Einhand Küchengeräte

Hallo, ich bin neu hier. Mein Name ist Frieda und ich studiere in Hildesheim Produktdesign. Gerade arbeite ich an meiner Bachlorarbeit und habe mir selbst die Aufgabe gestellt, Einhandgeräte für die Küche zu entwickeln/ zu verbessern (Mein Onkel ist nach einem Schlaganfall linksseitig gelähmt). Ich habe schon diverse Foren durchkämpft, Kataloge durchforstet (Thomashilfen, Rehaforum medical u.ä.) Die machen allerdings immer nur Werbung für ihre eigenen Produkte. Klar, dass da keine Kritik drinsteht. Selbst ausprobieren kann ich sogenannte Fixierbretter leider auch nicht. Die sind ja schweineteuer die Dinger. Meine Selbstversuche, Gemüse mit Hilfe von Knie und Beinkraft zu fixieren sollten doch auch nicht die gängigsten Lösungen sein?
Meine Frage hier ist nun, wo ihr als Betroffene den meisten Handlungsbedarf seht, die Selbstständigkeit in der Küche zu erhöhen. Halten diese Fixierbretter, was sie versprechen oder bergen sie Verletzungsrisiken oder sind zu unhandlich? Putzt und schält man Gemüse besser aufgespießt mit Sparschälern oder sind auf dem Tisch fixierte Einhandschäler die sinnvollere Variante?
Vielleicht fallen euch auch noch weitere Schwierigkeiten ein. Ich würde mich über eure Mithilfe freuen
Frieda

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  • frieda hat geschrieben:
    Hallo, ich bin neu hier. Mein Name ist Frieda und ich studiere in Hildesheim Produktdesign. Gerade arbeite ich an meiner Bachlorarbeit und habe mir selbst die Aufgabe gestellt, Einhandgeräte für die Küche zu entwickeln/ zu verbessern (Mein Onkel ist nach einem Schlaganfall linksseitig gelähmt). Ich habe schon diverse Foren durchkämpft, Kataloge durchforstet (Thomashilfen, Rehaforum medical u.ä.) Die machen allerdings immer nur Werbung für ihre eigenen Produkte. Klar, dass da keine Kritik drinsteht. Selbst ausprobieren kann ich sogenannte Fixierbretter leider auch nicht. Die sind ja schweineteuer die Dinger. Meine Selbstversuche, Gemüse mit Hilfe von Knie und Beinkraft zu fixieren sollten doch auch nicht die gängigsten Lösungen sein?
    Meine Frage hier ist nun, wo ihr als Betroffene den meisten Handlungsbedarf seht, die Selbstständigkeit in der Küche zu erhöhen. Halten diese Fixierbretter, was sie versprechen oder bergen sie Verletzungsrisiken oder sind zu unhandlich? Putzt und schält man Gemüse besser aufgespießt mit Sparschälern oder sind auf dem Tisch fixierte Einhandschäler die sinnvollere Variante?
    Vielleicht fallen euch auch noch weitere Schwierigkeiten ein. Ich würde mich über eure Mithilfe freuen
    Frieda



    Zuerst hatte ich einen elektrischen Buechsenoeffner, an die Wand montiert. Das Ding hielt ein paar Monate. Da ich auf regen Paketverkehr keine Lust hatte, schmiss ich das Klump weg und kaufte einen normalen Buechsenoeffner. Das ist zwar sonst wirklich unpraktisch, aber ich kriege die Buechsen auf, und der Oeffner haelt.

    Fest verschlossene Glaeser ist ein Problem. Die Drehdeckel versuchte ich zuerst mit Gewalt oder Tricks zu oeffnen. Alles echter Bloedsinn. Inzwischen gehe ich damit in den Keller, bohre den Deckel an, SCHWUPP weg ist das Vakuum und ohne weiteren Schaden komme ich an die eingemachten Sachen.

    Brot schneiden ist auch ein Thema. Aber auf Dauer haelt man das Rickeracke der elektrischen Brotschneidedinger nicht aus, offenbar geht das Ding, was ich da habe, wegen Stumpfheit vor die Hunde. Also wie immer brav das Brotmesser schleifen, und umstaendlich kleinsaebeln - oder, was ich derzeit vor allem tue, Brot geschnitten kaufen.

    Beim Buegeln mag ich wegen der eh konstanten Ueberlastung kein schweres Buegeleisen. Mit Dampf aber buegelt sichs besser. Statt schwere Dampfbuegeleisen, die voll gern etwa 1,5 kg wiegen, ruhig eine Buegelstation mit separatem Wassertank kaufen, dann wiegt das Eisen selber gerade mal die Haelfte - und das Zeug steht in jedem Supermarkt rum.

    Auch eine wenig mobile oder "anscheinend behinderte" Extremitaet taugt sicher noch als Gegenhalt oder als Bremsklotz. Also ich kriege Erdbeeren, Tomaten oder Zwiebeln problemlos unter Verwendung der gesamten Anatomie klein - man muss einfach hinstehen und es machen. Dann ist das wichtigste etwas Vertrauen und wirklich sehr scharfe Messer, die auch schneiden. Mit Prothese oder ohne ist das gar kein Problem. Auch eine gelaehmte Hand kann man mit einem feuchten Handtuch umwickeln und Tomaten dagegen halten, so dass man sie schneiden kann. Es ist ja keine Sache von 5 oder 10 kg Anpressdruck... inzwischen bin ich vollkommen weggekommen von Special Needs Items.

    Auch einen Korkenzieher habe ich geschenkt bekommen, den man festschraubt, und der fuer einhaendiges Oeffnen taugt. Aber genauso oft verwende ich den stinknormalen Oeffner, der ist nicht ganz so elegant, aber geht auch prima : )

    Einen Flaschenoeffner fuer Bierflaschen habe ich mir an die Wand geschraubt, aber das gusseiserne Dings gab es irgendwo im ueblichen Kuechen-Spass-Bedarfsversand, dazu musste ich nicht Behinderten-Anbieter bemuehen.

    Ueberhaupt machen einem Behinderten-Ware-Anbieter das Leben tendenziell eher schwer als sonstwas. Strack.CH hat zum Beispiel inzwischen aufgehoert, die eh nicht ganz billigen Otto Bock Stumpfsocken zu verkaufen. Alle diese medizinischen Spezial-Dinge erfahren bei jedem Handwechsel von Anbieter zu Wiederverkaeufer ueber Generalimporteur zu Endkunde ganz kranke Preisaufschlaege. So schlaegt mein vorgeschriebener Endanbieter fuer Prothesenteile REGELHAFT mal schlanke 30% auf alles drauf - und die kriegen das nicht etwa von der Quelle, sondern das geht ueber Import Schweiz, Import Europa, mehrere Stufen. Das bedeutet, dass ich inzwischen (Schuhgroesse 43) ganz normale Baumwollsocken auf den Stumpf ziehe, oder sonstwas gestricktes, was es so gibt, dass ich Prothesenteile sonstwie auftreibe aber nicht offiziell, wenn ich mal was ausprobieren will - und natuerlich wird man dann erfinderisch und kreativ, und lernt dabei einiges. Inzwischen kann ich manche solche Sachen auch selber naehen - und ich haette mich nicht dazu gezwungen, diese Art Knowhow anzueignen, wenn es die gesamte Ware guenstig im Versandhandel zu bestellen gaebe. So aber graben die sich da ihr eigenes Grab.

    Alles was es ueberall im Supermarkt gibt ist besser als ueberteuerte Sonderartikel. In ein ordinaeres Holzbrett selber eine stinknormale Schraube reinmachen ist eine Sache von ein paar Minuten und kostet so gut wie nichts, wenn es denn sein muss. Irgendwelche Sachen mit einem Mixer kleinhaeckseln geht besser als auf Brett mit Messer, und Mixer sind nicht besonders teuer. Verdreckte Pfannen oder Toepfe mit Spuelmittel einweichen lassen, am naechsten Tag putzen.

    Echt schwierig ist nur eins in meiner Erfahrung: ganz heisse Ofenbleche mit viel Zeugs drauf. Da gibts nur eins - doppelter Handschuh anziehen, Ablageflaeche ganz frei machen, gut vorbereiten, gut konzentrieren und auf jeden Fall Unfall vermeiden. Hat mit vielen Enchiladas, Pizzas, Fritten und anderen Sachen schon viele male super geklappt.

    Man soll denke ich etwas entspannt und spielerisch an die Kuechensache hingehen. Es ist das beste, rauszufinden, was wie am besten geht. Das Hirn findet selbst auch gute Alternativen, Workarounds, Tricks. Man muss es aber in der Situation selbst raustuefteln, das geht kaum am Schreibtisch.
  • swisswuff1 hat geschrieben:


    Ueberhaupt machen einem Behinderten-Ware-Anbieter das Leben tendenziell eher schwer als sonstwas.



    Mist, damit wäre mein BachelorThema hinfällig😀 Aber das wird jetzt durchgezogen. Der Dosenöffner wäre ja noch zu optionieren...😉
    Wie ich deine antwort interpretiere,wären auf jeden fall eher kleine veränderungen und optimierungen an bestehenden küchengeräten hilfreich, um die nutzung angenehmer zu machen. auf jeden fall der „superstation, die alles kann“...und eigentlich nichts vorzuziehen? Inwiefern ist man eigentlich bereit mehr für Geräte und hilfsmittel zu zahlen? oder bastelt man sich seinen arbeitsbereich lieber selbst zurecht?
  • hallo,
    ich finde swisswuff*s beitrag sehr übersichtlich und toll 😀
    du sagst es bestimmt richtig:
    viele basteln sich ihre gerätschaften für die küche selber oder erüben sich eine
    extreme geschicklichkeit einhändig 😆
    die preise sind gerade in diesem sektor unverschämt hoch und schrecken ab. dann, find ich auch wichtig, sehn die sachen oft nicht schön aus. ja, ich weiss, soll unterstützen und nicht schmücken 😉 aber ich find, auch in der küche isst das auge mit 😀

    ist vll. ein unterschied, ob es ein älterer patient ist (mit z.b. schlaganfall) oder ein verhältnismässig jüngerer (z.b. mit amputation) hier sehe ich das umlernen schneller und einfacher. wenn man sonst körperlich fit ist und etwas jünger ist, geht man meist mit mehr elan und energie ans umlernen dran und am ende merkt man kaum, was alles einhändig geht....man tut es einfach. schuhe binden, körperpflege, wäsche aufhängen, wischen..etc. etc.

    generell nutze ich in der küche den dreifuss schäler (wo das schälgut am integrierten sparschäler abgezogen wird) hier ist ein problem die saugnäpfe unten am gerät halten oft nicht bombig und es rutscht weg....

    mein mann hat mir ein brettchen gebastelt, mit spiekern drauf, zum gurken, tomaten, eier, zwiebeln etc. schneiden. das brett liegt dann auf einem feuchten abwaschtuch.

    der dosenöffner ist ein elektrischer handdosenöffner. klappt mit übung bestens.

    bodenwischen und fegen: hier nutze ich einen wischer von hara mit langem stiel. den klemm ich mir unter und ab geht es. auffegen, da habe ich ein standkehrblecjh aus italien, wo ich den fegestaub reinfegen kann.

    ich würde meinen, zum essen wären anpassungen nicht übel. ich denke da an fleisch oder pizza. ein hilfsmittel, welches man auch problemlos ausser haus mitnehmen kann und welches nicht so extrem auffällt.
    oder einen eierbecher, der das ei wirklich hält und auch darunter, das ganze konstrukt. gibt da so saugnapfeierbecher die aber am gedeckten tisch nicht halten.


    am besten du machst einen workshop mit betroffenen und man übt und testet dinge aus. live entwickeln so ungeahnte dinge und es kann am ende besser verbessert und optimiert werden.

    so *trocken* fällt mir sicher nicht alles ein.

    wenn du noch fragen hast....gerne

    vg
    handschuh



  • Danke, für die Antwort. Es sind echt viele Details die hier angesprochen werden, an die ich bei meinem Selbstversuch nicht gedacht habe.

    Handschuh hat geschrieben:

    am besten du machst einen workshop mit betroffenen und man übt und testet dinge aus. live entwickeln so ungeahnte dinge und es kann am ende besser verbessert und optimiert werden.



    Weißt du, wann und so wolche workshops angeboten werden? Bei meinem Selbstversuch hatte ich vor allem Probleme damit Dinge zu fixieren. Lauch und Tomaten konnte ich noch einigermaßen bewältigen. Bei Zwiebeln hörte es dann auf...Mit dem Wäschefalten fang ich hier gar nicht erste an. Ohne Hilfsmittel hat das eine Ewigkeit gedauert und auf dem Weg von Tisch zu Schrank ist alles wieder auseinander gefallen.

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