nach 10 jahren akzeptanz hasse ich meine prothese plötzlich!

Hallo

Ich hab meine Beinprothese seit mehr als 10 Jahren und ich hatte bis auf die zeit in der Reha eigentlich kein Problem damit. Da ich technisch interessiert bin, fand ich es sogar etwas spannend und habe immer mit grosser Begeisterung die neuesten Prothesen getestet.

Zur Zeit stecke ich mehr oder weniger tief in einer Depression fest (jaaa, ich bin jetzt doch zum Phsychiater, ist gar nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte), aber plötzlich habe ich Ekel und Hass auf meine Prothese. Ich versteh das selber nicht. Ich finde das peinlich, weil ich immer allen gepredigt habe, dass das Leben mit einer Prothese kein wirkliches Problem sei etc. Und jetzt plötzlich kommt so was. Ich komme mir vor wie ein Verräter an meiner eigenen Sache. Deshalb möchte ich auch nciht mit meinem Psychiater darüber reden.

Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht? Dass ihr jahrelang kein Problem hattet mir eurer Behinderung und dann plötzlich schon?

Gruss
Phil

Antworten

  • Hallo Philipp

    Zwar bin ich nur US-amputiert, machte aber eine ähnliche Erfahrung mit.

    Du bist sehr aktiv im technischen Bereich und hast Dich oft als Proband zur Verfügung gestellt. Noch besser. Denn wer sonst als die Betroffenen selbst helfen am besten mit bei der Entwicklung und den Tests für neue Entwicklungen. Siehe Beispiel Oaaur.

    Kann es sein, das Du nach den 10 Jahren erstmals das Gefühl bekommen hast, es sei ein Stillstand eingetreten, vielleicht weil Du an eine vorläufige Grenze im Bereich Deiner weiteren Entwicklung nach der Amputation angelangt bist. Ich erlebte dies, nachdem ich trotz fleissigem Training einfach nicht mehr die Leistung wie früher erreichte. Ich brauchte dann einige Zeit, um die Grenze zu akzeptieren. Dasselbe geschah bei der Arbeit. Ich musste feststellen, dass ich bezüglich Konzentrationsdauer und manueller Fähigkeiten einfach nicht mehr in der Lage war, meine frühere Arbeit weiter zu führen. Ich hatte Glück, dass ich noch ein zweites "Bein" habe und mich neu orientieren konnte. Aber ich musste viel dazu lernen.

    Ich denke, mir hat diese Neuorientierung sehr geholfen bei meinem Weg aus der Depression.

    Ich hoffe, Du findest Deinen Weg. Ich weiss nicht, ob Dir der Kollege Psychiater oder ein Psychologe da helfen kann. Dein Problem, eine OS-Prothese tragen zu müssen, besteht weiterhin und kann nicht mit Antidepressiva behandelt werden.

    Herzliche Grüsse

    Heinz Süsstrunk
  • Vielen Dank, das ist eine erschreckend treffende Antwort!

    Es ist nicht einfach, sich neu zu orientieren. Andererseit ist es ja auch schön, dass wir niemal still stehen!

    Ich hab noch einen langen weg vor mir, aber ich geh ihn an!
  • Hallo Phil,

    ich bin mir ganz sicher das du kein Verräter in eigener bist, sondern eine Phase erlebst in der auch du dich neu finden musst. Sicher es bedeutet schwäche für den Moment, nur du hast ein Herz das in der Brust schlägt, du hast Gefühle und so lasse dies bitte zu. Dr. Süsstrunk hat dies sehr gut erklärt. Es hat nicht mit Verrat zu tun, sondern bedeutet einfach zu, in der eigenen Sache das auch du mal einen Moment der Ruhe, eine Pause benötigst. Und das dir Grenzen aufgezeigt werden, doch selbst danach kommen andere Dinge.

    Ich bin selbst nicht amputiert, sondern im Rolli, doch auch in meinem Leben gab es eine Zeit wo ich meinen Rolli (kl. Freundin) nicht mal anschauen konnte, geschweige mich reinsetzen. Es war wie ein Blackout, doch ich habe sehr schnell lernen dürfen das wir bis ans Ende meiner Tage miteinander verbunden sein werden, ob wir wollen oder nicht.

    Die ganze Geschichte habe ich dann unter einen Streit/ uneins sein unter liebe Freunde abgelegt, denn auch mit der Besten Freundin / Freund hat man ja mal eine Meinungsverschiedenheit. Phil, - niemand ist ist immer nur Stark, nur gut drauf, - sondern jeder von uns hat seine Höhen & Tiefen genau wie das Leben selbst und auch Grenzen die wir lernen müssen zu respektieren. Lasse einfach dies schlechte Gefühl zu für den Moment, dann kommen bald die besseren Tage auch für dich zurück.

    In diesem Sinne wünsche ich dir Kraft & Mut zu den Dingen die bereits da draußen auf dich warten, Mfg Lyn 😉
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