Hallo - Bin neu hier und tue mich schwer damit einen Gehstock zu benutzen

Hallo an alle.
Habe mich eben hier angemeldet, weil ich hoffe, hier vielleicht auf Gleichgesinnte zu treffen oder Antworten auf meine Fragen zu erhalten.
Ich bin gerade 48 geworden (weiblich) und eher der jung gebliebene jugendliche Typ Frau.
Nun habe ich mir vor einiger Zeit schon einen sehr komplizierten Fußbruch zugezogen, der einfach nicht völlig schmerzfrei ausheilen will. (Wochenlanger Gips, Krücken) Röntgenbild ist einwandfrei, aber ich kann einfach nicht schmerzfrei gehen. Da es aber ganz wichtig ist, den Fuß/den Knochen wieder zu belasten, benutze ich nun einen Gehstock mit anatomischen Fischergriff, was absolut gut funkioniert und mir ein relativ erträgliches Gehen ermöglicht. Der Stock ist sehr leicht und nicht so sperrig wie eine Krücke und schont ja auch weniger als die Krücke.
Aber: Kennt Ihr das aus, dass andere Menschen auf Krücken ganz anders reagieren als wenn man einen Stock benutzt? Bei Krücken denkt jeder, ach, Sportunfall oder ähnliches, bald wieder fitt. Hingegen beim Stock habe ich in der letzten Woche verlegene Blicke (ach, die arme Frau) gespürt und ein ganz anderes Umgehen damit.
Und irgendwie fühle ich mich selber als "alte Frau" damit obwohl es mir das Benützen des Stockes eine so große Erleichterung ist.

Kennt dies jemand von Euch?

Viele liebe Grüße & Danke für Eure Antworten

Die Sansibarin

Antworten

  • Liebe Sansibarin,

    ich bin auch viele Jahre mit Fischerstock und Krücken rum gelaufen, bevor ich einen Rollstuhl brauchte. Ich verstehe die Gefühle die Du damit verbindest. Doch bin ich mir sicher das die Menschen die gucken keines wegs Mitleid im Sinn haben. Sie schauen nur aus Neugier, weil Du äußerlich anders bist als die anderen Menschen. Wenn jemand aus einer Menschenmenge durch sein Aussehen heraus sticht schauen wir alle hin, Du auch. Das ist völlig normal und hat nichts mit mitleidigen Blicken zu tun. Außerdem sieht man manchmal mehr Menschen gucken als es wirklich sind. 😉

    Ich hatte mal Besuch von einer Rollifahrerin und ihrer Tochter, die auch ständig darüber klagten, daß sie immer so blöd angeschaut wird. Wir waren auf Der Königsalle unterwegs als die Tochter sich darüber beschwerte das die Menschen ihre Mutter und mich pausenlos so merkwürdig guckten. Ich konnte dieses Empfinden absolut nicht bestätigen. Natürlich warf uns ab und zu jemand im Vorbeigehen einen neugierigen Blick zu, aber das war's dann auch schon.

    Was ich aber bestätigen kann ist ein komisches Gefühl wenn man plötzlich nicht mehr als Sportverletzter, sondern als Behinderter in der Öffentlichkeit auftreten muß. Das hatte ich sowohl bei den Fischerstöcken als auch mit dem Rolli. Man gewöhnt sich dran. Irgend wann gehört der Stock zu Dir und dann ist das Unwohlsein vorbei. Auch das Bekannte auf der Straße auf einen zugelaufen kommen und fragen, "geht es Dir wieder schlechter?" oder "wird es nicht besser?", ist nur für kurze Zeit, denn auch unsere Freunde und Bekannten gewöhnen sich schnell an das ungewohnte Bild und dann gehört der Stock genauso zu Dir, wie eine Brille. 😀

    Lieben Gruß
    Karin
  • Hallo Sansibarin,
    durch eine schlechte prothetische Versorgung vor Jahren entwickelte ich ein schlechtes Gangbild. Vor paar Jahren bekam ich auch einen Gehstock und das Gangbild war schon besser. Leider bin ich absolut nicht das beste Beispiel wie es richtig ist, denn ich benutze ihn im Prinzip nicht mehr. Erst lag es an der Arbeit wo er nur hinderlich war und dann hatte ich genau so ein Problem mit der Öffentlichkeit, ich kann einfach nicht damit umgehen wie die Leute einen hinterherschauen, komme mir noch behinderter vor und so laufe ich so gut ich kann ohne solche Hilfe.
    Ich weiß man sollte da erst an seine Gesundheit denken und dafür über seinen Schatten springen, aber das hab ich eben bis heute nicht geschafft.
    Also nimm dir kein Beispiel an mir und denke an dich und deine Gesundheit.

    Liebe Grüße Marry
  • Hallo Ihr Zwei,

    vielen Dank für Eure (schnellen) Antworten.

    Ja, es wird wohl ein Prozess werden, eine Entwicklung.

    Und es stimmt, Karin, man meint wohl, jeder schaut hin, aber so ist es vermutlich nicht. Und Du hast etwas schönes gesagt: Irgendwann wird der Stock zu mir gehören wie meine Brille. Das wird mein Ziel sein, denn er hilft mir ungemein und das ist für mich das Wichtigste.

    Ich kann aber sehr gut verstehen, Marry, dass Deine Entwicklung in eine andere Richtung gegangen ist.

    Ich werde jetzt mal sehen, was mit mir weiter passiert, also mit meinem Inneren. Zumindest habe ich mir heute einen Fischerstock in metallic blau bestellt, ist nicht ganz so trist wie schwarz.

    Ich danke Euch noch mal ganz herzlich und wünsche Euch alles Gute.

    Liebe Grüße

    Die Sansibarin


  • Hallo Sansibarin,

    viele von uns, die nicht mit einer behinderung geboren wurden bzw. bereits im kindesalter bekommen haben, mussten einen ähnlichen prozess - wie du ihn beschreibst - durchmachen.

    mir ging es auch so (inzwischen sitze ich im rollstuhl), dass ich zunächst ähnliche probleme hatte. doch ich habe es mir abgewöhnt, auf die reaktionen anderer menschen zu achten.

    ich drücke dir die daumen, dass es dir auch bald gelingen möge. 😉
  • sali sansibarin
    als ich damals nur noch mit krücken gehen konnte war das für mich unangenehm.aber nach dem zweiten mal umfallen(ohne krücken)und dabei haarscharf an einem beinbruch vorbeigegangen ging ich nie mehr ohne krücken aus dem haus.es gibt leute die schauen so oder so einem prüfend an.positive begegnungen überwiegen aber.so wird platz gemacht oder auch hilfe angeboten.die wahl der stockfarbe ist gut für dich,da nimmst du in mit freude zum gehen.
    -ps:lieber einen stock als eine gebrochene nase. 😃
  • Sansibarin hat geschrieben:
    Hallo Ihr Zwei,

    vielen Dank für Eure (schnellen) Antworten.

    Ja, es wird wohl ein Prozess werden, eine Entwicklung.

    Und es stimmt, Karin, man meint wohl, jeder schaut hin, aber so ist es vermutlich nicht. Und Du hast etwas schönes gesagt: Irgendwann wird der Stock zu mir gehören wie meine Brille. Das wird mein Ziel sein, denn er hilft mir ungemein und das ist für mich das Wichtigste.

    Ich kann aber sehr gut verstehen, Marry, dass Deine Entwicklung in eine andere Richtung gegangen ist.

    Ich werde jetzt mal sehen, was mit mir weiter passiert, also mit meinem Inneren. Zumindest habe ich mir heute einen Fischerstock in metallic blau bestellt, ist nicht ganz so trist wie schwarz.

    Ich danke Euch noch mal ganz herzlich und wünsche Euch alles Gute.

    Liebe Grüße

    Die Sansibarin


    Du schaffst das! Ganz bestimmt! 😉
  • Hallo sansibarin !

    ich versteh deine situation ( bin mitte 40) ist mir auch so gegangen nach meinem unfall
    hat einige zeit gedauert, bis ich mich an den stock gewöhnt habe, in der zwischenzeit sinds 2 stöcke geworden und auch ein rolli
    der vergleich von Karin mit der brille trifft den nagel auf den kopf 😆

    das mit der stockfarbe ist der richtige weg....gerade als jugendlicher typ frau sollte es ja kein problem sein, das 'accessoir' farblich mit abzustimmen...passiert ja mit brillen auch 😃 und farblich abstimmen tu ja sogar ich als mann ein wenig....

    alles gute auf dem 'entwicklungsweg'!

    LG

    Robert
  • Anstarren ist ein komplexes Thema. Ich trage zwischendurch auch immer wieder einen dunkelroten (absolut unuebersehbaren) Prothesenschaft und eine ebenso dunkelrot umgespritzte Prothesenhand dran, ein kurzaermliges Hemd - und also das Ding ist auch auf groesseren Abstand bereits als Kunstwerk, als Bauteil - und nicht als Imitationsversuch - erkennbar. Ich mache das schon laenger so. Der andere Schaft den ich habe ist dunkelbraun glaenzende Karbonfaser, auch nicht gerade versteckt.

    Eigenartigerweise werde ich ohne Prothese, oder mit dem hautfarbenen Schwabbel auf dem Arm, doch laenger und durchdringender angeglotzt - wogegen diese Art aeusserst aggressiver und signalfarbener Gestaltung keineswegs mehr zum Hinsehen anregt sondern andere eher informiert und sie ihre eigenen Gedanken verfolgen laesst. Ein Bekannter, der ebenfalls seine Armprothese zum Kunstwerk erklaert hat und mit verschiedenen Motiven bemalen liess, meinte aber, mein roter Arm sei an ausgedruecktem Selbstbewusstsein nicht zu ueberbieten, er selbst traut sich bis heute nicht, das auch durchzuziehen. Dabei wuerde man diesen Effekt, naemlich, dass Leute auf einmal gar nicht mehr so gaffen nicht denken. Man muss es zwingend ausprobieren - im echten Leben. Fotos, drueber lesen, nuetzt alles nichts. Ich kam eher zufaellig drauf, und war extrem ueberrascht, als mir sehr viele Leute entspannt lachend mitteilten wie schoen das jetzt *fuer sie selbst* sei, dieses unuebersehbare tiefe Rot, und wie viel besser es ihnen gehe. Was ich ja nie geglaubt haette. Ich wechsle ja immer wieder ab mit dem Aussehen dieser Prothesen und kein Design wollten alle meine Freundinnen und Freunde so oft wieder dabei haben wie dieser einfache dunkelrote Anstrich. Rudolf Steiner schrieb mal was ueber diese Farben und ueber Gefuehle im Rahmen zwischenmenschlicher Interaktionen, und so ist es offenbar so, dass Farben auch den Aufgeregtheitsgrad darstellen sollen. Wenn mich etwas stresst, soll ich rot oder gelb tragen - bin ich zu wenig gestresst und soll mich mehr anstrengen, sollte ich blau oder gruen anziehen. Das aber hat mir erst viel spaeter meine Schwester erzaehlt. Aber es gibt Dinge jenseits des Versteckens oder Verheimlichens, weit jenseits davon.

    Es scheint mir somit nicht nur am Stock zu liegen - wenn sogar ich es schaffe, mit einem halben dunkelroten Arm unter dem Radar das Gegaffes hier in der Schweiz in einem durchaus erscheinungsbesessenen Umfeld durchzusausen. Es geht um die Gesamterscheinung, und darum, was die vermittelt. Es geht auch darum, was Du in Deinem eigenen Ausdruck vermittelst. Vielleicht blickst Du ohne es zu merken jetzt dauernd etwas erschreckt herum, und Leute, die erschreckt herumschauen, die schaut man natuerlich auch einfach mehr an als solche, die souveraen ihr Ding drehen und ihren Geschaeften nachgehen.
  • Vielen Dank allen!

    Der bestellte Stock ist leider nicht metallic-blau, sondern dunkelblau und somit fast kaum zu unterscheiden von einem schwarzen Stock - nur bei näherem Hingucken.

    Dennoch habe ich auch durch Eure Antworten begriffen, dass der Weg das Ziel ist und so lerne ich jeden Tag Neues hinzu und werde jeden Tag ein bisschen mehr "eins" mit mir als einen Stock benutzende Frau und der Frau, die ich all die Jahre davor war - denn es ist und bleibt die Gleiche, nur körperlich nicht mehr ganz so mobil.

    Danke & liebe Grüße von der Sansibarin
  • Sansibarin hat geschrieben:
    Vielen Dank allen!

    Der bestellte Stock ist leider nicht metallic-blau, sondern dunkelblau und somit fast kaum zu unterscheiden von einem schwarzen Stock - nur bei näherem Hingucken.

    Dennoch habe ich auch durch Eure Antworten begriffen, dass der Weg das Ziel ist und so lerne ich jeden Tag Neues hinzu und werde jeden Tag ein bisschen mehr "eins" mit mir als einen Stock benutzende Frau und der Frau, die ich all die Jahre davor war - denn es ist und bleibt die Gleiche, nur körperlich nicht mehr ganz so mobil.

    Danke & liebe Grüße von der Sansibarin


    Stimmt genau! 😉
  • Hallo Sansibarin!
    Ich verstehe dich auch.. Ich trage kein Gehstock, aber bewege mich wie ein kleines Kind, das gehen lernt. Plus ich gehe mit Mama zusammen und unsere Parchen ist in Nachbarschaft bekannt. Leute sahen mich als ich noch sehr schnell gehen konnte, und jetzt alte Frauen fragen mich, was ist mir los. Das nervt mich und macht mich schamen.. 🙁
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