Vorlagepflicht des Schwerbehindertenausweises beim Arbeitgeber

Hallo ihr Lieben,

unter Recht und Soziales habe ich letzte Woche zum Thema "Vorlagepflicht des Schwerbehindertenausweises beim Arbeitgeber" eine völlig falsche Info erhalten!! Bitte ändert die Foreneinträge ab, wie folgt (Originalmitteilung des Landratsamtes Karlsruhe):

Hierzu wird mitgeteilt, dass Sie bei Antritt einer neuen
Arbeitsstelle verpflichtet sind mitzuteilen, dass eine Schwerbehinderung vorliegt.
Bei einem Versäumnis kann dies sonst ein Grund zur fristlosen Kündigung sein!

Da der GdB bindend festgestellt wurde, ist eine Änderung des
GdB nur mit Bescheid unter Berücksichtigung aktueller Befunde, welche die Besserung bestätigen müßten, möglich.

Solange ein Bescheid nicht erteilt ist, besteht der GdB von 50 weiter.
Unabhängig davon, ob Sie im Besitz eines gültigen
Schwerbehindertenausweises sind oder nicht.

Es ist allerdings möglich, auf die Feststellung nach dem SGB IX zu verzichten, nicht jedoch auf die Schwerbehinderten-eigenschaft an sich,da diese Schwerbehinderteneigenschaft kraft Gesetzes mit dem Eintritt der Behinderung entsteht. Die Entscheidung des Amts bedeutet nicht, dass die Schwerbehinderteneigenschaft erst mit dem Zeitpunkt der
behördlichen Anerkennung beginnt bzw. mit der behördlichen Aberkennung endet, sie hat vielmehr nur deklaratorische Bedeutung.

Sofern Sie nicht mehr als schwerbehinderter Mensch gelten möchten, weil Sie evtl. befürchten, bei der Arbeitsplatzsuche bzw. bei der Ausbildung benachteiligt zu sein, wäre, im Falle der tatsächlichen Besserung des Gesundheitszustandes, eine Nachprüfung des Grades der Behinderung für Sie günstiger, weil dann bei nachgewiesener Besserung der GdB herabgesetzt und die Schwerbehinderteneigenschaft entzogen werden könnte.

Antworten

  • Hallo Giselle,

    In meiner Antwort habe ich sinngemäß das gesagt, weiß aber nicht mehr, wo ich das gelesen habe und die anderen User haben mir das nicht geglaubt.
    Ich finde es sehr wichtig und gut, daß Du nochmal drauf aufmerksam machst und nicht zu faul dazu bist. So sitzen andere vielleicht nicht später in der Sch... na Du weißt schon was.

    Gruß

    Surfer
  • Ist das eine neue Regelung?

    Bisher gab es wegen dem Diskriminierungsverbot keine Pflicht, solange man nicht gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verstieß.
    Dafür durfte man dann aber auch nicht die Sonderrechte (Sonderurlaub, Sonderkündigungsschutzrecht, Wahl der SBV) in Anspruch nehmen.

    http://www.talentplus.de/arbeitnehmer-bewerber/bestehende-arbeitsverhaeltnisse/Behindert_was_nun/Information_Arbeitgeber/index.html
  • Hallo Giselle175,

    vielen Dank für deine Aumerksamkeit! Es ist von größter Wichtigkeit, dass unsere Artikel der aktuellen Gesetzeslage entsprechen und keine Falschaussagen getätigt werden. Unsere Fachexperten überprüfen den von uns aufgeschalteten Artikel auf Fehler.
    Sobald wir ihre Antworten erhalten, werden wir den Artikel sofort korrigieren.
    Bitte hab Verständnis, dass wir, bevor wir die Ausbesserungen vornehmen, die Absicherung durch unsere Fachexperten einholen.

    Viele Grüße und nochmals vielen Dank für deine wichtige Mitteilung
    Michaela
  • Hallo Giselle 175,

    Sie sprechen einen sehr interessanten und in der rechtswissenschaftlichen Literatur sehr heftig und kontrovers diskutierten Punkt an.

    Festzuhalten ist zunächst, dass bis vor einigen Jahren das Bundesarbeitsgericht (BAG) durchgängig entschieden hat, dass eine wahrheitswidrige Beantwortung einer Frage nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderung den Arbeitgeber zu einer Anfechtung sowie einer fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages berechtigen kann (Vgl hierzu etwa BAG, Az: 2 AZR 101/83; 2 AZR 467/93; 2 AZR 923/94; 2 AZR 754/97; 2 AZR 380/99). Zu beachten war zwar, dass der Schwerbehinderte von sich aus nicht über die bestehende Behinderung aufklären musste, soweit ihm die Tätigkeit dadurch nicht unmöglich gemacht wurde. Allerdings wurde dem Arbeitgeber das Recht zugestanden, nach der Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung zu fragen; der Arbeitnehmer hatte dann die Pflicht, darauf wahrheitsgemäß zu antworten.

    Schon durch das Inkrafttreten des Diskriminierungsverbot in das Grundgesetz, jedoch entscheidend erst durch die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), welches der Umsetzung der EU-Richtlinie 2000/78/EG dient, sowie aufgrund der Verabschiedung des SGB IX (insb. § 81 Abs. 2 SGB IX), hat sich die Beurteilung der Zulässigkeit der Frage nach einer Behinderung jedoch grundlegend geändert. Nunmehr ist die Frage nach einer Schwerbehinderung (oder einer Gleichstellung) nur noch zulässig, wenn sich die Behinderung auf die Ausübung der Tätigkeit auswirkt und der Arbeitgeber daher ein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse an der Beantwortung der Frage nach der Schwerbehinderung hat (Vgl. hierzu LAG Hamm, Az: 15 Sa 740/06, sowie § 8 AGG). Der Arbeitgeber darf fragen, ob der Stellenbewerber an gesundheitlichen, seelischen oder ähnlichen Beeinträchtigungen leidet, durch die er zur Verrichtung der beabsichtigten vertraglichen Tätigkeit ungeeignet ist. Gefragt werden darf in diesen Fällen nach der Behinderung, nicht nach der Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.
    Die sog. tätigkeitsneutrale Frage, also eine Frage nach der Schwerbehinderung ohne den beschriebenen notwendigen Bezug zu der konkreten Tätigkeit, stellt hingegen eine unzulässige unmittelbare Diskriminierung dar (Vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, Az: 6/7 Sa 1373/09).

    Beachtet werden sollte jedoch, dass die sich durch die Einführung des § 81 Abs. 2 SGB IX ergebende Rechtsänderung nicht eingreift, wenn vor diesem Zeitpunkt auf die damals noch zulässige Frage (s.o.) gelogen wurde (Vgl. hierzu: LAG Hamm, Az: 8 (16) Sa 1072/03). In diesen Fällen steht dem Arbeitgeber unter Umständen noch ein Anfechtungsrecht zu, da sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Frage stets nach dem dann anwendbaren Recht richtet.

    Hinweisen möchte ich an dieser Stelle darauf, dass sich die Entwicklung in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur noch im Fluss befindet. Insbesondere hat das BAG bislang noch keine Stellungnahme zu dem Themenkomplex abgegeben. Demzufolge kann in dieser Rechtsfrage zum jetzigen Zeitpunkt auch der Standpunkt des Landkreisamtes vertreten werden. Die Tendenz geht aber dahin, das Fragerecht des Arbeitgebers stark einzuschränken. Im Bezug auf die Schwerbehinderteneigenschaft darf davon ausgegangen werden, dass zukünftig nur noch die Frage erlaubt ist, wenn bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten zwingende Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit sind.

    Ich weise darauf hin, dass diese Auskunft keine verbindliche Aussage, sondern vielmehr eine Einschätzung meinerseits darstellt.

    Beste Grüße
    Florian Tessmer - Rechtsanwalt, JANSSEN + MALUGA LEGAL
Diese Diskussion wurde geschlossen.