Bionische Handprothesen und Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Hallo allerseits,

ich habe mich in diesem Forum angemeldet, weil ich nach Leuten suche, die Erfahrungen mit dem Verlust von Fingern und der Benutzung von (bionischen) Prothesen haben. Dankbar bin ich auch für jeden sonstigen sachkundigen Rat und Anmerkungen zu dem Thema.

Die Hintergrundgeschichte:

Mein lieber Vater erlitt nach einer Darm-OP eine schwere Sepsis. In Folge der Blutvergiftung sind ihm große Bereiche an beiden Händen abgestorben. Das ganze Ausmaß ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, aber im besten Fall verliert er an der linken Hand alle Finger und an der rechten Hand jeweils das obere Drittel der Finger. Schlimmstenfalls könnte es rechts die ganze Hand oder sogar der Unterarm werden und links größere Teile der Finger. Eine absolute Katastrophe, die man so gar nicht in Worte fassen kann. Nachdem nun die erste Trauer und die Wut verflogen ist, habe ich mir eingehend Gedanken darüber gemacht wie es nun weitergehen kann. Bei meiner Recherche nach Hilfsmitteln bin ich auf die Firma TouchBionics (www.http://www.touchbionics.de) gestoßen. Die dort angebotenen Produkte vermitteln mir den Eindruck, dass bewegliche Prothesen heutzutage nicht mehr nur in dem Bereich der Science Fiction liegen und dass es noch Hoffnung auf ein halbwegs selbstständiges und selbstbestimmtes Leben gibt. Meine Frage ist nun: Hat hier jemand schon Erfahrungen mit diesen "i-limb" Produkten gemacht? Ich wäre sehr daran interessiert zu erfahren, wie es sich mit diesen bionischen Prothesen tatsächlich im Alltag lebt und inwiefern die Krankenkasse für etwaige Kosten dieser Hightech Geräte aufkommt. Schließlich hört man immer wieder, dass oft dringend benötigte Dinge nicht bezahlt werden, andererseits würde die Kasse sonst Geld für eine Pflegestufe aufbringen müssen, wenn mein Vater zukünftig nicht mehr selbständig leben könnte. Hochgerechnet dürfte das die Kasse, bei entsprechender Lebenserwartung, weitaus teurer kommen. Für eure Erfahrungen, Meinungen und Anmerkungen zu diesem Thema möchte ich mich schon mal im Voraus herzlich bedanken.

Liebe Grüße

Matthias

Antworten

  • Lieber Matthias,

    herzlich willkommen bei uns!

    Ich habe unseren Fachexperten gebeten, sich um Dein Anliegen zu kümmern. Bitte habe noch etwas Geduld. Eventuell erhältst Du derweil aus der Community noch Antworten zu dieser Thematik.

    Lieben Gruß,

    Tom
    MyHandicap
  • MatthiasH hat geschrieben:
    Hallo allerseits,

    ich habe mich in diesem Forum angemeldet, weil ich nach Leuten suche, die Erfahrungen mit dem Verlust von Fingern und der Benutzung von (bionischen) Prothesen haben. Dankbar bin ich auch für jeden sonstigen sachkundigen Rat und Anmerkungen zu dem Thema.

    Die Hintergrundgeschichte:

    Mein lieber Vater erlitt nach einer Darm-OP eine schwere Sepsis. In Folge der Blutvergiftung sind ihm große Bereiche an beiden Händen abgestorben. Das ganze Ausmaß ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz klar, aber im besten Fall verliert er an der linken Hand alle Finger und an der rechten Hand jeweils das obere Drittel der Finger. Schlimmstenfalls könnte es rechts die ganze Hand oder sogar der Unterarm werden und links größere Teile der Finger. Eine absolute Katastrophe, die man so gar nicht in Worte fassen kann. Nachdem nun die erste Trauer und die Wut verflogen ist, habe ich mir eingehend Gedanken darüber gemacht wie es nun weitergehen kann. Bei meiner Recherche nach Hilfsmitteln bin ich auf die Firma TouchBionics (www.http://www.touchbionics.de) gestoßen. Die dort angebotenen Produkte vermitteln mir den Eindruck, dass bewegliche Prothesen heutzutage nicht mehr nur in dem Bereich der Science Fiction liegen und dass es noch Hoffnung auf ein halbwegs selbstständiges und selbstbestimmtes Leben gibt. Meine Frage ist nun: Hat hier jemand schon Erfahrungen mit diesen "i-limb" Produkten gemacht? Ich wäre sehr daran interessiert zu erfahren, wie es sich mit diesen bionischen Prothesen tatsächlich im Alltag lebt und inwiefern die Krankenkasse für etwaige Kosten dieser Hightech Geräte aufkommt. Schließlich hört man immer wieder, dass oft dringend benötigte Dinge nicht bezahlt werden, andererseits würde die Kasse sonst Geld für eine Pflegestufe aufbringen müssen, wenn mein Vater zukünftig nicht mehr selbständig leben könnte. Hochgerechnet dürfte das die Kasse, bei entsprechender Lebenserwartung, weitaus teurer kommen. Für eure Erfahrungen, Meinungen und Anmerkungen zu diesem Thema möchte ich mich schon mal im Voraus herzlich bedanken.

    Liebe Grüße

    Matthias


    Die ""bionischen"" Prothesen heissen nur so. In Wahrheit sind es technisch billig gemachte, einfach angesteuerte (2 Elektroden, "auf", "zu"), massivst überteuerte Elektronikspielsachen, die vom Prinzip her seit den 40er Jahren nicht viel Verbesserung erfahren haben.

    Wenn einem das bisschen an Funktion, was diese haben und bringen, genügt, und wenn man jemanden findet, der das bezahlt, warum nicht.

    Ich trage Eigenkraft (Kabelzug) - Prothesen am rechten Arm, die mit etwa 1/3 des Gewichts, statt 45000 CHF (iLimb) bis 90000 CHF (Otto Bock Michelangelo) mit 6000 bis 9000 CHF Kosten das Teil auskommen, die bis zu 3 Jahre wartungsarm bis -frei unter niemals versicherbaren "Extrembedingungen" (Mountain Bike, Gartenarbeit, Heckenschere, Umzüge, ...) modular mit x-beliebigen Aufsätzen laufen, und im Gegensatz zu den üblichen Münsterschäften sehr bequem und bis etwa 25 kg zugfest am Arm hängen. Dagegen pütschert man an einem myoelektrischen oder bionischen Arm dauernd rum, der Hartschaft taugt nicht mal zum Einkaufskorb tragen, und für 10000 CHF kann man offenbar bei Otto Bock die Michelangelohandgarantieverlängerung kaufen. Meine Becker-Hände haben auch einen adaptiven Griff, liegen bei 650 CHF das Stück und sind nicht wirklich kaputtbar, Garantie ist da gar kein Thema. Mit der Zeit lernt man ausserdem sehr viele Tricks, um mit einfacheren z.B. passiven Prothesen oder ohne Prothese seine Dinge zu tun. Einfache robuste Lösungen haben sich am meisten bewährt.

    Aber, jedem das seine : ) vielfach sind Leute, die neu in der Situation stecken, der Ansicht, teuer sei auch gleich besser. Jedenfalls sind die einzelnen Finger, die Touchbionics da verkauft, sicher hilfreich, aber auch nicht vergessen, es gibt da wohl diese X-Finger. Chirurgen könnten eventuell auch einen Zeh an die verbleibende Hand verpflanzen (Villki Toe To Stump Transfer), auch das eine Variante um wieder was anpacken zu können.
  • Hallo,

    vielen Dank für die ausführliche und ehrliche Meinung zu dem Thema. Dass diese bionischen Handprothesen nicht besonders robust sind, habe ich schon fast befürchtet, leider findet man nicht wirklich sehr viele Erfahrungsberichte dazu. Allerdings sah das, was ich bis jetzt so gesehen habe, auch nicht so ganz schlecht aus. Die feinmotorischen Griffmöglichkeiten sind schon sehr beeindruckend und es soll bei den i-limb Prothesen sogar 8 verschiedene Griffmuster geben. Teuer sind diese in der Tat, allerdings stehen die Karten wohl auch nicht so ganz schlecht, diese von der Kasse finanziert zu bekommen.

    Gestern hat sich der deutsche Vertriebspartner der Firma TouchBionics bei mir gemeldet und einen Kontakt zu einem spezialisierten Orthopädietechniker hergestellt, der mir da etwas Zuversicht geben konnte. Leider wird man wohl bei der rechten Hand prothetisch nicht viel machen können, weil da "zuviel" erhalten bleibt, das ist meiner Meinung nach allerdings mehr ein Grund zur Freude.

    Wir sind nun so verblieben, dass er sich mal die Situation vor Ort anschauen würde. Ich denke so lassen sich die Dinge besser besprechen. Ich werde aber in jedem Fall mal die Themen Belastung und Anfälligkeit der Prothesenkandidaten ansprechen und in wie fern vielleicht aus dem Blickwinkel der Alltagstauglichkeit eine andere Lösung sinn machen würde.

    Vielen Dank!
  • Vielleicht auch der Hinweis, dass Prothesen nur ein (gewisser) Teil sind von dem, was dann wichtig ist.

    Immerhin tragen etwa die Hälfte der Leute mit Armamputation gar keine Prothesen. Soviele Leute können nicht unrecht haben! Das Hirn braucht selbst etwa 1-3 Jahre um die meisten Tricks selber rauszukriegen.

    Ohne Prothesen kann man dennoch manche Dinge gut festhalten - meine Zahnbürste klemme ich mit dem Arm gegen den Badezimmertisch; ein Marmeladeglas wird anders eingeklemmt, und für vieles ist das Verwenden eines sehr grossen mächtigen Schraubstocks eh besser als eine futzelige Prothese, die am Ende eben trotzdem nicht genügend gut greift. Auf einer Tastatur tippen geht ohne Prothese für mich besser, da ich die Tasten recht gut spüre und treffe. Mit Prothese ist zwar die Sitzhaltung besser, aber ich haue eher daneben. Gestern abend hat automatisch die schwergängige Pfeffermühle bei mir daheim einen Weg gefunden - von selbst, ich habe nie drüber nachgedacht - wie ich den Pfeffer da (ohne Prothese) am besten mahlen kann. Schuhe oder Badehose binden. Brot schneiden. Es gibt für alles Tricks, wie man die Sachen hinbekommt - auch unorthodox. Beim Reanimationskurs habe ich der Wiederbelebungspuppe den Beatmungsbeutel mit dem Arm einfach gegen die Wange gedrückt, um die Luft rauszudrücken, während ich die Maske mit der Hand fixiert hatte - und es hat bestens geklappt.

    Dann kann man sich auch helfen lassen. Bin ich nicht in der Stimmung, bestelle ich im Restaurant Pizza oder Fleisch geschnitten. Man muss nicht alles übertreiben. Das geht auch gerne vergessen.

  • www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=irdJ0SCioXY#!

    Prototyp eines mechanischen Daumens.
  • Hallo

    ich habe vor 36 Jahren meinen Arm oberhalb des Ellenbogens verloren.

    Seither habe ich mehrere Oberarmprothesen verschrieben bekommen. In den letzten Jahren ist die Technik immer weiter fortgeschritten. Ich habe zwar von Anfang an immer myoelektrische Hände erhalten, dass Ellenbogengelenk wurde bei den ersten Prothesen durch einen Seilzug gesteuert. Der Gurt verlief über den Rücken.

    Im Jahre 2007 erhielt meine erste Prothese mit elektronischen Ellenbogengelenk. Dieses System war und ist ein Geschenk. Ich habe eine nie gekannte Bewegungsfreiheit. Es scheuert und juckt nicht mehr auf dem Rücken und in der Achsel. Unzählige Male waren Reparaturen am Seilzug als auch am Bandageband notwendig.

    Durch das elektronische Ellenbogengelenk wurde ein Kosmetik-Silikonüberzug über den gesamten Arm möglich. Ich kann jetzt T-Shirts tragen und bin darüber total happy. Die Kosmetik ist sehr fortschrittlich. Ich bin rundum glücklich und möchte niemehr einen Seilzug über den Rücken haben.

    Morgens bin ich innerhalb weniger Sekunden "komplett" und kann alle Aufgaben meistern. Ich nehme die Zahnbürste in die rechte und die Tube in die linke Hand. Ich schmiere mein Brot, esse mit Messer und Gabel. Ich schnüre meine Schuhe mit zwei Händen. Das elektronische Armgelenk arbeitet einwandfrei und unterstützt auch die anderen Funktionen. Die Druckkraft der Hand langt für meine Zwecke völlig aus. Die anderen beschriebenen Tricks kenne ich auch, aber so ist es viel einfacher und bequemer.

    Ich trage die Prothese jeden Tag und lege Sie erst spät abends ab. Ich würde immer wieder eine myoelektrische Armprothese wählen.

    Mit der Krankenkasse hatte ich sehr viel Ärger. Ich habe mir einen Anwalt genommen, der die Sachen für mich geregelt hat. Es hat zwar seine Zeit gebraucht, aber jetzt ist erst einmal alles geklärt.

    Viele Grüße


  • Ich möchte mich nochmals recht herzlich, auch für die mutmachenden Worte bedanken. Ich entnehme euren Geschichten, dass ihr beide jeweils noch eine Hand normal gebrauchen könnt?

    Im Moment sorgt uns allerdings mehr, dass die Sepsis aufgrund antibiotikaresistenter Keime noch nicht überwunden ist und es somit auch fraglich ist, ob mein Vater überhaupt durchkommt, da die Zeit nicht gerade für uns arbeitet. Zu allem Überfluss hat die anfangs trockene Nekrose auch noch angefangen zu nässen und die Füße sehen auch zunehmend schlimmer aus.

    Das mit dem Anwalt sollte, dank einer Rechtsschutzversicherung, kein großes Problem darstellen, ich gehe auch nicht davon aus, dass die Krankenkasse sämtliche Kosten sofort übernimmt, zu Beginn wird ja meistens ohnehin erst einmal alles katgeorisch abgelehnt was Geld kostet. Aber im Moment heißt es erst einmal noch abwarten ob es dazu überhaupt noch kommt 🙁

  • Guten Tag!

    Funktionierende mikroprozessorgesteuerte Prothesen gibt es bisher nur für den Verlust einer Hand, nicht aber für Finger. Man muss jetzt zuerst die Heilung abwarten. Häufig sind auch kurze Fingerstümpfe funktionell viel besser als passive Fingerprothesen wegen des noch vorhandenen Gefühls in den Fingerstümpfen. Es ist im Moment noch zu früh, um entscheiden zu können, ob eine Versorgung und welche dem Patienten am meisten dient.

    KD Dr.med. Thomas Böni
  • Die Firma Touch Bionics bietet eben auch die weltweit erste elektronische Teilhandprothese an, das heißt man kann mit der ilimb Digits Prothese auch zwischen 1-5 Fingern ersetzen. Allerdings ist es vollkommen richtig was Sie schreiben, es ist zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh um zu entscheiden, was für eine Prothese es letztlich werden soll (und was überhaupt ersetzt wird - wir hoffen natürlich, dass soviel es geht erhalten bleibt, was allerdings zunehmend schlechter aussieht).

    Nach einem Telefonat heute morgen ist allerdings klar, dass in den nächsten Tagen wohl schon amputiert wird. Erst bei der Operation wird sich entscheiden was zunächst erhalten bleibt.

    Wie immer danke ich für jeden Beitrag zum Thema!
  • Es wäre nett wenn ein Admin das Thema schließen würde, mein lieber Papa ist gestern Abend verstorben. Danke an alle, die etwas zum Thema beigetragen haben.
  • lieber matthias

    ich möchte dir mein mitgefühl aussprechen.

    dir und deiner familie wünsche ich ganz viel kraft!

    herzliche grüße
    rosi
  • DrThomasBöni hat geschrieben:
    Funktionierende mikroprozessorgesteuerte Prothesen gibt es bisher nur für den Verlust einer Hand, nicht aber für Finger.


    Das Ding hier ist inzwischen bereits 3 Jahre alt:

    http://www.touchbionics.com/products/active-prostheses/i-limb-digits/



  • Herzliches Beileid!
  • Lieber MatthiasH,

    auch die MyHandicap-Redaktion möchte ihr herzliches Beileid aussprechen!

    Dieser Thread wird hiermit geschlossen.

    Lieben Gruß,

    Tom
    MyHandicap
Diese Diskussion wurde geschlossen.