Auflösung von Verdrängung

Hallo, ich habe ein Problem.
Als Säugling wurde meine rechte Hand schwer verletzt.
Die bleibende Verletzung sieht nicht gut aus, eher abstoßend, denke ich.
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass viele Leute mir ihre Sympathie zeigen, und mich auch sexy und anziehend finden.
Ich bin dann immer sehr überrascht.

Ich habe den Handstumpf immer sehr verdrängt, meine Mutter wollte das so.
In eine Prothese gesteckt und weg war er.

Ich glaube heute, dass ich dadurch so seltsame Gedächtnisprobleme hatte,
so in der Art:
- ich versuche, mich an etwas zu erinnern
- bei dem Vorgang entwickelte sich Angst in mir
- ich wurde sehr unsicher, ob das, woran ich mich erinnerte stimmte
- ich verwarf die durch das Erinnern entstandenen inneren Bilder
- Erinnerung war massiv gestört, die Inhalte erschienen mir zweifelhaft
- ich wurde immer unsicherer was mein Gedächtnis anbelangte

Nach jahrelanger Therapie ist mir inzwischen bewusst geworden, dass ich meinen Handstumpf verdrängt habe. (Die Therapie ist seit einiger Zeit abgeschlossen.)
Das weiß ich jetzt.
Ich mache mittlerweile auch viel mit meinem Handstumpf, Gymnastik, bewege ihn viel usw

Bis dahin ok,
aber wie geht es jetzt weiter?
Ich habe das Gefühl, dass ich irgendwie fest hänge,
schwer zu beschreiben.
Aber da ist so eine Leere, ich schwimme irgendwie.
Kennt einer von Euch das Gefühl?

Antworten

  • Lieber timofreiheit,

    schön das Du MyHandicap gefunden hast. Ich bin sicher, der MyHandicap Psychologe Tim Glogner wird hier bald ein paar Sätze schreiben. Aber Du kannst ihn auch persönlich kontaktieren wenn Du was auf dem Herzen hast.

    tim.glognermyhandicap@de

    Das Dir Deine Behinderung Probleme macht kann ich gut verstehen. Es ist nicht immer leicht nicht wie all die anderen aus zu sehen. Doch meistens ist es so, daß wir Betroffenen unsere Behinderung viel schlimmer wahr nehmen als Außenstehende es tun. Doch solche Sprüche kennst warscheinlich schon. Hast Du einmal darüber nachgedacht, mit jemanden zu reden der eine ähnliche Behinderung hat wie Du? Es ist gut möglich das Dir so eine Begegnung sehr gut tun könnte, denn es ist etwas völlig anderes von jemanden Unterstützt zu werden, der daß gleiche durchgemacht hat wie Du. Für MyHandicap sind Botschafter tätig die genau das tun. Sie beraten Menschen die die gleiche oder ähnliche Behinderung haben wie sie selbst, und nicht mehr weiter wissen. Ob es einen Botschafter mit ähnlichen Erfahrungen gibt wie Du sie gemacht haast, weiß ich nicht. Aber wenn Du bei MyHandicap nach fragst, wirst Du es heraus finden. 😉

    http://www.myhandicap.de/botschafter-deutschland.html

    Liebe Grüße
    Karin
  • Lieber Timofreiheit,
    vielen Dank für Deinen Beitrag...

    Sinnvoll ist sicherlich: Die Aufmerksamkeit/Dein ganzes Wesesn darauf zu lenken, was bei Dir funktioniert, total in Ordnung ist "stimmt" etc...und das ist ja sicher eine grosse Menge;

    Allen Gefühlen in Dir darfst Du zärtlich dein Herz öffnen, sie vollkommen fühlen, zulassen ohne diese zu verdrängen oder wo anders "abzureagieren"...es sei denn bei schöner sportlicher Bewegung oder Ähnlichem...Im Vertrauen, das zugelassene Gefühle, auch wenn Sie vielleicht ein bischen unangenehm seien können dir nichts tun können, im Gegenteil, das Zulassen, die Annahme hat heilende Wirkung...natürlich lässt man sich nicht von den Gefühlen "mitreissen", man verweilt als der Hintergrund, in dem sie erscheinen...somit entfaltet sich klares Bewusstsein...

    Aber: Wie von Karin schon angedeutet, die Wahrnehmung der "Beeinträchtigung" wird vom Beeinträchtigten selbst überdimensional wahrgenommen...man darf sich von diesem Fokus lösen...hier ist gefragt sich von der Wahrnbehmung dieser Beeinträchtigung zu emanzipieren, nach dem Motto "ganz egal", so viel ist noch möglich...

    herzlich,
    Tim Glogner

  • Hallo Tim,

    >>>das Zulassen, die Annahme hat heilende Wirkung...natürlich lässt man sich nicht von den Gefühlen "mitreissen", man verweilt als der Hintergrund, in dem sie erscheinen...somit entfaltet sich klares Bewusstsein...
    <<<recht schwierig zu verstehen

    >>>Aber: Wie von Karin schon angedeutet, die Wahrnehmung der "Beeinträchtigung" wird vom Beeinträchtigten selbst überdimensional wahrgenommen...man darf sich von diesem Fokus lösen...hier ist gefragt sich von der Wahrnbehmung dieser Beeinträchtigung zu emanzipieren, nach dem Motto "ganz egal", so viel ist noch möglich...
    <<<Aber ich möchte keinen Tag mehr erleben, an dem ich meinen Handstumpf nicht ganz intensiv spüre. Es ist grauenvoll irgendwann festzustellen, dass man immer einen Teil des eigenen Körpers gnadenlos verdrängt hat.
    Man hat das Gefühl garnicht richtig gelebt zu haben.
    Das Schönste im Leben ist, sich intensiv wahrzunehmen, zu spüren und zu dieser intensiven Selbstwahrnehmung aus ganzem Herzen ja sagen zu können.

    herzliche Grüße
    Timo

  • timofreiheit hat geschrieben:
    Bis dahin ok,
    aber wie geht es jetzt weiter?
    Ich habe das Gefühl, dass ich irgendwie fest hänge,
    schwer zu beschreiben.
    Aber da ist so eine Leere, ich schwimme irgendwie.
    Kennt einer von Euch das Gefühl?


    Ich kenne das Gefuehl der Leere sehr gut, aber nach meiner Erfahrung ist auf der Schiene dann nicht wirklich mehr zu holen. Es sieht auch bei mir eben so (und nicht anders) am kaputten Arm aus, und egal wie aergerlich oder vernichtend, wie wenig aufbauend oder leer ich das dann finde - wenn ich mich damit allzu sehr befasse, verliere ich auch das Gefuehl, Boden unter den Fuessen zu haben. Es ist jetzt etwas weniger geworden, dieses Gefuehl, aber es bringt mich nirgends hin, mich damit dann uebermaessig auseinanderzusetzen. Ich lasse es also sein.

    Stattdessen mache ich Sport, gehe spazieren, unternehme was mit anderen Leuten, und waehrend ich mich auch nicht besonders um den kaputten Arm kuemmere, und wenn ich auch nicht besonders angestrengt versuche, es zu vergessen, sind dann einfach irgendwie andere Dinge wichtig. Ich ziehe die Prothese an, oder auch mal nicht, gehe ohne besondere Regeln vor, und dann gibt sich das alles irgendwie. Inzwischen ist das Gefuehl der Leere etwas gewichen, es ist kein Thema mehr, es gibt anders, das ich spannend finde, spannend finden will. Manchmal stoert mich, dass der Stumpf kalt ist, dann stoert mich auch das Aussehen besonders und dann packe ich das Ding weg, in irgendeinen schwarzen Socken, irgendwas warmes unauffaelliges, oder die Prothese drueber, dann stoert es auch mich nicht so. Ich finde nichts dabei, meinen Schaden als solches auch zu erkennen - ich sehe auch schlecht und habe nichts dagegen, dauernd die Brille anzuziehen.

    An anderen Tagen ist es mir egal. Ich will den kaputten Arm nicht als konstantes Zentrum der Leere, und ich will auch keine Leute um mich, die das die ganze Zeit als Zentrum *ihrer* Aufmerksamkeit haben. Es gab schon solche Begegnungen, da haben mir irgendwelche Leute waehrend ganzen Ausfluegen oder anderen gemeinsamen Unternehmungen unablaessig auf mein Armdings gestarrt - egal was ich dann da dranhatte. Diese Art Reminder empfinde ich dann als zunehmend stark irritierend, das sind auch keine Kontakte, die bei mir lange ueberleben.

    Damit ich den kaputten Arm vergessen kann, muss die Prothese, oder das Gefuehl im Arm, in den Hintergrund treten koennen. Kein Mensch redet von "voellig verschwinden" - aber eher unbedeutend werden ist mir wichtig. Damit das wirklich klappt, ist es ganz entscheidend, dass das Material zuverlaessig ist, das man da an der Prothese anhat, oder der Socken, den man sich anzieht, muss auch sehr bequem sein. Ist jedenfalls meine Erfahrung. Damit das stattfinden konnte, war widersinnigerweise gewisser Aufwand noetig - aber inzwischen geht es, ganze Tage ohne grosse Ablenkung zu haben und so laaaangsammm wird das dann auch wieder, das allgemeine Lebensgefuehl. Und diese Leere wird irgendwie unwichtig, tritt auch in den Hintergrund und verblasst.

    Also meine Erfahrung - ganz anders ausrichten, andere Sachen machen, sein lassen das Gefuehl, einfach akzeptieren, ist ein Schaden, ja, aber dann weiter im Text : ) Ich suche Inhalte und Leute mit weitgehend anderem, konstruktivem Fokus - das, und nur das, suche ich.
  • eines muss ich sagen swisswuff1
    wenn du echt so drauf bist wie du schreibst,
    dann sage ich "kompliment"
    du scheinst mir eine verdammt gute lebenseinstellung zu haben
    klingt mir so gesund und psychisch stark
    kompliment
    hast mir irgendwie geholfen
    DANKE!
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