine Art enge Freundschaft, in der man auch mal Händchen hält oder sich küsst. Es ist nichts wirklich sexuelles dabei. Zwar verletzt es ihn, wenn mal wieder Schluss ist, aber spätestens drei Tage später ist er wieder aus dem Single-Dasein raus.
Nun hat seine letzte Freundin vor zwei Wochen mit ihm Schluss gemacht, meine Eltern und ich haben ihn getröstet, es war wie immer. Einen Tag später jedoch steht er vor der Tür, um uns zu sagen, dass er nicht mehr alleine ist. Wir waren geschockt. Seine Neue ist älter als meine Mutter, ebenfalls behindert und - ohne beleidigend klingen zu wollen - weitreichend bekannt, was wir damals jedoch noch nicht wussten. Nachdem wir den ersten Schock verdaut hatten und versucht haben möglichst neutral mit der Sache umzugehen (was sehr schwer war), hat uns jemand vor der Person gewarnt, es sind einige sehr unschöne Dinge über sie bekannt.
Ich habe nun große Angst um meinen Bruder, will ihn so gerne beschützen. Aber wie soll ich ihm klar machen, was es bedeutet, wenn eine Frau verheiratet war (mit allen Vorzügen), sehr "kontaktfreudig" ist und weiß, was man wann sagen muss? Ohne, ihn komplett zu verlieren? Er merkt, dass keiner so wirklich glücklich über diese Konstellation ist (die Betreuer beider Seiten haben ebenfalls schon versucht, den Kontakt der beiden zu reduzieren), und blockt total ab, wenn die Sprache auch nur ansatzweise auf das Thema kommt.
Auch mache ich mir Vorwürfe....bevor das alles raus kam, habe ich versucht ihm klar zu machen, warum die Leute so geschockt reagieren. Habe ihm gesagt, dass es nun mal ungewöhnlich ist, vor allem in einer Kleinstadt wie dieser, wenn er auf der Straße mit einer Frau küsst und Liebkosungen austauscht, die seine Mutter sein könnte. Aber gleichzeitig habe ich ihm auch gesagt, dass, wenn es Liebe ist, ich das akzeptieren würde. Er solle nur aufpassen, dass er nicht in der Öffentlichkeit zu sehr seine Zuneigung zeigt.
Dass war an dem Tag, als er sie uns vorgestellt hat.
Am Tag darauf erfuhren wir die Hintergründe.
Sie hat ihn "ausgewählt". Wir sind fast wahnsinnig geworden vor Sorge, wollten mit ihm nochmal reden. Er ging ans Handy....und wimmelte ab, was er sonst nie macht. Er sei bei ihr. Mein Vater und ich hatten den ersten Streit seit Jahren, ich wollte hin und ihn da raus holen, meine Eltern wollten nicht, dass ich da mit rein gezogen werde, sie wollten mich beschützen und ihn auch, ich wollte helfen. Denn für mich steht stand schon immer fest, dass ich mich mal um ihn kümmern werde, wenn meine Eltern es nicht mehr können. Das war meine Rolle seit ich ein Kind bin und gelernt habe, was behindert bedeutet. Panik, Wut, Sorge, alles kam hoch. Mein Vater fuhr los, um ihre Betreuer zu informieren. Und kam wieder heim, weil er die beiden auf der Straße gesehen hatte, wie sie sich verabschiedeten. Zuhause beruhigten meine Eltern und ich uns etwas. Dann kam mein Bruder zu Besuch spät abends. Es war schwer, nichts zu sagen, was ihn hätte blocken lassen. Wir kamen nochmal auf den Altersunterschied zu sprechen, aber ihm war das egal, "sie kann nichts dafür". Ohne die ganze Tragweite zu verstehen was wir ihm versucht haben verständlich zu machen, ging er wieder in seine Wohnung. Schlafen. Er war sauer, weil die Mitbewohner seiner "Freundin" (seine Ex übrigens, die in der selben WG wohnt), ihn raus geworfen hat. Gesegnet sei die Nachtruhe im Wohnheim! Damals haben wir veruscht, ihn auf die Schiene zu erreichen, dass sich seine Exfreundin nun mal Sorgen um ihn gemacht hat und das ein Zeichen ist, dass sie ihn noch mag. Haben auf seine Sprunghaftigkeit gesetzt (was natürlich falsch war, aber wir waren so verzweifelt!). Das hat ihn nicht interessiert. Da hatte ich kurz die Hoffnung, dass er nur mit der neuen zusammen ist, um sich zu rächen. Aber das ist leider nicht seine Art....
Am nächsten Tag wurde meine Mutter krank und musste zum Arzt. Nervenzusammenbruch. Sie hatte erfahren, dass die Frau sich am Vorabend mit meinem Bruder eingeschlossen und das Rollo herunter gelassen hatte, bevor sie gestört wurden. Ich wurde wütend, bin es noch. Mein Bruder hat keine praktische Ahnung von Sexualität, sie schon, gibt es zu. Ich male mir die schlimmsten Dinge aus, was geschehen könnte. Mein Bruder kann nicht nein sagen bei anderen, nur bei der Familie...
Eben waren sie wieder zusammen, trotz Verbotes der Betreuer, sich alleine zu treffen. Mein Bruder hat sogar gelogen, eine bockige Phase vorgetäuscht, um nicht auf die Feier zu gehen, von der er bereits seit Tagen redet. Zumindest kam es uns so vor. Hätten wir ihm nicht was vorbei bringen wollen, wäre das nie heraus gekommen. Das hat er früher nie gemacht. Gelogen, ja, aber noch nie so berechnend, vorausschauend. Mir wird klar, wie groß ihr Einfluss auf ihn ist, er entfremdet sich immer mehr und immer schneller.
Ich weiß, er ist volljährig, hat sein eigenes Leben. Aber dennoch hat er Betreuer, ist nicht rechtsfähig und komplett selbstständig ,wird es nie sein. Wie kann ich ihn beschützen ohne dass er es merkt? Ihm erklären, was wir wissen, wenn er so gutgläubig, naiv und gleichzeitig so stur ist, wie ein Kind? Wir haben große Angst um ihn, es frisst uns auf. Meine Muter muss nur den Namen hören der Person und man merkt, wie sie in Sorge verfällt. Mein Vater will es sich nicht anmerken lassen, aber auch er hat Angst.
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Bitte entschuldigt, wenn dies ein Roman geworden ist, aber ich weiß nicht weiter. Musste es einfach los werden. Und vielleicht, nur vielleicht, habt ihr einen Rat für mich?
Siana87
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Antworten
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Hi siana87,
so ganz spontan fällt mir dazu eigentlich nur ein, dass da ein junger Mann das Leben entdeckt und eine blaustrümpfige Schwester den moralischen Prügel schwingen möchte.
Er kann nicht schwanger werden, also, was willst du ihn schützen?
Er will seinen Spaß? Warum denn nicht? Er ist volljährig.
Wenn er Papa wird, was solls? Da zahlt vermutlich der Staat.
Er holt sich bald den nächsten Liebeskummer. Na und? Das kennen wir wohl alle.
Wenn du nicht als Betreuerin im Sinne des Gesetzes eingesetzt bist, was stört dich denn?
Wenn Familienmitglieder "nen Film drehen", soll das ein Grund sein, dass dein Bruder nicht seinen höchstpersönlichen Weg geht?
Sorry, ich begreif´ nicht, was dich geritten hat, solch einen Riesenroman hier einzubringen um den armen Kerl am Leben zu hindern, so wie er es will.
ppiet
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Hallo Siana,
erstmal: Entspann dich! 😎
Das Problem, wenn ich es richtig verstanden habe, ist:
Dein Bruder turtelt mit einer Frau, die euch (Familie) nicht passt- warum auch immer.
Großer Altersunterschied, Hautfarbe, Ausländer(in), behindert oder nicht, arbeitslos...
...es gibt viele Gründe, weshalb Familienangehörige mit der Partnerwahl eines Familienmitglieds nicht einverstanden sind.
Das passiert alle Naselang; jetzt ist das nun auch bei euch so- also: so what?
Es sind SEINE Erfahrungen, die er sammelt- und, falls er auf die Nase fällt, ist es SEINE Nase.
Du wirst ihn nicht vor Liebeskummer schützen können- der gehört zum ganz normalen Leben- und das ist sein gutes Recht, zu leben und Erfahrungen zu sammeln.
Das mit der Schwangerschaft sehe ich nicht ganz so locker wie ppiet (wahrscheinlich, weil ich eine Frau bin 😉 ), aber auch hier sind in erster Linie die Betreuer gefragt- und letztendlich hat ppiet auch da recht: Vater Staat kümmert sich im Falle eines Falles.
(Ob es natürlich wünschenswert ist, dass ein Kind entsteht, für das die Eltern nicht sorgen können, ist eine andere Sache, aber es gibt so viele Kinder, die unter sehr schlechten Bedingungen aufwachsen, deren Eltern nicht geistig behindert sind...
...hier würde gleich von Anfang an Hilfe zur Seite stehen.)
Auf jeden Fall: Es ist nicht DEINE Sache!
Überlass es den Betreuern.
Es ist löblich, dass du dich "lebenslang" um deinen Bruder kümmern willst, aber das klingt schrecklich nach "lebenslänglich".
Und DAS wiederum klingt nach Strafe und das sollte es niemals sein!
Weder für dich noch für ihn.
Leb du dein Leben und lass ihn seins leben.
Mach du deine Erfahrungen (und Fehler) und lass ihn seine machen.
Sei deinem Bruder eine Schwester und nicht deinem geistig behinderten Bruder eine überbehütende, einschränkende Schwester.
Und nochmal zum Schluss: Entspann dich! 😀
0 -
😎 Bin mir nicht im Klaren , worum es Dir eigendlich geht ??
Möchtest Du die Beziehung deines Bruders mit dieser älteren Frau nur verhindern weil sie älter ist ??
Wieso hast Du Angst um deinen Bruder ?? Er Liebt und wenn es vorbei ist leidet er , genau wie jeder andere Mensch auch !!
Warum darf ein behinderter Mensch nicht lieben ??
Warum darf ein gesunder Mensch mit jemanndem zusammen sein der 30 jahre älter ist aber
ein behinderter Mensch das nicht ??
Du schreibst das du mit deinem Bruder aufgewachsen bist und später mal lebenslang um ihn kümmern willst ,
ich bedaure deinen Bruder , Du kümmerst dich nicht um ihn , Du bevormundest Ihn !!
Laß ihn doch sein Leben leben , wie er es möchte und auch wenn diese ältere Frau ihn ausgesucht hat ,
warum auch immer , er fühlt doch anscheinend auch etwas für sie .
Bedrängt ihn nicht , JEDER HAT EIN ANRECHT DARAUF ; SEIN IHM VON GOTT GEGEBENES LEBEN SO ZU LEBEN ; WIE ER ES MÖCHTE !! 😎
0 -
Hallo Siana!
Ich komme mal mit einem ganz anderen Gedanken zu deiner Äußerung, dass du dich lebenslang kümmern willst, aber keine Betreuungsfunktion hast, wenn ich es richtig verstehe.
Für das "kümmern", ohne Betreuer zu sein, müssen deine Eltern dich / euch absichern, falls es mal größere Summen in Form von Immobilien o.ä. zu erben gibt. Gibt es ein sog. Behindertentestament oder wird darüber nachgedacht? Dass er als (Vor)Erbe eingesetzt wird, du aber Testamentsvollstrecker bist, damit der Staat nicht zugreifen kann?
Ich habe so ein Testament im Sinne meiner Tochter schon länger im Schließfach liegen, bin kein Profi, könnte dir aber Tipps geben. Wobei jeder Fall individuelle Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht dringend benötigt, man kann viel falsch machen, eine gut gemeinte, aber falsche Formulierung kann alles schlimmer machen.
Gruß, Katrin
0 -
Guten Morgen,
auf jeden Fall schon mal vielen Dank für die Antworten, die haben mich sehr zum Nachdenken angeregt.
Natürlich will ich meinen Bruder nicht bemuttern, bin auch der Meinung, dass jeder das Recht auf sein eigenes Leben hat, behindert oder nicht. Auch der Altersunterschied stört mich nicht, wo die Liebe hin fällt. Stehe auf seiner Seite. Ist in meinem doch sehr emotional geprägten Roman vermutlich falsch rüber gekommen...
Was mir Sorgen macht - und ich denke da kann sich keine Schwester oder Mutter oder was auch immer von lossagen - ist, dass er sich komplett verändert hat. Die Frau ihn beeinflusst und wenn sogar die Betreuer, die im Wohnheim nach dem Rechten sehen uns warnen, eben weil die Frau hinreichend bekannt ist (auf alle Einzelheiten will ich nicht eingehen, weil ich nicht viel davon halte, andere schlecht zu machen), hilft das nicht, dass die Sorge abnimmt.
Es ist schwer, den Spagat zu finden zwischen beschützen und bei allem helfen was das Leben so mit sich bringt (er kann weder lesen, noch schreiben oder sogar alleine einkaufen, er ist in diesen Dingen auf Stand eines 9 Jährigen, emotional auf denen eines 13jährigen eingestuft) auf der einen Seite und ihm sein Leben leben zu lassen, mit allen Höhen und Tiefen auf der anderen Seite. Vor allem, wenn er von sich aus immer wieder ankommt und Hilfe will und gleichzeitig sagt, er möchte keine Hilfe. Sprunghafter junger Mann 😉
Die Sache mit dem Lebenslang....du hast Recht. Ich habe es immer als meine Rolle gesehen, wurde da rein geboren. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, das komplett außen vor zu lassen....wenn es soweit ist und meine Eltern die Betreuung aufgeben, vielleicht wäre es dann wirklich besser, wenn es jemand neutrales übernimmt. Auch wenn es schwer fällt. Ich sehe, wie immer weiter kaputt es meine Eltern macht, vor allem wenn es dann wieder diese kummervollen Phasen sind.
Danke euch für die Antworten, auch, wenn es einige Missverständnisse gegeben zu haben scheint.
0 -
Hallo Siana,
Du schreibst über Deine Aufgabe, über Deine Rolle - und darüber wie es Deinen Eltern geht, über Die Sorge wegen Deinem Bruder...
Wie geht es Dir?
Viele Grüße
Daniya
0 -
Hallo Daniya,
ich mache mir auch große Sorgen und vermutlich viel zu viele Gedanken. Die ganze Sache hat viele Fragen aufgeworfen, die früher nie aufgekommen sind. Ob es das richtige ist, dass mann ihm bei allem hilft wenn er drum bittet. Ob man ihn nicht einfach mal auflaufen lassen sollte, wenn er mal wieder bockt. Damit er Konsequenzen lernt. So richtig lernt, nicht nur etwas könnte passieren.
Wenn ich meine Eltern drauf anspreche, kommt immer: "Das ist halt seine Behinderung". Dann denke ich: er ist nur ein verzogener Junge ohne Sinn für Konsequenzen.
Aber kann man das so einfach sagen? Er ist nicht umsonst nicht rechtskräftig. Wenn die Betreuer im Wohnheim Urlaub haben, ist der Kühlschrank leer, Wäsche dreckig ohne Ende, auf der Arbeit wird nicht erschienen tagelang, keiner weiß wo er ist. Solche Sachen. Dann springt man irgendwie automatisch ein.
Wie ich mich fühle? Beschissen. Mir laufen die Tränen während ich das hier lese und schreibe, weiß nicht mehr weiter. Will, dass es meinem Bruder gut geht, er sein eigenes Leben lebt. Spreche meine Eltern oft drauf an. Inzwischen versuchen sie konsequenter zu sein, hält aber nur kurz. Dann wird wieder eingelenkt. Aber wenn man ihn machen lässt, zeigt die Erfahrung, dass es schlecht ausgeht. Er lernt nicht aus Fehlern. Oder er hat keine Chance daraus zu lernen...
Das Problem ist, dass ich wirklich mein Leben lang davon ausgegangen bin, mich später mal um ihn zu kümmern. In der Schule sollten wir berichten, wie wir uns unser Leben vorstellen. Meine Vorstellung war immer sie selbe: Eigener Hof wo wir alle zusammen leben. Enten für die Mutter, der Teich oder See für meinen Vater, der Rasenmähertrecker für meinen Bruder (er liebt es fahren zu dürfen!).
Aber jetzt? Ich erkenne, dass es genau das falsche wäre.
Und dass ich wohl dringend einen psychologischen Berater brauche xD
Jaja, der Fluch der Geschwister...
0 -
"ja, ja, der Fluch der Geschwister..."
Findest du dich darin irgendwie wieder?:
http://www.geschwister-behinderter-kinder.de/texte/schattenkinder.pdf
Gruß, Katrin
0 -
Siana87 hat geschrieben:
Das Problem ist, dass ich wirklich mein Leben lang davon ausgegangen bin, mich später mal um ihn zu kümmern. In der Schule sollten wir berichten, wie wir uns unser Leben vorstellen. Meine Vorstellung war immer sie selbe: Eigener Hof wo wir alle zusammen leben. Enten für die Mutter, der Teich oder See für meinen Vater, der Rasenmähertrecker für meinen Bruder (er liebt es fahren zu dürfen!).
Aber jetzt? Ich erkenne, dass es genau das falsche wäre.
Und dass ich wohl dringend einen psychologischen Berater brauche xD
Jaja, der Fluch der Geschwister...
Die Enten für die Mutter, den Teich für den Vater...
...und die Arbeit, die Organisation, sprich die Funktion für Dich, oder?
Beratung halte ich für eine gute Idee.
- eine Person, die Dir zur Seite steht, wenn Du Schritt für Schritt loslassen darfst - das ist sehr schwer.
- und ein Mensch der Dir hilft, Dich selbst zu finden, Deine Bedürfnisse, Deine Wünsche (das kann auch dieselbe Person sein).
Hilfreich sind auch Menschen, die so einen Weg selbst gehen müssen, oder schon gegangen sind (vielleicht gibt es Selbsthilfegruppen in Deiner Nähe)
Schreibe ruhig weiter, wie es Dir so ergeht. Es würde mich sehr interessieren.
Viele Grüße
Daniya
0 -
Hallo Siana,
ich kann Dich gut verstehen.
Aber Dein Bruder darf auch seine Erfahrungen sammeln.
Mein Bruder ist Autist (53) und und als seine kleine Schwester war ich jahrelang sein Babysitter. Nun hat er einen Betreuer weil meine Eltern alt und krank sind. Das hätte schon vor 30 jahren geschehen müssen.
Meine Gesundheit hat unter meiner Familie sehr gelitten(Depression).
Du must loslassen damit du Gesund bleist, es ist schwer aber auch du hast ein recht auf dein Leben. Auch Deine Eltern werden einsehen müssen das er sein leben haben darf.
Der Betreuer deines Bruders muß sich halt durchsetzen. Sei seine große Schwester die ihn tröstet wenn er kommt.
Wünsche Dir Kraft stark zu sein. Lebe Dein Leben. Im Notfall lasse dir von einer Psychologin helfen, das tut sehr gut.
Gruß
Gastone
0 -
Siana87 hat geschrieben:
Dann denke ich: er ist nur ein verzogener Junge ohne Sinn für Konsequenzen.
Aber kann man das so einfach sagen? Er ist nicht umsonst nicht rechtskräftig. Wenn die Betreuer im Wohnheim Urlaub haben, ist der Kühlschrank leer, Wäsche dreckig ohne Ende, auf der Arbeit wird nicht erschienen tagelang, keiner weiß wo er ist. Solche Sachen. Dann springt man irgendwie automatisch ein.
Hallo Siana87,
natürlich darf man das so sagen, solange man im Auge hat, das seine Behinderung sich halt so auswirkt. Das man als Schwester eines so behinderten Bruders in solchen Fällen "anspringt" ist völlig normal. Dann sollte sich der Einsatz darauf richten, das sein rechtlicher Betreuer und die Wohnstätte ihrer Pflicht nachkommen, und für Vertretung des Wohnstättenbetreuers in der Urlaubszeit sorgen.
Das so behinderte durch "ausnutzende Liebschaften" Probleme bekommen können ist normal. WEnn die Liebschaft selbst auch behindert ist, könnte sie einen rechtl. Betreuer haben. Dem würde ich so "auf die Füße treten", das er mit dafür sorgt, das sie meinem Bruder... außer liebschaftlichem.. "keinen Kummer"... überreden zum Kauf auf Rechnung... und solche Nettigkeiten.. macht.
😀 Helmut
0 -
...aber bedenke immer:
Es ist nicht Deine Aufgabe, sondern die Deiner Eltern und die der Betreuer.
Auch Du hast ein Recht auf Freiheit und Glück.
0 -
Also, ich finde diesen Austausch jetzt mal ganz prima.
Und den Link über die "Schattenkinder" von Katrin finde ich auch klasse, ebenso wie den Hinweis von Daniya auf Selbsthilfegruppen.
Das würde ich dir nämlich auch gern ans Herz legen:
Du bist nicht allein mit diesem merkwürdigen "Zwischenleben" aus Fürsorge, Wut und Verantwortungsgefühl.
Es gibt eine ganze Reihe von Geschwistern behinderter Kinder, die ihren ganz eigenen Weg finden müssen zwischen Liebe und Distanz, die lernen müssen, sich abzugrenzen ohne gleich den Kontakt abzubrechen.
Das ist nicht einfach, aber es kann funktionieren.
Such dir Rat und Hilfe, Selbsthilfegruppe oder Therapie- das wird schon werden! 😎
Ich hab auch noch einen Link für dich- es ist zwar an die Eltern gerichtet, aber du kannst auch da sehen, dass es anderen ähnlich ergeht wie dir.
http://www.intakt.info/informationen-und-recht/weitere-fragen/geschwister-behinderter-kinder/#a04
Und ich fände es auch prima, wenn du berichten könntest, wie es weiter geht.
0 -
schau mal wegen mentalprozesstherapie!
0 -
Hallo und danke für die neu hinzu gekommenen Antworten!
Ich habe mich in den letzten Tagen mit meinen Eltern zusammen gesetzt und mit ihnen ganz offen gesprochen.
Dass ich es schön finde, dass sie mich beschützen wollen, aber auch, wie es mir dabei geht. Vorher habe ich mich, von dem Link mit den "Schattenkindern" ausgehend, stundenlang belesen. Hätte nicht gedacht, dass es so viele Texte und sogar Hilfsgruppen zu dem Thema gibt. Oft wird ja nur auf das behinderten Kind eingegangen, nicht die Geschwister. Finde es schön, dass in den vergangenen Jahren auch die Forschung in die andere Richtung geht 😀
Ich würde mich zwar nicht als "Schattenkind" bezeichnen, aber ich erkenne die Problematik, was damit alles zusammenhängt.
Bei dem Gespräch mit meinen Eltern sind einige Entscheidungen getroffen worden.
- Meine Eltern belastet die Situation inzwischen sehr, sie sind ja auch nicht mehr die jüngsten und gesundheitlich angeschlagen. Sie geben zu, dass es sie inzwischen auch psychisch sehr stark belastet. Von Schlafstörungen über Appetitmangel bis hin zu Abgeschlagenheit, alles ist dabei. Sie sind am Überlegen, ob sie die Verantwortung als gesetzliche Betreuer nicht abgeben oder verringern, wenn es nicht besser wird.
- Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich die Finanzverwaltung gerne übernehme - schließlich habe ich das in meiner Ausbildung gelernt - aber ich mich für alles andere (noch) nicht in der Lage fühle. Vielleicht nach einer Einarbeitungszeit, dass der Übergang langsam geschieht. Immerhin bin ich noch an der Uni am anderen Ende von Deutschland und als Betreuer muss man auch relativ in der Nähe sein. Habe aber gleich gesagt, dass ich, wenn ich mich dazu entscheiden sollte, einiges ändern werde. Vorteil ist immerhin: Mein Bruder hat vor mir weitaus mehr Respekt und Achtung als vor meinen Eltern (Blitzableiter vom Dienst), den Stress hätte ich dann nicht 😎
- Meine Uni hat einen eigenen Psychologen, der auch in solchen Belangen berät, ansonsten wäre ein kostenfreies Beratungszentrum keine 10 Minuten entfernt. Habe dort schon mal angefragt und werde das Angebot auf jeden Fall nutzen. Es wird mir mit Sicherheit gut tun.
Ich bin froh, dass ich diesen Thread eröffnet habe und auch für die vielen vielen Antworten und Anregungen sehr dankbar. Hat einiges Nachdenken und Reflektieren hervor gerufen, mit wichtigen Erkenntnissen. Da meine Frage nun geklärt ist, werde ich den Thread als abgeschlossen markieren.
VIELEN DANK AN ALLE FÜR DIE KLASSE HILFE!!
Siana87
0 -
Hallo Siana87,
wünsche Deiner Familie die Kraft den Weg zu finden der für "Euch" und "Dich" der richtige ist.
Deine Eltern und Du werden Hilfe brauchen, aber Ihr habt auch ein Recht auf "Euer" eigenes Leben. Holt euch diese, damit Ihr wieder zusammen lachen könnt.
Es wird ein "Harter Weg" sein aber am Ende wird es nur Sieger geben. Es ist keine Schande Verantwortung abzugeben "Ihr" bleibt immer eine Familie!
Meine Mutter(alt 78 jahre und Dement) sagte zu ihren geliebten Sohn (Autist 53 Jahre) der ausziehen muß/darf "wegen diesem Krüppel verkaufe ich mein Haus nicht!" 😢 😡
Das tat sehr weh, allen Familienmitgliedern.
Gruß
Gastone
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