Vorgehensweise bei Verdacht auf Lernbehinderung / Wahrnehmungsstörung

Es geht um einen 40-jährigen Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund.
Keine abgeschlossene Ausbildung. Leichte Sprachbarriere. Viele wechselnde "Jobs"; bei allen Arbeitgebern nach spätestens einem halben Jahr entlassen.
Hier eingestellt im Juli 2013.
Situation / Festgestellt Auffälligkeiten:
Mangelnde Fähigkeit einfache Instruktionen zu befolgen.
Mangelnde Fähigkeit strukturierten Arbeitsabläufen zu folgen.
Hält sich für einen guten Autofahrer - verursacht schuldhaft 3 Unfälle in zwei Monaten (u.a. versehentlich Rückwärtsgang eingelegt und parkendes KFZ schwer beschädigt Fahrbahnbegrenzungen übersehen, mangelnde Aufmerksamkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber etc.)
Bei Erklärungsversuchen sehr Detailversessen aber immer am Thema vorbei. Kann Aufgaben lösen, wenn er nach Fehlversuchen "gezwungen" wird erhaltene Anweisungen Wort-für-Wort oder bildhaft "gezeichnet" zu wiederholen und Schrittweise abzuarbeiten (sequentiell).

Bisher wurde keine Forme einer Behinderung diagnostiziert.
Wie kann hier vorgegangen werden, damit eine weiterführende Anamnese gemacht werden kann ?

Antworten

  • Wenn du der Arbeitgeber selber bist von dem Mann und weisst wo man die Behindertenausweisse beantragen und alles was damit verbunden ist. Denke ich auch wenn es hart ist, ihn knallhart damit Konfrontieren und vor die entscheidung stellen entweder all die Abklärungen über sich ergehen zu lassen oder die Kündigung.
    Weil die meisten Behinderten merken es schon das sie irgendwie anderst sind auch wenn sie noch keinen Behindertenausweis haben.
    Sonst versuch dich mit ihm anzufreunden bis du so weit bist du der meinung bis das er einwilligt wenn du ihn darauf ansprichts das bei einem Arzt abklären zu lassen von wo sein anderst sein kommt und zu schauen ob er ein anrecht hat auf einen Behindertenausweiss hat.
    Lg Blitzelchen
  • Vielen Dank für die schnelle Antwort.

    Mein Problem - als Arbeitgeber - ist, dass es bisher keinerlei Einstufung oder Diagnose für eine Lernbehinderung gibt. Ich möchte daher wissen, wie die korrekte Vorgehensweise zur Feststellung einer möglichen Lernbehinderung ist.
    Bei welcher Institution jemand zu "testen" ist oder wer diese Einstufung aufgrund was für einer Begutachtung bei welcher Einrichtung vornimmt.

    Vielen Dank schon im Voraus für weitere Tipps!

  • Hallo Alatah,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html

    Ich finde es sehr positiv, dass Du als Arbeitgeber dir solche umfassenden Gedanken machst und den Arbeitnehmer nicht einfach wieder vor die Tür setzt.

    Allerdings muss die Initiative vom Arbeitnehmer ausgehen. Du kannst ihn dabei jedoch unterstützen. Ein erster Schritt ist dabei, das Gespräch mit ihm zu suchen und dabei zu betonen, dass Du es unterstützt und er keine Angst haben muss.
    Als nächstes muss der Arbeitnehmer sich untersuchen lassen. Hierzu sollte er sich an einen Psychologen wenden. Bei der Terminvereinbarung sollte der Verdacht aber bereits angesprochen werden, um zu klären, ob der Arzt in diesem Bereich kompetent ist oder vielleicht doch eher einen entsprechenden Kollegen empfiehlt.

    Meine Antwort war hoffentlich ein klein wenig hilfreich für Dich.
    Bei weiteren Fragen wende Dich gern jederzeit wieder an mich oder meine Kollegen oder die Community. Wir alle hier freuen uns, wenn wir helfen dürfen 😀
  • So von aussen betrachtet glaube ich schon das eine Störung vorliegt , aber eine Diagnose kann auch ich nicht stellen . Wie Blitz es andeutet sind 2 Schwierigkeiten zu beachten . Erstens das Verhältnis Arbeitgeber oder Freund
    Zweitens ob der Patient auch Therapie (fähig/willig ) ist .
    Vielleicht sind die Probleme auch beim Migrationshintergrund zu suchen . Auf jeden Fall müssen Fachleute ran . Die Finanzfrage kann auch später gelöst werden
  • Hallo, ich würde auch davon ausgehen, dass ein Psychologe für die Diagnose die richtige Adresse ist.

    Eventuell hilft es auch sich wegen einer Empfehlung zum Vorgehen an den Verband zur Förderung von Menschen mit Lernbehinderungen zu wenden? Die haben jedenfalls Landesverbände in den verschiedenen Bundesländern, siehe hier: http://www.lernen-foerdern.de/index.php/landesverbaende

    Finde es auch super, dass Du Dir solche Gedanken machst.

    Alles Gute, ananim
  • Herzlichen Dank erst einmal für den freundlichen Empfang hier im Forum.

    Meinen Dank auch an all die wirklich hilfreichen Beiträge.

    Es hat mir geholfen die Vorgehensweise richtig abzustimmen. Selbstverständlich habe ich schon mit dem Betroffenen gesprochen und ihm auch klar gemacht, dass es mir nicht darum geht ihn zu stigmatisieren oder gar "loszuwerden". Soweit ich erfahren habe, war er in den 23 Jahren seiner Berufstätigkeit nie länger als ein halbes Jahr bei einem Arbeitgeber tätig - will heißen, man hat ihn immer während der Probezeit "rausgeschmissen". Und die Agentur, Job-Center und andere beteiligte offizielle Stellen kennen die Situation. Und kein "Schwein" denkt sich "Hallo - hier stimmt doch etwas nicht!"
    Ich finde es einfach nur sehr traurig, dass ein Mensch unter solchen Umständen sein komplettes Selbstvertrauen verliert und in einer würdelosen Form von "job zu Job" geschoben wird, ohne wirkliche Hilfe zu erhalten.
    Nachdem ich Eure Vorschläge beim Jobcenter erwähnt habe, war man sofort bereit eine arbeitsmedizinische und pychologische Begutachtung mit einem Eignungs-/Belastungstest durchzuführen - wenn der Mitarbeiter dies wünscht. Er hat auch sofort zugestimmt, weil er versteht, dass es uns darum geht diesen furchtbaren Druck von ihm zu nehmen, der immer dazu führt, dass er sich unfähig fühlt, zufriedenstellende Leistungen zu erbringen.

    Jetz warten wir einmal die Termine für eine Exploration ab...

    Ich werde gern berichten, wie es weiter geht.

    Nochmals meinen aufrichtigen Dank an Alle hier!

    Alatah
  • Hallo Alatah,

    das klingt ja insgesamt sehr positiv. Natürlich kannst Du an dieser Stelle gern berichten, wie es weitergeht.

    Es ist mir an dieser Stelle noch mal ein Anliegen, zu betonen, dass Du sehr vorbildlich vorgegangen bist. Solche engagierten Arbeitgeber kann man wirklich nur jedem wünschen 😀
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