Welche Rechte haben Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen, die eine Kinderkrippe besuchen w

Ich bin Erzieherin im Anerkennungsjahr. Wir beschäftigen uns in der Fachakademie im Moment mit folgendem Fall:
Zwillinge im Alter von 2 Jahren sollten in einer Kinderkrippe in München eingewöhnt werden. Während der Eingewöhnungszeit kam beim pädagogischen Personal der Verdacht auf, dass ein Kind der Zwillinge Entwicklungsverzögert ist. Nach einem Gespräch mit der Mutter bestätigte sich die Vermutung des Personals.
Da laut Aussage der Gruppenleitung nicht genügend Personal für die Betreuung eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen vorhanden sei, wurde die Aufnahme dieses Kindes abgelehnt.
Aus diesem Fall ergeben sich für uns folgende Fragen:
1. Darf ein Kind mit besonderen Bedürfnissen aus oben genannten Gründen abgelehnt werden?
2. Gibt es hierbei Unterschiede zwischen privaten, freien oder städtischen Trägern?
3. Darf ein städtischer, freier oder privater Träger in einem Konzept festhalten, dass keine Kinder mit Behinderungen aufgenommen werden?
4. Ist die Einrichtung in oben genannten Fall verpflichtet, für nötiges Personal und die notwendigen Materialien zu besorgen?
5. Müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein, um Menschen mit Behinderung in einer Krippe aufzunehmen?
6. Ist die Mutter verpflichtet, beim Aufnahmegespräch die Behinderung anzugeben? aus welchem Grund?

Antworten

  • Hallo Bina,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich habe etwas Ahnung, arbeite in HH im Geschäftszimmer, wo es um die KITA-Plätze geht. In HH benötigt jede KITA eine Betriebserlaubnis, wo alles drinsteht, also was die KITA an Leistungen hat, Krippe, Elementar, Hort etc..mit den jeweiligen Stunden, und teilweise haben die KITAS auch EGH, also Eingliederungshilfe. Ich kenne nicht die Gesetze in München, aber frag doch mal da nach. Oder ruf einfach mal bei der Stadt an, die dafür zuständig sind...Stell Dich mal etwas blöde an...Fragst für eine Freundin, Verwandte.

    Ich finds allerdings auch von den Eltern nicht fair, das sie nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt haben. Ob die KITAS in ihrem Konzept stehen haben dürfen, sie nehmen solche Kinder nicht auf, kann ich Dir nicht sagen. Hier in HH gibts keine Unterschiede, ob es eine städtische, kirchliche KITA oder z.B. von der AWO ist. Kannst Dich ja mal schlaulesen:

    www.hamburg.de/kita

    Um behinderte Kinder betreuen zu können, gibts bestimmt Regelungen, es wäre z.B. schlecht, wenn ein Kind im Rollstuhl in eine KITA soll, die im 2. oder 3. OG untergebracht ist, und kein Fahrstuhl vorhanden ist... Behindertengerechte Toiletten etc., sollten vorhanden sein.
    Teilweise gibts eine 1 zu 1 Betreuung von einem behinderten Kind, und das kostet richtig Geld. Die Eingliderungshilfe gibts ab dem 3. Geburtstag bis zur Einschulung, die Eltern bezahlen nur 31€/Monat, aber die Zuschüsse können mal eben so 3000 Euro sein.

    Also ich kann Dir längst nicht alle Deine Fragen beantworten, aber frag einfach mal bei Euch in der Stadtverwaltung nach.

    Ich wünsch Dir noch einen schönen Abend.
    LG Sanne
  • Hallo Bina,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀
    Eine Übersicht, wie das bei uns funktioniert, bietet dieses kurze Video (selbstverständlich auch mit Untertiteln): http://www.myhandicap.de/guided-tour.html

    Ist das ein theorethischer Fall oder ein realer? Habe ich es richtig verstanden, dass es quasi Eure "Hausaufgabe" ist, diese Fragen zu klären?
  • Hallo,

    zunächst einmal vielen Dank für die Antworten. Der Beitrag von delphisanne63 hat mir sehr weiter geholfen. 😀Den Behindertenbeauftragten der Stadt München habe ich bereits kontaktiert. Er konnte mir jedoch bei diesen Fragen nicht weiter helfen, deswegen bin ich dir wirklich dankbar.

    An Justin_MyHandicap:
    Das ist ein hypothetischer Fall, den wir uns in der Schule ausgedacht haben.
    Ja, man könnte es als Hausarbeit bezeichnen. Wir wurden von unserer Lehrerin dazu beauftragt, uns mit einer Situation auseinander zu setzen, die uns interessiert und die mit Rechtsfragen in einer Kinderkrippe zu tun haben. Wir müssen uns Informationsquellen suchen und Antworten auf unsere Fragen finden, die wir uns selbst gestellt haben. Das Ergebnis müssen wir dann der gesamten Klasse vorstellen.




  • Halllo Bina,
    ich glaube, dass behinderte Kinder nicht mehr abgelehnt werden dürfen, aufgrund der UN-Konvention, Thema: Inklusion.
    Auch für eine Extra-Betreuung müsste gesorgt werden. Ich weiß allerdings nicht, wer die Kosten in der KIta übernimmt.
    In HHer Schulen gibt es dann Inklusionsbegleiter.

    Versuch doch mal in München Kontakt mit Elterninitiativen aufzunehmen, z.B. Lebenshilfe...
    Ich habe bei google einfach mal "Elterninitiative behinderter Kinder in München" eingegeben und da kam unter anderem dieser heraus:

    http://www.kidsgo.de/va/selbsthilfegruppe/muenchen

    der erste Link: http://www.allfa-m.de/ hört sich vielversprechend an.
    Toi Toi Toi
    mona
  • Hallo Bina,

    ich kann gern unsere Fachexperten hinzuziehen. Manchmal dauert es aber ein klein wenig, bis sie antworten.

    Wie lange hast Du denn noch Zeit für die Recherche?
  • ich habe noch bis 4. März Zeit

    Ich bin dankbar über jede Meinung, also würde ich mich sehr über die Aussage eines Fachexperten freuen.

    Danke an alle, die bisher schon geantwortet haben.
  • Hallo Bina,

    ich werde das Anliegen gerne an einen Fachexperten weiterleiten 😀
  • Sehr geehrtes MyHandicap-Mitglied,

    ich nehme Bezug auf Ihren oben eingestellten Forumsbeitrag und möchte zu der von Ihnen gestellten Frage wie folgt Stellung nehmen:

    Die Eingliederungshilfe im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist in § 53 Abs. 4 SGB XII geregelt. Danach finden die Vorschriften des SGB IX Anwendung. Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist eine Leistung der Sozialhilfe im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe im Leben.

    Je nach Bundesland sind die örtlichen Sozialhilfeträger (Städte und Landkreise) oder die überörtlichen Sozialhilfeträger (Bezirke oder Landessozialämter) für die Eingliederungshilfe zuständig. Da ein Beispielsfall aus München geschildert ist, soll das Vorgehen anhand dieses Bundeslandes erklärt werden.

    1. Im Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz (BayKiBiG) ist geregelt, dass die Kindereinrichtungen grundsätzlich sowohl für behinderte als auch nicht behinderte Kinder offen sind. Art. 2 Abs. 3 BayKiBiG definiert integrative Kindereinrichtungen als solche Einrichtungen, die von bis zu einem Drittel, mindestens aber von drei behinderten oder von Behinderungen bedrohten Kindern besucht werden.

    Ein Kind kann in Bayern integrativ in eine Kindertagesstätte aufgenommen werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. Dazu gehören u.a. Fachkräfte mit besonderen Kenntnissen in den Bereichen Erziehung, Heilpädagogik oder Kinderpflege. Die integrative Arbeit erfordert außerdem eine ausreichende räumliche und technische Ausstattung sowie spezielle Spiel- und Bewegungsmaterialien.

    Sofern man eine Kindertagesstätte gefunden hat, die bereit ist ein behindertes Kind aufzunehmen und die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, kann bei den Sozialhilfeverwaltungen der Bezirke die Eingliederungshilfe beantragt werden.

    Wenn Hilfe zur Erziehung von seelisch und geistig behinderten Kindern und Jugendlichen geleistet werden muss, sollen gem. § 35 a Abs. 4 SGB VIII Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sofern heilpädagogische Maßnahmen in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren sind und der Hilfebedarf es zulässt, sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

    §§ 55 Abs. 2 Nr. 2, 56 Abs. 1 SGB IX regeln, welche Betroffenen heilpädagogische Maßnahmen benötigen, nämlich Kinder, die noch nicht eingeschult wurden. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, wird eine Eingliederungshilfe bewilligt und ein behindertes Kind kann in die Kindertagesstätte aufgenommen werden.

    Nach den bisherigen Ausführungen ist eine Kindertagesstätte sogar verpflichtet, die Integration eines behinderten Kindes abzulehnen, wenn sie nicht den Anforderungen entspricht oder diese nach Beantragung nicht bewilligt werden.

    Hinzu kommt, dass die Kindertagestätten mit den jeweiligen Bezirken gewisse Rahmenverträge ausgehandelt haben, nach denen eine Förderung für die Kinder vereinbart ist. Es kommt also auch darauf an, ob die Kindertagesstätte eine integrative Betreuung in die Verträge aufgenommen hat.

    2. Sowohl die städtischen, freien oder privaten Träger können nicht grundlos an dem Konzept festhalten, Kinder mit Behinderung auszuschließen. Jedoch sind sie dazu verpflichtet, wenn sie die räumlichen, technischen und personellen Voraussetzungen nicht erfüllen. Gerade in Bayern erhalten allerdings die Kindertagesstätten für die Betreuung eines behinderten Kindes eine Förderung, welche 4,5 Mal so hoch ist wie die eines nicht behinderten Kindes.

    Ein immer wiederkehrendes Problem stellt der immense Fachkräftemangel dar. Ohne entsprechende Fachkräfte, die insbesondere mit den gesetzlich vorgeschriebenen und für die Kinder notwendigen heilpädagogischen Maßnahmen vertraut sind, kann eine integrative Betreuung nicht gewährleistet werden. Sollte diese auf dementsprechenden Antrag nicht bewilligt werden, muss eine integrative Betreuung abgelehnt werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einen städtischen, freien oder privaten Träger handelt.

    3. Die Einrichtung muss von vorneherein die räumlichen, technischen und personellen Anforderungen erfüllen. Sollte dies nicht der Fall sein, die Eingliederungshilfe wird jedoch vom jeweiligen Bezirk bewilligt, kann eine Förderung der personellen und technischen Hilfsmittel beantragt werden. Aus dem oben genannten Problem des Fachkräftemangels ergibt sich jedoch ein fataler personeller Engpass, so dass den Einrichtungen nicht auferlegt werden kann, die personellen Voraussetzungen zu erfüllen, wenn es auf dem Markt nicht ausreichend Personal gibt.

    4. Zu den Anforderungen einer Krippe für eine integrative Betreuung wurde bereits oben Stellung genommen.

    5. Eine gesetzlich normierte Rechtspflicht zur wahrheitsgemäßen Angabe der Eltern gibt es nicht. Allerdings ergibt sich aus dem logischen Zusammenhang, dass ein Verschweigen der Behinderung für das Kind nicht förderlich wäre.

    § 2 Abs. 1 SGB IX definiert den Begriff der Behinderung folgendermaßen:
    Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

    Den Eltern eines behinderten Kindes muss demnach klar sein, dass ihr Kind möglicherweise eine besondere integrative Betreuung benötigt, um eben die Teilhabe am Leben der Gesellschaft sicherzustellen. Zu diesem Zweck sollten sie einer Kindertagesstätte wahrheitsgemäß darüber Auskunft erteilen, ob eine Behinderung vorliegt oder nicht. Andernfalls kann das Kind möglicherweise in der Kindertagesstätte nicht interessengerecht versorgt werden, wenn die Einrichtung die Voraussetzungen für eine integrative Betreuung nicht erfüllt.

    Mit dem Verschweigen der Behinderung schädigen die Eltern lediglich ihr Kind, was ihren Wünschen doch wohl zuwiderlaufen sollte. Außerdem muss man auch die Konsequenzen in Erwägung ziehen, wenn die Behinderung im Laufe der Betreuung bekannt wird und die Einrichtung die integrativen Voraussetzungen nicht erfüllt. Möglicherweise müsste das Kind die Einrichtung verlassen. Ein plötzlicher Wechsel, zudem wahrscheinlich noch ohne nahtlosen Übergang in eine andere Betreuung, kann wirklich nicht im Interesse des Kindes liegen.


    Dies ist nur eine kurze Einschätzung der Sach- und Rechtslage anhand der von Ihnen geschilderten Informationen.

    Mit freundlichen Grüßen

    JANSSEN + MALUGA LEGAL

    Sonja Hebben, LL.M.
    Rechtsanwältin







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