Dürfen die Diagnosen der geistigbehinderten Personen öffentlich genannt werden?

Ich bin Hörfunkautorin und Filmemacherin.
Vor kurzem habe ich einen Film über zwei geistigbehinderten Menschen gemacht. Nun möchte die Redakteurin die genauen Diagnosen dieser Menschen erfahren. Mich hat das nie interessiert und das ist auch nicht das Thema meines Features. Mich interessieren die Menschen und das Menschliche! Deshalb möchte etwas über die Rechtlage erfahren.
Dürfen die Diagnosen der geistigbehinderten Personen öffentlich genannt werden? Wie ist die Rechtlage und wie ist der Stand der gesellschaftlichen Diskussion zu diesem Thema?

Antworten

  • Hallo Autorin,

    ich verstehe nicht, warum die Redakteurin eine genaue Diagnose der Menschen erfahren möchte. Ich an deiner Stelle würde keine Diagnosen weitergeben. Also schon allein rein menschlich betrachtet.

    Ich kann mir ganz ehrlich auch nicht vorstellen, dass die Rechtslage dies zulässt, ohne dass du dir die Erlaubnis dafür von den jeweiligen Personen eingeholt hast.

    Im Fall deiner zwei porträtierten Menschen sind eventuell auch die Eltern, bzw jene Personen, die als gesetzliche Verantwortliche für diese zwei Personen gelten, zu fragen.

    Dies ist aber nur eine Vermutung von mir.

    Ich leite deine Frage an einen unserer Fachexperten weiter und hoffe, dass er dir helfen kann.
    Bitte hab mit seiner Antwort Geduld.

    Ich wünsch dir viel Erfolg mit deinem Film und schick dir liebe Grüße
    Michaela
  • Herzlichen Dank!

  • Michaela_MyHandicap hat geschrieben:
    ich verstehe nicht, warum die Redakteurin eine genaue Diagnose der Menschen erfahren möchte. Ich an deiner Stelle würde keine Diagnosen weitergeben. Also schon allein rein menschlich betrachtet.

    Ich kann mir ganz ehrlich auch nicht vorstellen, dass die Rechtslage dies zulässt, ohne dass du dir die Erlaubnis dafür von den jeweiligen Personen eingeholt hast...

    Liebe Autorin

    auch ich halte es für sehr bedenklich und rechtlich fragwürdig, Diagnosen weiterzugeben.

    Viele Grüße

    vory

  • Sehr geehrtes MyHandicap-Mitglied,


    ich nehme Bezug auf ihren oben eingestellten Forumsbeitrag und möchte zu der von Ihnen gestellten Frage wie folgt Stellung nehmen:

    Eine Schweigepflicht über die Patientenunterlagen, wie sie beispielsweise § 203 Strafgesetzbuch (StGB) vorsieht und damit sogar strafrechtlich geahndet werden kann, liegt in Ihrem geschilderten Fall nicht vor. Wem nach dieser Vorschrift ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis anvertraut worden ist und wer dieses offenbart, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Allerdings sind in § 203 StGB enumerativ bestimmte Berufsgruppen aufgelistet, die zum möglichen Täterkreis der Norm gehören. Man muss also berufsbedingt mit dem Geheimnis in Kontakt kommen, es muss jemandem anvertraut sein und man muss es offenbaren. Als Ärztin, Psychologin oder Rechtsanwältin würde diese Schweigepflicht auch für sie gelten. Dementsprechend ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt, welches in Deutschland Verfassungsrang hat. Daher obliegt es der Selbstbestimmung des Patienten, ob seine Patientenunterlagen oder Diagnosen veröffentlicht werden. Nur der Patient kann die Entscheidung treffen.

    In Ihrem geschilderten Fall geht es um zwei geistig behinderte Menschen, so dass man zudem die Frage stellen muss, ob diese unter Betreuung stehen. Gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist der Betreuer der gesetzliche Vertreter in den eingerichteten Aufgabenkreisen. Er unterliegt nicht der Schweigepflicht des § 203 StGB und kann sich auch nicht auf Zeugnisverweigerungsrechte berufen. Eine grobe Orientierung für die Kompetenzen des Betreuers gibt § 1901 Abs. 2 BGB, in dem es heißt:

    „ Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuen gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.“

    Grundsätzlich gilt also, dass der Betreuer zum Wohle des Betreuten handelt und sofern möglich, in Absprache mit ihm Entscheidungen trifft. Inwiefern das für einen geistig behinderten Menschen gilt und dieser die Fähigkeit hat, seinem Willen Ausdruck zu verleihen, ist einzelfallabhängig und kann ohne nähere Angaben zu den betreffenden Personen nicht eindeutig entschieden werden. Je nach dem, ob eine Total- oder eine Teilbetreuung angeordnet ist, kann der Betreuer möglicherweise noch nicht einmal Entscheidungsbefugnisse hinsichtlich der Veröffentlichung der Patientenunterlagen haben. Außerdem müsste diese auch noch zum Wohle des Patienten geschehen, was argumentativ wohl nur erschwert nachgewiesen werden kann.

    Wichtig ist dabei, den Willen des Betreuten und zugleich sein Wohl im Blick zu haben und entsprechend zu handeln. Ein sensibler und vorsichtiger Umgang mit Patientenunterlagen ist ohnehin angebracht, wohingegen im Falle einer Betreuung genau geprüft werden muss, ob eine etwaige Veröffentlichung auch im Sinne des Patienten liegt. Mangels genauerer Informationen kann die aufgeworfene Frage leider nur allgemein beantwortet werden.

    Dies ist nur eine kurze Einschätzung der Sach- und Rechtslage. Sie sollten sich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung setzen, damit dieser sich einen genauen Überblick über die Sachlage verschaffen kann und Ihnen so eine bestmögliche Beratung gewährleisten kann. Wir können Ihnen leider nicht mehr Informationen mitteilen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Teßmer
    Rechtsanwalt

    JANSSEN + MALUGA LEGAL
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