Ist nach dem neuen Conterganstiftungsgesetz noch ein Behindertentestament nötig?

Antworten

  • Auf den ersten Blick könnte man in der Tat zu diesem Ergebnis kommen, da z.B. der Einsatz von Vermögen, zu welchem auch ein solches als sog. Vollerbe, also ohne die Segnungen eines Behindertentestamentes, erhaltenes Vermögen zählt, für die leistungsberechtigte Person selbst eine Härte gem. §§ 19 Abs. 3, 90 Abs. 3 SGB XII darstellt. Allerdings müssen die Erben der leistungsberechtigten Person, also z.B. Eltern oder Geschwister, damit rechnen, über die Erbenhaftungsregelung des § 102 SGB XII in Anspruch genommen zu werden. Bis auf einen geringen vierstelligen Freibetrag müssen nach dieser Vorschrift im Extremfall die Sozialhilfeleistungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall zurückgezahlt werden. Eine Ausnahme gibt es nur für Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht, Urt. v. 23.03.2010 - Az. B 8 SO 2/09, die Eltern einer Contergangeschädigten zur Rückzahlung der Sozialhilfe verurteilt.

    Fazit: Trotz der jüngsten Änderungen des Conterganstiftungsgesetzes ist die Erstellung von Behindertentestamenten durch Eltern oder Angehörige von Contergangeschädigten weiterhin sinnvoll, um das Erbe bzw. Teile davon vor dem späteren Zugriff eines Sozialhilfeträgers zu schützen.

  • Hallo Contergan,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html

    Du hast aus der Community schon einige gute Hinweise erhalten (vielen Dank dafür, miraculix 😀 ).

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  • Hallo,

    vielen Dank für die schnelle Antwort!

    Meine Frage ist allerdings immer noch, ob nicht das neue Conterganstiftungsgesetz gerade das fürderhin ausschließt, was in dem Urteil von 2010 beschieden wurde?!?
    Ich tue mich sehr schwer zu erkenn was es bedeutet, dass sowohl von Contergan"opfer" als auch nächsten Angehörifgen die Nutzung des Vermögens eine unbillige Härte wäre.
    Meines Wissens zählt das Erbe begrifflich zum Vermögen?

    Vielen Dank, wenn nochmals jemand antwortet!


  • Hallo Contergan,

    Dein Anliegen habe ich an unseren entsprechenden Fachexperten weitergeleitet. Bitte hab ein wenig Geduld bis zur Antwort 😉

    Fachexperten benötigen für eine kompetente Antwort möglichst viele relevanten Details zum jeweiligen Anliegen. Sollte es weitere Informationen geben, wäre es hilfreich, wenn Du diese in der Zwischenzeit nachreichst. Dabei werden selbstverständlich keinerlei persönlichen Daten benötigt.

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  • Sehr geehrtes MyHandicap-Mitglied,

    ich nehme Bezug auf Ihren oben eingestellten Forumsbeitrag und möchte zu der von Ihnen gestellten Frage wie folgt Stellung nehmen:

    Bis dato wurde Eltern behinderter Kinder empfohlen, testamentarisch die Anordnung der Vorerbschaft zugunsten des Kindes anzuordnen sowie einen Dauertestamentsvollstrecker zu benennen, um zu vermeiden, dass das Ererbte als Vermögen angerechnet wird und somit dem Sozialhilfeträger zufällt bzw. der Erbe zum „Selbstzahler“ wird und erst dann wieder Sozialleistungen erhält, wenn das Vermögen weitgehend aufgebraucht ist. Diese Praxis wurde durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, ist also nach wie vor grundsätzlich empfehlenswert.

    Sie beziehen sich nun mit Ihrer Nachfrage darauf, ob nicht das neue Conterganstiftungsgesetz vom 29. Juni 2013 einen Rückgriff auf den Nachlass von vornherein ausschließt, auf die nunmehr durch § 18 Abs. 2 Satz 4 ContStifG vorgesehene Zuordnung des Vermögens der leistungsberechtigten Person (und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners) als Härtefall im Sinne der § 19 Abs. 3, § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII.

    Ganz allgemein regelt § 90 SGB XII, inwiefern im Sinne des Nachranggrundsatzes das Vermögen der möglicherweise leistungsberechtigten Person für die Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigen ist. Einschränkungen für diesen Rückgriff ergeben sich zunächst (Abs. 2) im Hinblick auf bestimmte Vermögenspositionen, außerdem wird ein Freibetrag von regelmäßig 2.600 € festgelegt, der nicht berührt werden darf. Die Härteregelung des Abs. 3 soll darüber hinaus auch Sonderfälle einschließen, die nicht unter die Regelvorschriften der Absätze 1 und 2 fallen, aber im Einzelfall dennoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich der langfristigen Versorgung im Hinblick auf angemessene Lebensführung und Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung, unterfallen.

    Die neue Formulierung des § 18 Abs. 2 Satz 4 ContStifG definiert insofern einen speziellen Anwendungsfall der Härteklausel, sodass man tatsächlich zu dem Ergebnis gelangen kann, dass die Errichtung eines Behindertentestaments nunmehr – zumindest in dieser Hinsicht – nicht mehr notwendig ist.

    Im Hinblick auf die Erbenhaftung des § 102 SGB XII wird darauf hingewiesen, dass dieser ebenfalls eine Härteregelung enthält, die jedoch gerade nicht im neuen Conterganstiftungsgesetz benannt oder konkretisiert wird. Mangels einschlägiger Rechtsprechung ist daher zum jetzigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass in diesem umgekehrten Fall, also dass der Leistungsempfänger verstirbt und dessen Erben auf Rückzahlung der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch genommen werden, das Vermögen vollumfänglich (bzw. abzüglich des erwähnten Freibetrages) angerechnet wird.
    Somit ist nach dem jeweiligen Fall zu entscheiden, ob die Errichtung eines Behindertentestaments nach wie vor sinnvoll oder entsprechend der Neuregelung obsolet ist. Ein Testament der Eltern zugunsten ihres behinderten Kindes ist angesichts der Gesetzesänderung wohl nicht mehr erforderlich. Dahingegen wird ein Testament des Behinderten selbst zugunsten von z.B. Eltern oder Geschwistern – wie im Fall des BSG-Urteils vom 23.03.2010 – weiterhin anzuraten sein, um einen Ersatz der Kosten der Sozialhilfe auszuschließen.

    Zu beachten ist noch, dass hinsichtlich der Leistungsberechtigung zwischen Leistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz und Leistungen nach dem BGB und den SGB II, III, V und XII zu trennen ist. Unbenommen der gesetzlichen Regelungen zu Sozialleistungen aus dem SGB XII können darüber hinaus Leistungen nach den Vorschriften des Conterganstiftungsgesetzes gewährt werden. Diese Leistungen werden zum einen für die Ermittlung oder Anrechnung von Einkommen und Vermögen nach dem SGB XII nicht berücksichtigt (vgl. § 18 Abs. 1 ContStifG), zum anderen bezieht sich auch die oben angesprochene Härtefallregelung nicht auf diese Leistungen. Ob Leistungen nach dem ContStifG gewährt werden, wird gesondert bewertet; Genaueres hierzu regeln die Stiftungssatzung sowie Richtlinien des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

    Dies ist nur eine kurze Einschätzung der Sach- und Rechtslage zur allgemeinen Fragestellung ohne nähere Informationen. Sofern Schwierigkeiten auftreten sollten, setzen Sie sich bitte mit einem erfahrenen Rechtsanwalt oder Notar in Verbindung, damit dieser sich einen genauen Überblick über die Sachlage machen kann. Wir können Ihnen leider nicht mehr Informationen mitteilen.

    JANSSEN + MALUGA LEGAL

    Sonja Hebben, LL.M.
    Rechtsanwältin