Freiheitsberaubung durch Eltern

Hallo zusammen,

Ich schildere erstmal die Situation:

Eine Freundin von mir ist Spastikerin, an ihren Rollstuhl gebunden, und benötigt somit für alltägliche Routinen wie Anziehen etc. Hilfe.
Sie ist Volljährig und wohnt in der Zeit in der sie ihr Abitur macht in einem Internat - in Ferienzeiten (wie sie jetzt gerade angebrochen sind) jedoch in der Wohnung ihrer Eltern.
Das Verhältnis zu ihren Eltern kann man guten gewissens als katastrophal bezeichnen, sie bekommt regelmäßig Sachen wie "Du hast mein Leben zerstört" an den Kopf geworfen. Weiterhin soll laut der Aussage der Mutter "in ihrer Seele ein Teufel wohnen, den man austreiben muss".

Verständlicher Weise will sie in einem Umfeld wie diesem ungern länger als nötig verweilen.
Sie hat also einen ihrer Freunde gebeten, sie morgen abzuholen.

Die Aussage der Mutter hierzu war folgende:
"Wenn er dich abholen will helfe ich dir nicht beim anziehen und mache auch nicht die Tür auf"

Jetzt meine frage: In wie fern kann man hier auf rechtliche Hilfe durch die Polizei hoffen.
Mir schwirrt hier - wie der Titel schon andeutet - der Straftatbestand der Freiheitsberaubung im Kopf herum.

Kann jemand hierzu etwas sagen?
Danke schonmal im Vorraus

HaZi

Antworten

  • Hallo HaZi,

    ich habe dein Frage an unsere Fachexperten weitergeleitet.
    Da die Weihnachstfeiertage anbrechen, bitte ich dich mit ihren Antworten um Geduld.

    Viele Grüße von
    Michaela
  • Hallo Hazi,

    Ich sehe den Tatbestand der Freiheitsberaubung und seelischer Mißhandlung als erfüllt an.
    Während meiner Schülerzeit im Internat in der Pfennig hatten wir mit meiner Freundin einen vergleichbaren Fall.
    Damals hat jemand, weiß leider nicht mehr wer, die Erzieher vom Internat verständigt, die meine Freundin dann rausgeholt haben. (siehe oben genannte Tatbestände)

    Gruß

    Surfer
  • Sehr geehrtes MyHandicap-Mitglied,

    ich nehme Bezug auf Ihre Forenanfrage vom 23.12.2010.

    Sie möchten wissen, ob bei dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt ist und ob bzw. inwiefern auf die Hilfe der Polizei gehofft werden kann.

    Der Straftatbestand der Freiheitsberaubung ist in § 239 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Hiernach macht sich derjenige wegen einer Freiheitsberaubung strafbar, „wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise seiner Freiheit beraubt“.

    Geschützt wird in § 239 StGB die potentielle persönliche Fortbewegungsfreiheit des Einzelnen in Bezug auf die Veränderung seines Aufenthaltsortes. Das bedeutet, dass der Geschädigte nicht nur in der aktuellen und konkreten Situation am verlassen oder aufsuchen eines Ortes gehindert werden muss, sondern geschützt wird auch die Willensbestätigung des Geschädigten in Bezug auf die Veränderung des Aufenthaltsortes.

    Ein Mensch, der seinen Aufenthaltsort nur mit Hilfe anderer verlassen kann oder dazu technischer Hilfsmittel (wie zum Beispiel einen Rollstuhl) bedarf, kann der Freiheit durch Entfernen dieser Hilfsmittel beraubt werden.

    Hieraus ergibt sich für den von Ihnen geschilderten Folgendes:

    Vorab möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir aufgrund der von Ihnen geschilderten Angaben keine abschließende Beurteilung vornehmen möchten, ob der Tatbestand der Freiheitsberaubung vorliegend erfüllt ist. Es besteht zwar grundsätzlich die Möglichkeit, dass die Mutter Ihrer Freundin durch ihr Verhalten diese ihrer Freiheit beraubt hat. Um sich ein abschließendes Urteil bilden zu können, bedarf es aber weiterer Angaben. So könnte eine Freiheitsberaubung daran scheitern, dass Ihre Freundin trotz des Rollstuhls, auf welchen Sie angewiesen ist, dennoch tatsächlich in der Lage war, das Haus zu verlassen (etwa, wenn die Wohnung behindertengerecht ausgebaut ist und ein barrierefreies Fortkommen möglich ist). Allein die Tatsache, dass die Mutter Ihrer Freundin dieser nicht beim Anziehen helfen wollte, um so ein Verlassen der Wohnung zu verhindern, erfüllt den Tatbestand der Freiheitsberaubung nicht. Auch die Aussage, die Türe nicht zu öffnen, genügt für sich gesehen noch nicht, um den Tatbestand der Freiheitsberaubung als gegeben anzusehen. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände; zu denken ist hier beispielsweise daran, dass es Ihrer Freundin krankheitsbedingt gar nicht möglich ist, die Wohnungstüre zu öffnen und dies nur mit Hilfe der Mutter geschehen kann.

    Dennoch sollte es für Ihre Freundin möglich sein, in einem solchen Falle die Hilfe der Polizei in Anspruch zu nehmen.

    Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnten.

    Für weitere Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Florian Teßmer
    Rechtsanwalt
    JANSSEN + MALUGA LEGAL
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