Klassenreise in ein nicht behindertengerechtes Landschulheim

Hallo!

Wir sind besorgt, ob das gut geht und wir nicht am Ende ein trauriges enttäuschtes Kind zurückbekommen, die evtl. noch während der wöchentlichen Telefonzeiten sagt, sie will nach Hause.

Hintergrund:
Jacqueline geht in eine Integrationsklasse einer Integrativen Grunndschule in HH-Mümmelmannsberg. Sie ist jetzt im 2. Halbjahr der 4. Klasse. Grundsätzlich fahren alle 4. Klassen als Abschlussklassenreise auf eine 3wöchige sog. Klassenkur nach Sylt / Vogelkoje. Das ist bei uns geplant vom 29.5. bis 18.6.13.

Bei einem Vorbereitungstreffen Anfang April zeigte man uns Fotos der Umgebung und des Hauses. Der Weg zur Nordsee und zum Strand führt über eine schwer zu begehende Düne, mit Rolli nicht möglich - eigentlich.
Der Speisesaal des Hauses befindet sich im 1. OG, nur zu erreichen über eine absatzlose Treppe mit etwa 20 Stufen. Jacqueline kann zwar noch laufen, aber nur sehr schwer mit beidseitigem Spitzfuß- und Innenrotationsgang. Freies Laufen an Strand und Wasser geht gar nicht mehr.
Viele unserer Fragen wurden uns beantwortet mit "Das machen alles die Erzieher des Heines. Wir als Lehrer machen morgens Projektunterricht, ansonsten sind wir nur Mitläufer."

Nun ist "das Kind in Brunnen gefallen", eine Veränderung des Reisezieles ist nicht mehr möglich. Wir erfuhren auch erst zu Beginn des 4. Schuljahres beim Elternabend im August 2012, dass die Klasse auf Sylt seit kurz nach der Einschulung 2009 dort angemeldet ist, um überhaupt einen Platz zu bekommen.

Die Lehrer wußten von Beginn an, dass Jacqueline stark gehbehindert ist, seit Klasse 2 einen Rolli hat. Wie kann man dann so ein Reiseziel buchen? Hat man gedacht "Wir fahren immer nach Sylt, also auch jetzt, unabhängig vom Rollikind"?

Wir sind besort und wütend, können aber nichts ändern und nur das beste hoffen.


Gruß, Katrin

Antworten

  • Liebe Katrin,

    möchte Deine Tochter denn mitfahren? Sicher ja!

    Ick kann mir doch vorstellen, dass ihre Schulkameraden und Freundinnen behilflich sein werden, wenn sie bestimmte Sachen nicht alleine bewerkstelligen kann. Auch die Lehrer und die Inhaber des Landschulheimes sind in der Pflicht, zu helfen. Ich bin mir sicher, dass dies auch klappen wird.

    Wenn Katrin mitfahren möchte, dann lass sie auch, sonst fühlt sie sich vermutlich aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen. Vielleicht hat sie ja auch die Möglichkeit, zusätzlich einen Rollator mitzunehmen?

    Für kurze Spaziergänge am Strand würde ich mit dem Rolli so nahe wie möglich an den Strand fahren und mich dann rechts und links bei Freundinnen einhaken; falls dies aber nicht mehr möglich ist, muss sie darauf leider verzichten.

    Du schreibst, Jacqueline besucht eine Integrationsklasse. Ist sie denn die einzige Schülerin mit einer solchen Behinderung?

    Vielleicht siehst Du alles viel zu grau und es klappt alles besser, als Du denkst. An vielen Stränden sind schon Holzbretter gelegt, so dass man zumindest recht nahe ans Wasser gelangen kann. Bezüglich der Stufen im Landschulheim kann man den Heimleiter bitten, eine Art provisorische Rampe anzubringen.

    Lass Dein Kind nicht zuhause, denn damit machst Du sie nur unglücklich. Jacqueline wird in ihrem Leben immer wieder vor solchen Herausforderungen stehen. Ich fände es wichtig, ihr so früh wie möglich beizubringen, um Hilfe zu bitten, wenn sie Hilfe braucht.

    Das sind so meine Gedanken, aber die können natürlich auch falsch sein. Lass es drauf ankommen.

    Wenn alle "Stricke" reißen, kann Jacqueline die Abschlussfahrt immer noch abbrechen.

    Liebe Grüße


  • Hallo Manu!

    Danke für deine Antwort.
    Jacqueline wird auf jeden Fall mit nach Sylt fahren. Es war aber immer so, dass uns die Klassenlehrerin mit Worten beruhigen oder abspeisen wollte, es gebe neben der Treppe zum Speisesaal auch eine Rampe.
    In einem Telefonat mit dem Heimleiter erfuhr ich, dass das nicht stimmt. Er war auch nicht informiert, dass ein Rollikind mitkommt, worauf das Haus (Bad, Schlafräume etc.) auch nicht eingestellt ist.
    Da Jacqueline gar nicht mehr frei laufen kann und es barfuss eigentlich wegen der Fußstellung auch nicht mehr darf, kann sie sich bei anderen Kindern auch nicht einhaken. Sie trägt beidseitig Orthesen mit Maßschuhen. Am Strand wird sie dann nur krabbeln können.

    Natürlich kann man ihr nicht jedes Hindernis im Leben ausräumen, aber von einer Integrationsklasse mit Rollikind hätte ich ein anderes Reiseziel erwartet. Sie ist nicht das einzige Integrationskind, aber das einzige mit Gehbehinderung bzw. Rolli. Ein anderer Junge ist Asperger-Autist, dessen Mutter stimmte uns zu, dass Sylt eine Fehlplanung ist.


    Gruß, Katrin
  • Na, wenn du Inklussion willst, ist das die Praxis. Wieso soll deine Tochter eine Sonderstellung bekommen? Du stellst dir das auch problematischer vor, als es ist. Bei einer ganzen Klasse wird man doch ein einziges Kind die Treppe hoch bekommen.
    Wenn der Lehrer sein Handwerk beherrscht, wird das die Aufgabe der Klasse sein. Meine Tochter geht in die 5. Klasse. In der 4. Klasse wäre es kein Problem gewesen, ein Rollikind mitzuschleppen.

    Inklusion heißt nicht, dass die ganze Klasse was anderes machen muss wegen einem Rollikind, sondern dass das Rollikind integriert wird. Zum Erfolg gehört Versuch und Irrtum. Lasse sie mal wurschteln. Die kriegen das schon hin.
  • Hallo Einbein!

    Danke für deine Antwort. Ich denke aber, du siehst es etwas zu locker. Die HSP von Jacqueline ist stetig fortschreitend. Bis sie 3 Jahre alt war, hatte ich ein nichtbehindertes Kind, mit 8 bekam sie den ersten Rolli. Die Adductoren ziehen Knie und Beine nach innen, sie hat also einen X-Beingang, innendrehende Füße im Spitzfußgang. Schaffst du es oder deine Tochter, so zu laufen und dann noch etliche Stufen zu überwinden?
    Ich habe privat "nur" 6 Stufen vor der Wohnungstür, vor wenigen Monaten genügte ihr eine Hand am Geländer, um die Stufen zu schaffen. Inzwischen benötigt sie dafür beide Hände am Geländer oder eine am Geländer, die zweite hält sich an der Wand oder einer anderen Person fest.
    Sie muß auf Sylt 3 Wochen lang dreimal täglich die Treppe überwinden. Ich hoffe nur, dass Kind und Rollstuhl heil zurückkommen.

    Gestern rief mich die Klassenlehrerin an. sie wollte die Frage klären, wie der Koffer zum Bahnhof kommt. Sie fragte, ob meine Eltern mit Auto das machen könnten, ich sagte nur, die sind dann auch in Urlaub. Sie wollte mir versichern, es gäbe eine Rampe zum Speisesaal, was ich ihr noch immer nicht glaube. Denn eine Rampe ins !. OG müsste entweder sehr lang oder sehr steil sein. So richtig konnte sie es mir nicht beantworten.
    Ich sagte ihr, ich hätte mit dem Heimleiter telefoniert, der mir sagte, es gäbe nur eine Treppe. Sie sagte, er dürfte mir nicht sagen, dass er zufällig mal eine Rampe nachgerüstetz hat, dann hätte er ganze Rolliklassen vor Ort. Ich sagte ihr, er muß es ja nicht in ganz Hamburg bekanntgeben, aber einer besorgten Mutter am Telefon könne man das sehr wohl sagen.
    Sie rief danach noch bei meinem Ex an und schlug ihm vor, den Koffer einen Tag vorher mit dem Fahrdienst zur Schule zu fahren, "irgendjemand" wird ihn dann schon mitnehmen. Mein Ex lehnte das ab und meinte, er wird es schon schaffen, mit 2 Rollis (HSP ist erblich) und Koffer per U-Bahn zum Bahnhof zu kommen. Ich werde auch mitfahren und den Duschhocker nach Altona transportieren. Ohne den hätte Jacqueline keine Möglichkeit, im Bad zu sitzen bei Dusche oder Waschbecken.

    Du schreibst, im 4. Schuljahr deiner Tochter wäre es kein Problem gewesen, ein Rollikind "mitzuschleppen". Das klingt sehr negativ, diese Denkweise gefällt mir nicht.


    Gruß, Katrin
  • Hallo Katrin,

    ich war letztes Jahr ein paar Std auf Sylt.

    Der Strand (da wo das Wasser ausläuft) gibt so stark nach, das ich mit meinen Gleichgewichtsproblemen, da überhaupt nicht zurecht kam.

    An der Ostfriesichen Küste, ist das alles richtig fest und gut begehbar.

    In einem späteren TV Bericht, sah ich , das die einheimischen von den Millionären, die Sylt neu *besiedeln* alles aufkaufen zu mehrfach überhöhten Preisen, das die einheimischen gezwungen sind, die INsel zu verlassen...dank Typen wie Hoeness und Konsorten!

    Auch wenn das nicht so zum Thema passt, sollte sich jeder überlegen, Sylt zu besuchen.

    Sollen die Millionäre und Steuerflüchtlinge mit ihrer Arroganz alleine bleiben.

    lg Yeggdrasil
  • Hallo Katrin,
    ich kann gut verstehen, dass du verunsichert bist, was die anstehende Klassenreise angeht. Toll finde ich, dass deine Tochter - Sorge hin oder her - mitfahren darf und du sie nicht zurück hältst.

    Irgendwie klingt es für mich so, als würde die Kommunikation zwischen der Lehrerin und dir nicht so recht klappen. Kannst du nicht nochmal ein Gespräch suchen (nicht am Telefon, sondern "live"), in dem du deine Sorgen schildern kannst und auch die Dinge, die du zum Haus und den zu bewältigenden Wegen in Erfahrung gebracht hast? Ich kann nicht glauben, dass die Lehrkraft nur abwiegelt - es muss doch auch ihr darum gehen, Lösungen zu finden...

    Ich finde, es ist zu überlegen, ob deine Tochter für die Klassenreise eine Assistenzkraft mitbekommt. Das könnte z.B. über die Verhinderungspflege finanziert werden, wenn ihr da den Betrag anderweitig ausgeschöpft habt (oder noch werdet) evtl. auch über den Schul-Förderverein. Diese Assistenz hätte quasi den Auftrag, die Barrierefreiheit für dein Kind herzustellen.

    Es wäre sicher hilfreich für dich, aber auch für deine Tochter zu wissen, dass da jemand ist, der genau diese (und damit keine andere) Aufgabe hat. Auch für die Lehrkraft und die Anbieter auf der Insel könnte so die ganze Situation entschärft werden.

    Die Schule sollte sich natürlich zu diesen Dingen schon Gedanken machen. Inklusion heißt nicht, dass die Verschiedenheiten verschwinden, sondern dass sie dazugehören. Und das bedeutet, dass Reiseziele so ausgewählt werden müssen, dass sie für alle Kinder geeignete Ziele darstellen...

    Herzliche Grüße, Ihr schafft das!
    Wiltrud Thies


  • Hallo Wiltrud!

    Mit Verhinderungspflege haben wir uns noch nie auseinandergesetzt, da es im privaten und täglichen schulischen Bereich keine Probleme gibt.

    Welche Schritte müsste man da gehen, die Klasse fährt in 12 Tagen los, was kann man da noch erreichen und wie kommt man an Personen, die Jacqueline begleiten, denen wir und auch sie vertrauen können?
    Es ist alles sehr kurzfristig. Mein Ex hat neulich mit dem Heimleiter telefoniert, der uns sagte, die Treppe zum Speisesaal hat "nur" 10 statt 20 Stufen, was ein großer Unterschied ist und uns etwas beruhigt.


    Gruß, Katrin