Fristlose Kündigung wegen Nichtabgabe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Sehr geehrte Damen und Herren,
am 14.05. diesen Jahres hatte ich eine nicht nervenschonende Prostataoperation. Seitdem bin ich "krank geschrieben". Es folgte eine 4 - wöchige Reha und eine Bestrahlung ( 36 Sitzungen). Die letzte Bestrahlung ist nun 2 Wochen her. Mit den Nebenwirkungen (Fategue, Kopfschmerzen, Stuhlgangprobleme) habe ich immer noch stark zu kämpfen.
Gestern erhielt ich überraschend eine "fristlose Kündigung" meines Arbeitgebers mit der Begründung, ich habe keine AU vorgelegt, und sei somit unentschuldigt der Arbeit fern geblieben. Dies stimmt natürlich nicht. Nach 6 Wochen ist eine Vorlage der AU-Bescheinigung beim Arbeitgeber nicht mehr erforderlich, wie (fast) jeder weiß. Dies teilte ich ihm auch mit. Ist die Angelegenheit damit erledigt, oder bin ich zu weiteren Handlungen verpflichtet.
Ich bin "erst" 50 Jahre alt und habe keine Lust , mich aus dem Arbeitsverhältnis mobben zu lassen.
Ihrer dahingehenden Nachricht entgegensehend verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Pitti

Antworten

  • Hallo Pitti o177

    meines Wissens ist es so, daß man auch nach sechwöchiger Krankheit, wenn es der Arbeitgeber fordert, oder es im Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsvertrag geregelt ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen muß, auch wenn für den AG wegen dem Bezug von Krankengeld keine unmittelbaren Kosten entstehen. Eine fristlose Kündigung ist meines Erachtens nicht gerechtfertigt. Außerdem sollte vorher eine Abmahnung erfolgt sein. Mein Tipp. Nehme mit dem Betriebsrat oder einen Anwalt Kontakt auf, und versuche den Sachverhalt zu klären. Im schlimmsten Fall müßtest Du innerhalb von 3 Wochen ab Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreichen.

    LG Nobby
  • Hallo Pitti,

    hab dir mal was rausgesucht.

    Fallbeispiel: Welche Pflichten haben Arbeitnehmer?

    Frau Schulze ist seit zehn Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Nach der Entgeltfortzahlung hat sie weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, noch hat sie dem Arbeitgeber die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit angezeigt. Ihr Arbeitgeber Herr Groß ist darüber sehr erzürnt und droht mit Kündigung.

    Dieser Fall schildert eine häufige Fragestellung im Umgang mit dem Zeitraum nach der Entgeltfortzahlung. Hier sind Arbeitnehmer häufig der – irrigen – Ansicht, eine Mitteilung der voraussichtlichen Dauer der weiteren Erkrankung sowie eine Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an den Arbeitgeber erübrigten sich, da sie ja nun Krankengeld von der Krankenkasse erhalten. Dies ist jedoch nicht richtig.

    Arbeitnehmer sind auch nach der Entgeltfortzahlung verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die voraussichtliche Dauer der Erkrankung anzuzeigen und müssen auch im Krankengeldbezug fortgesetzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegen, schon alleine um ihre Nichtanwesenheit am Arbeitsplatz zu belegen. Ansonsten drohen Abmahnung oder Kündigung.

    Martin Hassel (aus dem Arbeitsrecht)

    Fachanwaltstipp Arbeitgeber: Wenn ein Arbeitnehmer seine Meldepflichten verletzt, können Sie Ihn hierfür abmahnen. Eine Kündigung kommt nur bei wiederholten schwerwiegenden Vertragsverletzungen ernsthaft in Betracht, wenn zudem (mehrmals) abgemahnt wurde.


    Ein Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Berlin
    Fachanwalt für Arbeitsrecht

    Hoffe es hilft einwenig.
    LG Marry
  • Hi Pitti

    Nobby und Marry haben es ja schon geschrieben. Nach Ablauf der 6 Wochen muss der AG informiert werden wie es vorraussichtlich weitergeht. Das Ganze stützt sich auf ein Landgerichtsurteil:

    Arbeitsgericht Frankfurt am Main,
    Az.: 5 Ca 6031/01, verkündet am 19.03.2002 hat geschrieben:
    "Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Arbeitnehmer auch nach Ablauf der 6-wöchigen Entgeltfortzahlungspflicht verpflichtet, dem Arbeitgeber bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 - 4 EFZG eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, wobei eine derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend den gesetzlichen Anforderungen Angaben über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu enthalten hat. Denn die Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 - 4 EFZG unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch geltend machen kann. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 5 EFZG, der keine Ausnahme vorsieht, als auch aus Sinn und Zweck der Regelung. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat nicht nur den Zweck, die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Attest nachzuweisen. Sie soll vielmehr den Arbeitgeber auf Grund der ärztlichen Angaben über die voraussichtliche (Fort-) Dauer der Arbeitsunfähigkeit auch in die Lage versetzen, möglichst frühzeitig die wegen des fortgesetzten Ausfalls des Arbeitnehmers notwendig werdenden betrieblichen Dispositionen treffen zu können (vgl. LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.04.1996, 3 Sa 449/95, &'2-A 97, S. 772).


    Das Landesgerichtsurteil Sachsen Anhalt gibt es hier:

    http://www.schulz-voss.de/index.php?option=com_content&view=article&id=280:arbeitsunfaehigkeitsbescheinigung-nach-6-woechiger-entgeldfortzahlungszeit-lag-sachsen-az-3-sa-44995-abs-1-satz-2-4-efzg-&catid=41:arbeitsrecht&Itemid=49

    Interessant für dich ist da die Begründung. Aus der geht hervor, dass eine fristlose Kündigung deshalb nicht möglich ist. Du schreibts du hast die fristlose Kündigung erhalten in "". Spätestens wenn sie schriftlich vorliegt hast du nur 3 Wochen Zeit für eine Kündigungschutzklage.

    gute Besserung

    Klaus
  • Vielen Dank für Eure Tips.

    Das Ende meine Arbeitsunfähigkeit ist noch nicht abzusehen. Dies teilte ich meinem Arbeitgeber auch mit.
    Die Aussage meiner Hausärztin, dass keine AU - Bescheinigung an den AG zu senden ist , begründet sie mit § 295 SGB 5, wonach die Krankenkasse den AU - Bericht erhält. Dort kann der AG Auskunft über die Dauer erhalten.

    Vielen Dank nochmals.....
  • Wollt noch mitteilen, dass ich wegen meiner Erkrankung natürlich auch nen Schwerbehindertenausweis mit einem GdB 80 besitze. Alleine dadurch hat man doch besonderen Kündigungsschutz, oder sehe ich das falsch ????????????
    🥺

  • Ja, Schwwerbehinderte haben einen besonderen Kündigungsschutz. 6 Monate nach Einstellung. Aber des ändert natürlich nichts an den Pflichten bezogen auf die Meldung der AU. (Wie auch immer die nun sein mögen)
    Wann wurde die Schwerbehinderung festgestellt und ist sie von Dir dem Arbeitsgeber umgehend mitgeteilt worden?
    Deine Mitteilung an den Arbeitgeber, dass Du die AU nicht vorlegen musst, ändert nicht automatisch die Kündigung. Ich würde nachfragen. Freundlich und sachlich.

  • Hallo Pitti,

    zunächst einmal herzlich willkommen in unserer Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast.

    Meiner Einschätzung nach möchte Dein Arbeitgeber Dich loswerden. Andernfalls hätte er Dich lediglich abgemahnt. Durch die Nicht-Vorlage der AU-Bescheinigung hast Du ihm hierfür eine schöne Vorlage geliefert.

    Die Zeichen stehen also auf Rechtsstreit. Daher würde ich Dir empfehlen, in Deiner Nähe einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen, der Dich auch praktisch unterstützen kann.

    Wenn wir Dich noch in irgendeiner Form unterstützen können, zögere bitte nicht, uns dies wissen zu lassen.
  • Als Schwerbehinderter hat du einen besonderen Kündigungsschutz, der nützt dir aber nichts bei personen-, (verhaltens-) bedingter Kündigung. Es hängt jetzt eben davon ab wie der zeitliche Ablauf bzw. die Kommunikation mit dem AG war. Nach Ablauf der 6 Wochen hast du ja erstmal einen Krankengeldantrag gestellt und dabei muss der AG soweit mir bekannt ein Formular der KK (Gehalt)für die Berechnung des Krankengeld ausfüllen. Aber das dauert ja seine Zeit. Ich bin ja juristischer Laie. Aber ich sehe es so, dass du direkt nach den 6 Wochen eine Bringschuld hast. Bichts tun ist ganz schlecht.
    In dem Urteil des Landgerichts wurde deshalb ja auch die Abmahnung als rechtsgültig anerkannt. Wie dem auch sei - ohne Abmahnung oder zumindest der deutlichen Aufforderung irgendeine Bescheinigung beizubringen sollte ein Kündigung nicht möglich sein - eine fristlose schon gar nicht. Aber das entscheiden dann die Gerichte und soweit würde ich es gar nicht kommen lassen.
    Besorge dir die Auszahlungsscheine der KK, sprech mit dem AG. Wenn dir die fristlose Kündigung schon vorliegt, dann ganz schnell ab zu einem Anwalt.

    Klaus

    Justin war schneller 😛
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