Stereotyp Behinderung

Hallo,

ich weiß grad ehrlich nicht, wo ich mit dem Thema hin soll. Hier oder Recht und Soziales oder Plauderecke.

Da es für mich gerade um die Auswahl einer für mich passenden Kampfsportart geht, poste ich es mal hier hin.

Ich wollte mich im Internet über eine geeignete Kampfsportart für Menschen mit einer Gehbehinderung informieren. Egal was ich auch immer eingebe als Ergebnis kommt immer "Kampfsport/Selbstverteidigung im Rollstuhl". Ich sitze aber nicht im Rollstuhl und fühl mich von solchen Angeboten nicht besonders angesprochen.

Auch passiert es mir immer wieder, dass wenn meine Behinderung bei Leuten zur Sprache kommt, die mich noch nicht kennen und mich noch nicht gesehen haben (Chats), sehr viele davon ausgehen, ich säße im Rollstuhl.

Warum wird "eine Gehbehinderung haben" immer mit "im Rollstuhl sitzen" gleichgesetzt?

Auch beim Thema Inklusion habe ich das Gefühl, dass die Menschen ohne Behinderung nur maximal 3 verschiedene Behinderungen zu kennen scheinen: Die Mehrfach-Schwerbehinderten, die Rollstuhlfahrer und maximal noch die Menschen mit Trisomie-21.

Ich hab das Gefühl, dass alle anderen übersehen werden!

Gerade wir hier im Büro haben mindestens 4 Angestellte, die alle eine unterschiedliche Behinderung haben (aber keine hat eine Behinderung, die in die drei zuvor genannten Kategorien passen). Und eine von meinen Kolleginnen mit Behinderung regt sich über die Unmöglichkeit der Inklusion von Menschen mit Behinderung besonders auf. (Kosten, Sinn und Zweck und Machbarkeit) - Geht dabei aber gefühlt auch immer nur von Rollstuhlfahrern oder Mehrfachschwerbehinderten aus ("man kann ja nicht alles barrierefrei machen", "diese Menschen brauchen doch eine Extra-Förderung erhalten" etc. etc) Ihr kennt solche Diskussionen sicherlich.

Dabei hat sie selbst einen Schwerbehindertenausweis und kommt noch nicht mal auf die Idee, dass die Ausgrenzung, die die Gesellschaft betreibt, auch Menschen betreffen könnte, die eine ähnliche Behinderung haben wie sie.

Also irgendwie ist diesed stereotype Denken über Behinderung ziemlich frustrierend und kontraproduktiv.

LG Xandria

Antworten

  • Hallo Xandria!
    Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Ich sitze auch nicht im Rolli, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass genau das häufig, und in den Augen vieler Menschen, die Voraussetzung ist um als Mensch mit Behinderungen anerkannt zu werden.
    Konkret möchte ich zu Deinem Wunsch einen Kampfsport zu betreiben etwas sagen:
    Ich unterrichte seit mehr als 13 Jahren behinderte Menschen in Selbstverteidigung. Da sind Leute mit Behinderungen jeder Art dabei ( http://www.behinderung-selbstverteidigung.de/ ).
    Auch in unserem Netzwerk „Barrierefreies Budo“ ( http://budonetzwerker.npage.de/ueber-uns.html ) gibt es jede Art von Behinderung.
    Unter dem Suchwort „Training für Behinderte“ findest Du bei „Dojoguide“ Vereine in Deiner Nähe die etwas für Menschen mit Behinderungen anbieten ( http://www.dojoguide.org/ )
    Jetzt ist Dir bei Deinem Unmut über die beschriebenen Umstände zwar nicht geholfen, dafür kannst Du vielleicht eine geeignete Kampfkunst finden!
    😃
    Gruß

    Holger

  • Hallo Holger,

    deine Webseite hatte ich bei meinen Recherchen auch gefunden. Bremerhaven ist jetzt aber ein bisschen weit weg. 😆

    Konkret interessiere ich mich für eine Schule hier im Ort: http://www.kampfsportschulebaron.de/

    Das vielfältige Kursangebot find ich toll. Da ist für mich bestimmt etwas dabei.

    In einem akutem Anfall von Schüchternheit hab ich mich noch nicht getraut da vorbei zu schauen und wollte über ein entsprechendes Forum mal erst mehr Informationen haben: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f50/fragen-kampfsportschule-baron-wuppertal-164683/

    Aber vllt. ist es wirklich am einfachsten dort mal vorbeizuschauen.

    Was meinen Unmut angeht, der ist eigentlich schon wieder vorbei. Es ist halt so wie es ist. Die Gesellschaft hat nunmal diese Stereotypen im Kopf. Find ich nur schaden, weil da durch bereits vorhandene Möglichkeiten der Inklusion verloren gehen.

    Ansonsten gehts mir hier ja auch tatsächlich darum, ein neues Hobby für mich zu finden im Bereich Kampfsport.

    LG Xandria
  • Hallo!
    Ich kenne die Sportsachule natürlich nicht. Finde aber gut, dass Du im KKB nachgefragt hast. Im Bereich "Barrierefreies Budo" ( http://www.kampfkunst-board.info/forum/f97/ ) wärst Duz vielleicht richtiger gewesen. Egal............. Der Tenor aller Antworten war ja "hingehen und reden bzw. probieren" Da kann man nicht viel hinzufügen. Vorher Erwartungen abklären verhindert in der Regel Enttäuschungen und beseitigt "Berührungsängste". Von daher empfehle ich auch: Geh' hin, frage nach, probiere aus. Bei einem Probetraining vergibst Du Dir nichts. Wenn es nicht paßt gehst Du halt nicht mehr hin. Du kannst nur gewinnen 😃
    Und nun viel Erfolg....

    Holger
  • Xandria73 hat geschrieben:

    Ich wollte mich im Internet über eine geeignete Kampfsportart für Menschen mit einer Gehbehinderung informieren. Egal was ich auch immer eingebe als Ergebnis kommt immer "Kampfsport/Selbstverteidigung im Rollstuhl". Ich sitze aber nicht im Rollstuhl und fühl mich von solchen Angeboten nicht besonders angesprochen.

    Auch passiert es mir immer wieder, dass wenn meine Behinderung bei Leuten zur Sprache kommt, die mich noch nicht kennen und mich noch nicht gesehen haben (Chats), sehr viele davon ausgehen, ich säße im Rollstuhl.

    Warum wird "eine Gehbehinderung haben" immer mit "im Rollstuhl sitzen" gleichgesetzt?

    Auch beim Thema Inklusion habe ich das Gefühl, dass die Menschen ohne Behinderung nur maximal 3 verschiedene Behinderungen zu kennen scheinen: Die Mehrfach-Schwerbehinderten, die Rollstuhlfahrer und maximal noch die Menschen mit Trisomie-21.

    Ich hab das Gefühl, dass alle anderen übersehen werden!

    Gerade wir hier im Büro haben mindestens 4 Angestellte, die alle eine unterschiedliche Behinderung haben (aber keine hat eine Behinderung, die in die drei zuvor genannten Kategorien passen). Und eine von meinen Kolleginnen mit Behinderung regt sich über die Unmöglichkeit der Inklusion von Menschen mit Behinderung besonders auf. (Kosten, Sinn und Zweck und Machbarkeit) - Geht dabei aber gefühlt auch immer nur von Rollstuhlfahrern oder Mehrfachschwerbehinderten aus ("man kann ja nicht alles barrierefrei machen", "diese Menschen brauchen doch eine Extra-Förderung erhalten" etc. etc) Ihr kennt solche Diskussionen sicherlich.

    Dabei hat sie selbst einen Schwerbehindertenausweis und kommt noch nicht mal auf die Idee, dass die Ausgrenzung, die die Gesellschaft betreibt, auch Menschen betreffen könnte, die eine ähnliche Behinderung haben wie sie.

    Also irgendwie ist diesed stereotype Denken über Behinderung ziemlich frustrierend und kontraproduktiv.



    Behinderung wird allgemein v.a. auch deswegen mit Rollstuhl gleichgesetzt, weil Rollstuhlfahrer teilweise unglaublich gut aufgestellt sind, was Lobbying angeht, und sehr gut vertreten werden. Das ist bei anderen Behinderungen weniger der Fall. Das macht uns aber nicht sportabwesend ; )

    Zweitens sind wir anders behinderten nicht so eine greifbare Masse, und nicht so aehnlich in den Beduerfnissen wie das bei Rollstuhlfahrern sagen wir mal noch etwas eher der Fall ist. Bereits bei Armamputation ist es voellig anders, je nach dem mit wem Du redest, da ist kaum eine Loesung gleich. So dass Stereotypien hier eh nicht greifen wuerden.

    Und weil dann Leute mit sehr unterschiedlichen Handicaps sehr selten fortgeschrittenen Kampfsport machen, steht nirgends was systematische darueber, auch im Internet. Das bedeutet ja nicht, dass man nicht gemeint ist bei Training Fuer Alle.

    Vom Schwimmen weiss ich, dass es gerade und besonders die erfahrenen und zugewandten Trainer nicht-behinderter Schwimmer sind, die immer wieder auch das besonders scharfe und gute Auge auch fuer Handicap und daraus resultierende Fragen sind. So ist das Suchen eines wirklich netten und erfahrenen Trainers fuer Kampfsport bei Dir sicher das wichtigste. Dort, wirst Du hoffentlich dann sehen, geht es nicht um Stereotypien sondern darum, was Du oder andere konkret tun koennen und wie das dann gehen soll.

    Und dann hilft es den Trainern auch, wenn sie sehen, dass Du ev. moeglichst zutraulich und unbekuemmert anfaengst, es einfach mal drauf ankommen laesst. Vieles gute im Leben muss man zu Anfang mal einfach anfangen, und ueber diese Anfangsschwierigkeiten hinauskommen. Ich hatte auch zwei mal Tanzkurse mit dem kaputten Arm belegt, und dann war es irgendwann zu viel. Erst der dritte Anlauf ging dann besser, das habe ich bis zuletzt durchgehalten.
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