Akzeptieren oder aufgeben?

Hallo

Ich hatte gestern abend eine sehr spannende Disskusion mit befreundeten Physiotherapeuten (ich ich) die ich zu euch tragen möchte da wir uns gestern nicht "einen" konnten.
Es ging darum ob man bei einer unfallbedingten Querschnittlähmung (egal ob inkomplett oder komplett) besser akzeptieren sollte, dass es nie wieder "heilt" oder dass man immer weiterhoffen soll.

Pro: Einige fanden, dass man unbedingt weiterhoffen solle, egal wie schlecht die prognose ist, denn es gibt ja immer wieder Fälle, die dann doch wieder fast vollständig genesen. Azkeptieren war für sie eigentlich aufgeben und das würden sie ihren patienten niemals raten.

Contra: Andere fanden man müsse realistisch bleiben denn irgendwann komme der Punkt wo man nach vorne sehen muss und sein leben als querschnittgelähmter akzeptieren muss. Schlimmer ist es wenn eines tages die erkenntniss einschlägt , dass es sich niemals verändern wird und das sei viel schlimmer als wenn man es gleich zu beginn einsehen würde.

Ich selbst gehöre eher zur zweiten gruppe. ich kenne diesen Einschlag wo mir klar wurde, dass ich für immer im rollstuhl sitze und dass ich *verdammtnochmal* endlich damit klarkommen muss. Das war sehr schwer für mich.
Aber der erste Gedanke (pro) gefällt mir trotzdem besser. Als Physiotherapeut motiviere ich meine patienen immer, aber querschnittgelähmte kann ich nicht behandeln, das geht mir zu nahe. Ich komme aber sehr gut mit meinem rollstuhl zurecht und bin zufrieden mt meinem leben.

Was meint ihr`?

Grüsse
Haagen

Antworten

  • hallo Haagen

    ich betreue einen CO gelähmten und teilbeatmeten Patienten. Wir haben mit ihm auch eine ähnliche Diskussion geführt. Er gehört zu beiden... Pro und Contra!
    Als wir ihn vor 3 Jahren übernommen hatten, konnte er nichts bewegen. Mittlerweile bewegt er suffizint den re. Arm und das li. Bein. Dies nur ein kleiner Teil von dem was er zwischenzeitlich wieder kann. Klar ist...das er nach jetzigem ermessen nie wieder laufen wird. Unklar ist welche Fortschritte er weiter machen wird. In welcher Form sein "hoffen".. neben den therapeutischen Massnahmen dazu beiträgt, kann man nur erahnen. Soll oder kann man "akzeptieren und hoffen" trennen? Wie wird gesagt? Glaube / Hoffnung kann Berge versetzen. Ich würde es dahingehend abändern in wer sich nicht "hängen lässt" kommt weiter.. ! Nur was ist "weiter" gehen können, mehr bewegen können?? Das muss jeder Patient für sich selbst einordnen. So sehe ich das als Pflegefachkraft. Bin mal gespannt was "Betroffene" dazu meinen, die nicht zwingen aus dem med. Bereich kommen so wie du.

    LG Thomas
  • Hallo zusammen,

    bei diesem Thread handelt es sich um eine sehr interessante Grundsatzdiskussion. Ich bin auf die Beteiligung der Community gespannt 😀

  • Ich denke man muß bestimmte Dinge akzeptieren um nicht aufzugeben, das heißt nicht, dass man bestimmte Umstände daraus auch akzeptieren muß.

    Ein Beispiel: Ich akzeptiere das ich nicht mehr ganz so schnell bin, dass ich gewisse Einschränkungen habe. Ich akzeptiere aber nicht, dass diese Einschränkungen mein Leben so beeinflussen, dass ich darunter leiden muß. Also versuche ich an den Umständen zu arbeiten, z.B. körperlich fit zu sein, Dinge die mir schwer fallen immer wieder zu machen bis es eben besser klappt.
    Aufgeben, nein das ist die schlechteste Option und den Umstand zu akzeptieren, das es so ist wie es ist, das ist der Punkt wo man sich aufgegeben hat.

    LG Marry
  • Haagen hat geschrieben:
    Hallo

    Ich hatte gestern abend eine sehr spannende Disskusion mit befreundeten Physiotherapeuten (ich ich) die ich zu euch tragen möchte da wir uns gestern nicht "einen" konnten.

    Es ging darum ob man bei einer unfallbedingten Querschnittlähmung (egal ob inkomplett oder komplett) besser akzeptieren sollte, dass es nie wieder "heilt" oder dass man immer weiterhoffen soll.

    Pro: Einige fanden, dass man unbedingt weiterhoffen solle, egal wie schlecht die prognose ist, denn es gibt ja immer wieder Fälle, die dann doch wieder fast vollständig genesen. Azkeptieren war für sie eigentlich aufgeben und das würden sie ihren patienten niemals raten.

    Contra: Andere fanden man müsse realistisch bleiben denn irgendwann komme der Punkt wo man nach vorne sehen muss und sein leben als querschnittgelähmter akzeptieren muss. Schlimmer ist es wenn eines tages die erkenntniss einschlägt , dass es sich niemals verändern wird und das sei viel schlimmer als wenn man es gleich zu beginn einsehen würde.

    Ich selbst gehöre eher zur zweiten gruppe. ich kenne diesen Einschlag wo mir klar wurde, dass ich für immer im rollstuhl sitze und dass ich *verdammtnochmal* endlich damit klarkommen muss. Das war sehr schwer für mich.
    Aber der erste Gedanke (pro) gefällt mir trotzdem besser. Als Physiotherapeut motiviere ich meine patienen immer, aber querschnittgelähmte kann ich nicht behandeln, das geht mir zu nahe. Ich komme aber sehr gut mit meinem rollstuhl zurecht und bin zufrieden mt meinem leben.

    Was meint ihr`?

    Grüsse
    Haagen

    hallo hagen

    es ist mir nicht ganz klar wessen meinungen dich in diesem fall interessieren

    - von querschnittsgelähmten?

    - von menschen die auch aus anderen gründen im rolli sitzen?

    - oder auch von anderweitig gehandicapten personen?


    lg rosi
  • hallo fories!
    Will doch auch mal meinen Senf dazugeben.

    Ich hatte vor 2 Jahren, am 23.12., einen Schlaganfall, seither bin ich dabei, mein Leben neu zu ordnen.
    leider muß ich akzeptieren, das mein Leben jetzt ein anderes ist aber ich versuche, das beste daraus zu machen. ich bin leider seitdem auf den e-rollstuhl angewiesen und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern aber das ist etwas, was schwer zu akzeptieren ist. aber ich sage mir, durch den rolli bin ich zumindest etwas aktiver und vieles andere kann ja vielleicht auch wieder klappen.

    mein wahlspruch seither: nichts muß, alles kann.

    in diesem sinne noch einen schönen abend
    petra der saegenerv
  • saegenerv hat geschrieben:
    hallo fories!
    Will doch auch mal meinen Senf dazugeben.

    Ich hatte vor 2 Jahren, am 23.12., einen Schlaganfall, seither bin ich dabei, mein Leben neu zu ordnen.
    leider muß ich akzeptieren, das mein Leben jetzt ein anderes ist aber ich versuche, das beste daraus zu machen. ich bin leider seitdem auf den e-rollstuhl angewiesen und das wird sich wohl auch nicht mehr ändern aber das ist etwas, was schwer zu akzeptieren ist. aber ich sage mir, durch den rolli bin ich zumindest etwas aktiver und vieles andere kann ja vielleicht auch wieder klappen.

    mein wahlspruch seither: nichts muß, alles kann.

    in diesem sinne noch einen schönen abend
    petra der saegenerv


    Hallo Petra
    Dein Wahlspruch gefählt mir "nichts muss, alles kann."
    Ich weiss nicht wie es andern geht. Aber mir selber geht es zumindestens so das an gewiessen Tagen was geht und dann wenn man denkt das kann ich endlich geht es plötzlich wieder nicht.
    Lg Blitz
  • Hallo,

    ich würde mich gerne an dieser Diskussion beteiligen, doch habe ich schon eine ´gewisse Schwierigkeit mit der "absouten" Fragestellung, denn:

    Hat Jemand etwa aufgegeben, wenn er/sie sich sein/ihr Leben an die "neuen " Umstände
    anzupassen versucht ?

    Für mich hieße das, dass ein Leben als Behinderter weniger (oder gar nicht ?) lebenswerter sei, als ein Leben ohne Behinderung.

    Es gibt viele Betroffene, die hat es ganz sicher heftiger erwischt als mich, aber seit ich im Rolli sitze, bemerke ich , dass meine Mitmenschen mich als Mitmensch wahr nehmen.
    In meinem Fall kann ich sagen, dass mein Handicap ein Plus für mich und meine Umwelt ist.

    Vielleicht liegt es auch daran, wie man sich selbst und Anderen gegenüber damit umgeht.
    Wenn das Leben plötzlich anders ist, ist es deswegen gleich schlechter ?
    Lieben Gruß
    Tom
  • Lieber Haagen,

    du hast da eine sehr interessante Frage gestellt; ich habe ziemlich viel darüber nachgedacht und mag das sehr gern, wenn ich mich gefordert fühle.
    Also erstmal vielen Dank für das Anregen meiner grauen Zellen!

    Nun aber zum Thema:
    Eigentlich neige ich dazu, zu sagen:
    Beides ist wichtig; das Akzeptieren UND das Hoffen.
    Darauf komme ich auch gleich zurück.

    Deine Frage verstehe ich allerdings eher so, ob das Akzeptieren mit einem Aufgeben gleichzusetzen ist.
    Das ist es meiner Meinung nach eindeutig NICHT.

    Es ist eigentlich immer mal wieder im Leben so, dass man mit Situationen konfrontiert wird, die man sich so, wie sie sich darstellen, nicht gewünscht hat und damit klar kommen muss.
    *Eine schwere Erkrankung; der Eintritt einer Behinderung
    *Verlust des Arbeitsplatzes
    *Tod eines geliebten Menschen
    *Man wird vom Partner verlassen
    *Man vergeigt zum zweiten (und unwiderruflich letzten) Mal eine wichtige Prüfung ohne Wiederholungschance

    Man hat das nicht so haben wollen; nun ist es geschehen, man steht vor einem Berg Scherben und soll damit klar kommen.

    Sich NICHT abfinden, sich NICHT damit arrangieren, würde bedeuten, im Prinzip immer einer Situation hinterherzutrauern, die wahrscheinlich nie mehr so, wie gewünscht, eintreten wird / kann.
    Das wären dann die Leute, die nach dem Motto leben: „Wenn ich NUR eine schönere Nase (den richtigen Partner / mehr Geld / den richtigen Schulabschluss / keine Behinderung...) hätte, dann, ja, DANN wäre alles gut und ich wäre glücklich.“
    Jeder weiß, dass das so nicht funktioniert; nicht funktionieren KANN.
    Und jeder weiß auch, dass solch eine Einstellung nur dazu führt, dass man sein Leben nicht wirklich LEBT, sondern es sich im Prinzip vorbeiwünscht.

    Die einzige Chance, die wir haben, ist doch eigentlich, das anzunehmen, was man ist und hat; sich mit sich selbst zu arrangieren und „das Beste daraus zu machen“.
    Das ist tatsächlich das, was du mit „Akzeptieren“ bezeichnest.

    Für mich ist das gewissermaßen der ERSTE Schritt, um überhaupt den Weg gehen zu können.
    Aber- und das ist jetzt meine Frage: Wieso schließt das Akzeptieren denn das Hoffen aus?

    Die Forschung schreitet voran, ständig wird irgendetwas optimiert.
    Wieso sollte also nicht in 10 Jahren etwas heilbar oder linderbar sein, was heute (noch) nicht möglich ist?
    Man kann doch- und SOLLTE auch- eine Situation, die man akzeptiert hat und für „gut“ hält, noch verbessern!
    Man sollte aber (für seine eigene psychische Gesundheit!) eben NICHT aus den Augen verlieren, dass es vielleicht NICHT besser wird- und auch dann zufrieden sein können.
    Und trotzdem weiterhoffen.

    Eben BEIDES.

    Du schreibst:
    „Ich komme aber sehr gut mit meinem rollstuhl zurecht und bin zufrieden mt meinem leben.“
    DARAUF kommt es letztendlich doch an; das heißt doch, dass du dein Leben lebst und nicht in törichte Träumerei versinkst.
    Trotzdem hoffen schadet ja nichts, denn du BIST ja schon zufrieden!
    Diese Zufriedenheit solltest du dir auch unbedingt bewahren!


    Lieben Gruß
    syvyys
  • syvyys hat geschrieben:
    ....Sich NICHT abfinden, sich NICHT damit arrangieren, würde bedeuten, im Prinzip immer einer Situation hinterherzutrauern, die wahrscheinlich nie mehr so, wie gewünscht, eintreten wird / kann.
    ......

    Und jeder weiß auch, dass solch eine Einstellung nur dazu führt, dass man sein Leben nicht wirklich LEBT, sondern es sich im Prinzip vorbeiwünscht.

    Die einzige Chance, die wir haben, ist doch eigentlich, das anzunehmen, was man ist und hat; sich mit sich selbst zu arrangieren und „das Beste daraus zu machen“.
    Das ist tatsächlich das, was du mit „Akzeptieren“ bezeichnest.

    Für mich ist das gewissermaßen der ERSTE Schritt, um überhaupt den Weg gehen zu können.
    Aber- und das ist jetzt meine Frage: Wieso schließt das Akzeptieren denn das Hoffen aus?

    Die Forschung schreitet voran, ständig wird irgendetwas optimiert.
    Wieso sollte also nicht in 10 Jahren etwas heilbar oder linderbar sein, was heute (noch) nicht möglich ist?
    Man kann doch- und SOLLTE auch- eine Situation, die man akzeptiert hat und für „gut“ hält, noch verbessern!

    Man sollte aber (für seine eigene psychische Gesundheit!) eben NICHT aus den Augen verlieren, dass es vielleicht NICHT besser wird- und auch dann zufrieden sein können.
    Und trotzdem weiterhoffen.

    Eben BEIDES....

    liebe syvyys

    du hast (einmal wieder) einen wunderbaren beitrag geschrieben! 😉

    dieser bechreibt genau das - was auch ich empfinde und erhoffe!!!!!

    liebe grüße und einen schönen sonntag

    rosi

  • Hallo Hagen

    ich denke Mal der große Unterschied besteht darin, ob ein Mensch eine angeborene Schwerbehinderung hat, oder ob er sich diese durch Krankheit oder Uhnfall zugezogen hat. Der letztere Personenkreis hat sicher sehr große Probleme phycischer und physischer Art, mit der komplett neuen Situation fertig zu werden. Menschen, die eine angeborene Schwerbehinderung haben kennen es ja gar nicht anders. Diese Menschen können sich auch leichter mit Veränderungen ihres Gesundheitszustandes auseinandersetzen. Beide Personengruppen haben aber eins gemeinsam, mit dem Verhalten und Verständnis der lieben Mitmenschen die "nicht behindert" sind umzugehen.

    LG Nobby
Diese Diskussion wurde geschlossen.