Frage zur Rechtslage

Hallo!

Ich hätte da mal eine Frage; vielleicht kennt sich jemand aus...

Und zwar habe ich, wie viele, in meinem Behindertenausweis folgenden Satz stehen: "Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen." Ebenso habe ich ein H für Hilflos darin. Ich bin öfter allein unterwegs und wurde im Straßen- und Bahnverkehr bereits öfter angemacht, weil ich keine Begleitperson dabei hatte, oder mich nicht vorgemeldet, heißt, nicht die spezielle Bahn-Hotline angerufen habe. Habe eben trotz meiner Behinderung zuweilen einen recht großen Hang zur Spontanität - offensichtlich sehr zum Ärger mancher Leute... Deshalb meine Frage:

Hat man aus juristischer Sicht tatsächlich das Recht, mir vorzuhalten, ich hätte ohne Begleitperson nicht das Recht auf Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel?

Will mich halt absichern bzw. wissen, wer hier wirklich im Recht ist.

Danke!

Antworten

  • Hallo Geächtet,

    das ist eine interessante Sache. Das ist eines der Themen für das ich mich interessiere. Leider schreibst Du nicht was für eine Behinderung Du hast.

    Zuerst mal kurz zu mir: seit 18 Jahren sitze ich im Rollstuhl, habe einen Schwerbehindertenausweis mit Begleitung (aber ohne H). Auch ich reise spontan mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Bahn allermeistens ohne Begleitperson und habe noch nie die Mobilitätsservice-Zentrale der Bahn angerufen (14ct/Min.aus dem Festnetz, Tarife bei Mobilfunk max. 42 ct/Min; fragen teilweise Sachen die der Bahn nichts angeht und ich weiss nicht wie lang die die Daten speichern).

    Auch mir wurde gelegentlich vom Bahn-Personal gesagt, dass ich ohne Begleitperson und ohne vorher anzurufen nicht fahren darf. Trotz das ich auch ein Stotterer bin sage ich freundlich aber deutlich meine Meinung. Ich sage dann sinngemäss sowas:
    'Ich rufe aus prinzip nicht an. Das ist eh zu teuer. Ich will reisen wie ein nichtbehinderter, denn auch die müssen sich nicht anmelden. Ich kann nichts dafür, dass die Bahn nicht barrierefrei ist, nur die Bahn kann was dafür. Niemand kann mich zwingen eine Begleitperson mitzunehmen, ausserdem ist es sehr schwierig eine Begleitperson zu finden die dann Zeit hat wenn ich reise.'

    > Hat man aus juristischer Sicht tatsächlich das Recht, mir vorzuhalten, ich hätte
    > ohne Begleitperson nicht das Recht auf Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel?
    Das weiss ich definitiv nicht. Aber ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen. Das wäre ja echt krass und eine Bevormundung, und alles andere als eine Inklusion.
    Wenn das so wäre, dann würde ich auf die Barrikaden gehen und wahrscheinlich (so hoffe ich) viele Behinderte auch.

    Ich kenne aber das:

    Barrierefrei bedeutet gemäß Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), §4 Barrierefreiheit🙁
    "Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, usw. ...wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich u. nutzbar sind."

    Quelle: Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen:
    ( http://www.gesetze-im-internet.de/bgg/index.html )

    Bezogen auf einen Bahnhof bedeutet dies, dass der betroffene Personenkreis sowohl im Normalbetrieb als auch im Notfall den Bahnhof ohne fremde Hilfe nutzen können und im Notfall sich selbst retten können muss!

    Aber ich werde jemanden fragen der das wissen muss: Das ist der Alexander Drewes. Er ist selbst mehrfach Behindert bzw. chron. Krank (u.a. Blind), Jurist (Schwerpunkte: Straf- und Sozialrecht) und klinischer Psychologe und Behindertenbeauftragter der Fahrgastverband Pro Bahn ( http://www.pro-bahn.de ).

    Viele Grüsse
  • P.S.: Ich weiss nicht was der Smilie nach dem Wort "§4 Barrierefreiheit" zu suchen hat. Ich habs nicht hingemacht.
  • Hallo hellracer,geächtet und alle mit Begleitung

    Als ich meinen Ausweis bekam mit dem Merkzeichen „B“ bin ich nichteinmal ansatzweise auf die Idee gekommen, dass ich nicht mehr selbst entscheiden darf wann, wo und vor allem mit wem ich irgendwo hin will. Das wäre ja wie geächtet schrieb krass oder wie es so schön heißt – diese Freiheit nehme ich mir (und darf mir auch niemand nehmen)

    „also“

    Das Wort Notwendigkeit hat im sozialrechtlichen Zusammenhang eine etwas andere Bedeutung. Bsp verschreibt mir mein Doc einen Aktivrollstuhl anstatt einen Standardrolli muss er die Notwendigkeit der KK gegenüber begründen.Aber kein Amt, kein Richter, keine KK käme auf die Idee mir das Laufen zu verbieten, wenn ich es hinbekomme (was bei mir der Fall ist),

    Die Formulierung „Notwendigkeit der...“ ist ja ewig alt, war aber vom Gesetzgeber schon immer als Nachteilsausgleich gedacht. Sprich der Behinderte hat einen Vorteil, keinesfalls darf im daraus ein Nachteil entstehen (Bundesbehindertenbeauftragter).
    Allerdings gab es in der Vergangenheit und wohl auch heute noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten für den Behinderten wg. dem „B“. So auch bei mir recht aktuell mit dem AG..

    „aber“

    Gerade weil es nie beabsichtigt war, wurde am 12 Dezmber 2006 das entsprechende Gesetz geändert (SGB IX § 146). Darin wurde „dem modernen Verständnis von Behinderung und den (z. B. durch ein Mobilitätstraining) gewachsenen Fähigkeiten behinderter Menschen Rechnung getragen“. Das heißt die Formulierung „Gefahr für sich und andere“ wurde ersatzlos aus dem alten Gesetzestext gestrichen. Zudem wurde ausdrücklich hinzugefügt „Die Feststellung bedeutet nicht, dass die behinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder andere darstellt“ ( SGB IX §146 Abs,2, Satz 2) Das ist sehr selten und wohl an die Zweifler gerichtet.

    In den neue Ausweisen heißt es deshalb auch „Berechtigung der Begleitung..“, d.h der Behinderte hat das Recht selbst zu entscheiden, ob er alleine oder mit Begleitung unterwegs ist. Alte Ausweise können auf Antrag geändert werden.


    Wie gesagt alles andere wäre ja krass bzw. auf so eine Idee muss man erst mal kommen. Aktion Sorgenkind hat ja schon lange einen neuen Namen, zudem stehen wir nicht unter Vormundschaft, vom Allgemeinen Gelichstellungsgesetz mal abgesehen. Meist kommt dann aber das uns allen bekannte Totschlagargument "das hat versicherungsrechtliche Gründe". Allerdings konnte mir noch nie - nicht ein einziges Mal jemand eine ent. Versicherungsvorschrift zeigen. Wirklich 4 Wochen nach meinem Unfall 1978 habe ich das erstemal diesen Unsinn gehört, dmals aber auch noch auf eine gewisse Lernfähigkeit gehofft.


    Klaus-Uwe

    http://www.agsv-nordbayern.de/fileadmin/template/agsv-bayern/Downloads/Themen/Behinderung/Korrektur_beim_Merkzeichen_beschlossen.pdf

    http://www2.uni-jena.de/sbv/p-146-abs-2.htm



  • Hallo!

    Als ich die Frage gelesen habe ist mir spontan:"Das ist wieder mal Typisch!" durch den Kopf gegangen!

    Mir passieren solche Ansprachen oder Hinweise meist von Neueinsteigern im Bürokratenwesen wie ich das Nenne.

    Ich glaube das ganze hat mit eigener Verantwortung zu tun.

    Wenn Du wieder Spontan unterwegs bist und Dich ein Gegenüber nach Einsicht Deines Behindertenausweises darauf anspricht bleib Ruhig und weise darauf hin das Du jederzeit irgendwohin fahren darfst und das B für Begleitung auch ausdrücken soll dem gegenüber besonders Achtsam mit Dir umzugehen.

    Mich hat mal ein Polizist angemacht als ich mit meinem Krankenfahrstuhl in der Fußgängerzonne war das ich dort nichts zu suchn habe weil ich auch noch gehen kann.
    Ich war mit Krücken die 5m zum Metzger gegangen um etwas zu kaufen.
    Als erstes habe ich darum gebeten nicht so aufgebracht zu reagieren weil ich ansonsten nicht folgen kann was gemeint ist!
    Er war darauf hin wie ausgewechselt.
    Dann habe ich in gefragt ob er möchte das andere bestimmen wann und wie weit er gehen kann und das er nur im Rollstuhl fahren darf obwohl es Dir gerade so gut geht ein paar Schritte zu wagen!
    Eine Antwort bekam ich nicht! Aber einen freundlichen Gruß bei meiner weiterfahrt.
    Viel Unwissenheit,Voreingenommenheit und Machtgelüste machen uns allen das Leben schwer und bedarf viel Geduld und Nerven.
    Heute komme ich ganz gut zurecht aber es war ein schwerer Weg dahin.
    Den Wünsche ich Euch allen zu gehen weil ihr es Wert seid.
    LG
    SENDRINE 😛
  • Hallo Geächtet,

    Das was Klaus sagt ist schon seit 1.4.2007 so geregelt, nur in meinem Ausweis ist die alte Formulierung auch immer noch.
    Hab auch das Gefühl das ist noch nicht durchgedrungen.
    Aber die Frage wie es rechtlich ist, wenn was passiert und der Behi keine Begleitung mitgenommen hat, dann heißt es vermutlich man ist selber schuld.

    Man weiß auch nicht wie das mit dem H ausgelegt wird.

    LG

    Surfer
  • surfer hat geschrieben:
    dann heißt es vermutlich man ist selber schuld.




    Natürlich bin ich selber schuld, wenn ich mit Krücken gehe und die Treppe runterfalle. Ich bin zwar behindert, aber erwachsen und geistig voll zurechnungsfähig, also auch für mich selbst verantworlich (wie jeder halbwegs Erwachsene auch). Da lege ich auch großen Wert darauf 😛
    Durch die Merkzeichen habe ich bestimmte Rechte aber keine Pflicht. So wurde es bei der Gesetzesinitiative ausdrücklich gesagt.

    Mit meinem "aG" darf ich auf Behindertenparkplätze parken, muss es aber nicht. Wenn ich dann mit dem Rolli zurückkomme und wie schon geschehen feststelle, dass zwischen den Autos nur 35 cm Platz ist, darf ich natürlich auch nicht jammern. Aber mich an die eigene Nase fassen.

    Anderes Bsp. Baggersee, langsam wird es ja wieder warm. Dort ist eine steile Böschung, die ist so steil, dass Mountain-Bike Fahrer absteigen. Ich komme oben mit dem Rolli an, peile die Lage und rodele runter. Sicher bin ich vorwärts, rückwärts, seitlich, schon in allen Richtungen aus der Schüssel gefallen, aber das ist meine Entscheidung und somit mein Risiko. Das Gleiche gilt, wenn ich rausschwimme und sei es Kälte, Spasmus oder einfach nur zu weit und absaufe - eigene Dummheit.

    Ärgerlich war es mal in einem Reisebüro. Aus einem Stapel Flyer habe ich mir ein Last-Minute Angebot rausgesucht. Die Verkäuferin hat dann im Katalog das Original Angebot nachgeschaut und meinte es steht ausdrücklich dabei "Das Hotel ist für Gehbehinderte nicht geeignet". Dass Sie mich, wenn ich mit Krücken wie Pic 7 vor ihr stehe, daraufhinweisen muss ist klar. Aber wenn ich sage - was ich getan habe "Ja die Steilküste habe ich gesehen, aber ich will ja keinen Faulenzer Urlaub machen und, auch wenn es nicht so aussieht, mit Treppen komme ich ganz gut klar". Dann ist es meine Verantwortung und das Reisebüro ist haftungsrechtlich außen vor.

    War allerdings nichts zu machen - eine halbe Stunde habe ich aus die Frau eingeredet, ich hätte es ihr auch schriftlich gegeben. Ziemlich frustriert bin ich gegangen - ich habe mir dann im I-Net ein Flugticket gekauft und bin ohne Reservierung als "walk-in-Gast" im Hotel eingelaufen. Der thailändische Hotelier hat mich natürlich auf die Örtlichkeiten hingewiesen, aber nach einen "no problem" war die Sache erledigt. Komischerweise ausschließlich deutsche Gäste haben mich selbst nach einer Woche noch gefragt "Sie wollen doch da nicht runter gehen". Machte ich schon die ganze Woche dreimal am Tag. Also wirklich diese Haftungsmentalität, dass immer irgendwer verantwortlich gemacht werden kann, außer man selbst, ist mir fremd.

    Zu meiner Querschnitlähmung (Halswirbebruch) bin ich an einem Baggersee -mit Eintritt- gekommen, also typischer Badeunfall. Aber in den 32 Jahren habe ich noch nie gesagt der Unfall ist passiert. Ich sage immer ich bin in Baggersee gesprungen, das ist ganz was anderes. Fehler passieren nicht, Fehler werden gemacht. Wie gesagt bei mir nicht nur eigene Dummheit, sondern selber Schuld. Absicht war es aber keine 😛

    Klaus,
    der mit dem aG, B und H im Ausweis
  • Hallo Geächtet,

    zunächst einmal herzlich willkommen in der Community! Schön, dass Du MyHandicap gefunden hast 😀

    Du hast aus der Community schon einige gute Hinweise erhalten (vielen Dank dafür, Leute 😀 ).

    Wenn Dein Anliegen geklärt ist, sei bitte so lieb und setze die Bewertung oberhalb des Threads auf 100%. 😀
    So hilfst Du uns, eine bessere Übersicht zu behalten, wo noch Unterstützung benötigt wird.

    Bei weiteren Fragen wende Dich gern jederzeit wieder an mich oder meine Kollegen oder die Community! Wir alle hier freuen uns, wenn wir helfen dürfen 😀
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