Pfegegeldsache vor Sozialgericht / Sachverständigengutachten

Guten Abend,

mein Sohn hat Pfegegeld bei der DAK beantragt.
Ein ablehnender Bescheid erfolgte.

Die Sache ist mittlerweile vorm Sozialgericht Hildesheim anhängig.
Laut Richter soll ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden.

Dem Gericht liegt auch eine detaillierte Schilderung des Pflegeaufwands von uns vor.

Es hätte laut Rechtsanwalt auch die Möglichkeit ohne ein Sachverständigengutachten den Sachverhalt zu klären.
Das Sozialgericht hätte eine Amtsermittlungspflicht, es sei also an Beweisangebote der Parteien nicht gebunden und ermittelt von sich aus den Sachverhalt.

Meine Bedenken hinsichtlich der Gutachteruntauglichkeit meines Sohnes wurden von dem Rechtsanwalt in keinster Weise ernst genommen.

Da mein Sohn unter anderem schwerst traumatisiert ist halte ich die erneute Begutachtung für gesundheitsgefährdend. Konkret eine erneute Begutachtung kann zu einer erneuten Retraumatisierung führen, was widerum die epileptischen Anfälle verstärken kann.
Dies kann und will ich als pflegende Person nicht verantworten.

Auf die Frage, wer die Verantwortung dafür übernehme, wenn mein Sohn nach der erneuten Begutachtung Rückfälle erleidet, bekam ich natürlich keine Antwort.

Auf seinen jetzigen behandelnden Arzt kann sich mein Sohn nicht beziehen, denn er nimmt ihn überwiegend nicht ernst und wir sind gerade auf der Suche nach einem neuen Arzt, was sich hier an unserem Wohnort sehr sehr schwierig gestaltet.

Wer kennt sich in dieser schwierigen Materie gut aus?
Wer hat Erfahrungen mit diesem Prozedere?
Natürlich würde uns auch die Einschätzung von einem eurer Rechtsanwälte interessieren.


Voran

Antworten

  • Guten Abend Voran,

    Amtsermittlungsgrundsatz

    Mit Amtsermittlungsgrundsatz bezeichnet man den in den Verwaltungsverfahrensgesetzen geregelten Grundsatz, dass die Behörde im Verwaltungsverfahren den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt (§ 24 VwVfG).


    Amtsermittlungsgrundsatz / Untersuchungsgrundsatz im Sozialgerichtsverfahren

    Die Links zum besserem Verständnis dazu für dich;

    Sozialgesetzbuch (SGB): § 20 SGB X
    http://bundesrecht.juris.de/sgb_10/__20.html
    Sozialgerichtsgesetz (SGG): § 103 SGG
    http://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__103.html

    Im zweiten Link dazu SGG § 103 heißt es ja wörtlich ich zitiere dazu;
    Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

    Bedeutet im Umkehrschluss das, dass Gericht seine eigenen Ermittlungen zu erfüllen hat und diese auch auf den Weg bringen muss und dann kann sich aus dem Ergebnis dazu eine Meinung gebildet werden. Um so zu einer Aussage zukommen von der sie am Ende der Ermittlung überzeugt ist. Der Vorwurf dazu das der RA dies nicht ausreichend gewürdigt hat ist somit nicht ganz richtig.

    Das Gericht so denke ich mal hat ganz sicher im Vorfeld geprüft ob Leben & Gesundheit durch die anstehende Begutachtung / durch den Sachverständiger gefährdet ist, denn dazu ist es verpflichtet. Andererseits kann dies in den Erklärungen durch den RA nicht hinreichend erklärt worden sein oder mangelhaft vorgetragen bei Gericht. Nur dies sind alles Vermutungen durch mich und nicht relevant dazu.

    Zu, - in einem Verfahren haben die Beteiligten eine Mitwirkungspflicht, - nur auch diese hat Grenzen und auch dies ist im SGG - Verfahren geregelt. Und wenn der Patient sagt in der Begutachtung meine Grenzen sind erreicht, Stopp ! - so muss der Gutachter sofort abbrechen und dies, sowie die Gründe dazu klar benennen im Gutachten. Auch hat die zu begutachtende Person Rechte zu, in einer Begutachtung z.B. in der Form einer Person seines Vertrauens / der Begleitung zur, während der Begutachtung. Dies ist ein Rechtsgrundsatz in der Rechtsprechung geworden und kein Arzt darf dies ablehnen, einschränken.

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    Ich denke einfach das die Sorge durch dich um den Sohn groß ist, - nur ich vermute das du nicht die einzelnen Schritte zu der Begutachtung kennst, was findet dort statt etc. Auch das kann und muss durch den Gutachter vor der Begutachtung klar benannt werden und es muss eine Belehrung stattfinden dazu. Ich vermute schlicht das die Angst zu dem Un -wissen / Abläufen durch dich größer ist und hier sollte dein RA tätig werden und dich / euch gut aufklären. Denn weder das Gericht noch der Gutachter, darf Eurem Sohn Schaden zufügen etc. und ich denke das dies auch nicht geschehen wird.

    In diesem Sinne, hinterfrage die Dinge bei deinem RA zu den Dingen, denn ich denke das du vieles zum Verfahrensablauf schlicht nicht verstehst, - und so persönliche Angst eine große Rolle spielt, - nur dem kann durch Aufklärungsarbeit abgeholfen werden. Mfg Lyn 😉
  • Hallo Voran,

    Lyn hat dir bereits eine sehr ausführliche Antwort zukommen lassen.
    Unsere Fachexperten sind dabei, deine Frage zu bearbeiten.
    Bitte hab noch etwas Geduld mit ihren Antworten.

    Viele Grüße von
    Michaela

  • hallo !

    trotz eurer genauen Schilderung ist der pflegeaufwand in dem fall anscheinend umstritten und damit natürlich eine aufklärung durch das gericht im rahmen seiner amtsermittlungspflicht geboten. das gericht kann nur die juristischen tatsachen feststellen und werten. für medizinische tatsachen besitzt es in der regel keine kompetenz - wenn aber gerade diese streitig sind, muss es sich einen "gehilfen", den sachverständigen, beiziehen und ihn den fall begutachten lassen.
    die problematik bei der begutachtung deines sohnes wäre natürlich vom rechtsanwalt vorzutragen, genau und fundiert, mit attesten oder dergleichen - denn grundsätzlich ist eine begutachtung durch den sachverständigen nicht gesundheitsschädlich.
    will man mit diesem argument eine begutachtung verhindern, die gerade dazu dienen soll, den eingeklagten anspruch zu beweisen, so erfordert das schon begründungaufwand, und die begründung ist auch durch arztberichte etc. zu untermauern.
    dass die begutachtung durch untersuchung aus den und den gründen nicht erforderlich sei, ist schon ein argument. denn als untersuchung ist sie unter umständen ein eingrif in die körperliche unversehrtheit, der erfordelich und verhältnismäßig sein muss, nicht unzumutbar sein darf. bei einer reinen begutachtung, naja, bei einem gutachten nach aktenlage kann eigntlich nichts passieren. es kommt daeauf an, was verlangt wird - grundsätzlich ist das mildeste geeignete mittel zu wählen.

    gruß
    reichel



  • Sehr geehrtes Mitglied,

    andere Mitglieder des Forums haben Ihnen schon sehr anschaulich den Amtsermittlungsgrundsatz und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten erläutert.

    Wichtig für Sie dürfte aber auch sein, inwiefern die Rechte und Pflichten der Beteiligten durchsetzbar sind.

    Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie sich grundsätzlich gegen die Entscheidung, ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenden.

    Gegen einen Beweisbeschluss des Sozialgerichts ist jedoch, im Gegensatz zu anderen Verfahren, die Beschwerde als Rechtsmittel nicht statthaft. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 172 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

    Sollte der Richter/ die Richterin noch nicht abschließend über das Beweismittel entschieden haben, bringen Sie alle Einwände gegen eine Begutachtung Ihres Sohnes vor und untermauern Sie sie faktisch so gut wie es geht (d. h. durch eigene ärztliche Unterlagen o. ä.). Denn bei der Entscheidung über Beweismittel übt das Gericht Ermessen aus. Im Rahmen der Ermessensausübung muss es dann die von Ihnen vorgebrachten Tatsachen berücksichtigen und wird die Gründe für und gegen den Sachverständigenbeweis wohlüberlegt abwägen.

    Wurde der Beweisbeschluss bereits erlassen, stehen Sie oder vielmehr Ihr Sohn, aber, wie ein anderes Mitglied richtigerweise bereits andeutete, nicht rechtlos. Der Sachverständige und das Gericht haben stets die Grundrechte Ihres Sohnes zu beachte; insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit, dem wohl vor allem Ihre Sorge gilt.

    Sollte Ihre Sorge trotz allem überwiegen und Sie wollen die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit allen Mitteln verhindern, bliebe Ihnen leider nur die Klagerücknahme. Dies würde Ihnen aber die Kosten des bisherigen Rechtsstreits aufbürden und Sie hätten dennoch nicht die erstrebte Bewilligung des Pflegegeldes erreicht.

    Wir wünschen Ihnen alles Gute!

    Florian Teßmer
    Rechtsanwalt
    JANSSEN + MALUGA LEGAL
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