mein neuer Freund findet seine Umkehrplastik hässlich

hallo!

ich bin erst seit kurzem mit meinem neuen Freund zusammen. und wie in jeder Beziehung hat man am Anfang Angst etwas falsch zu machen. Mein Freund trägt eine Umkehrprothese. Er kommt wunderbar damit zurecht, spielt in Bands, geht auf Festivals und macht Fernreisen, die ich auf Grund von kein Strom, fließend Wasser und einer nicht vorhandenen Abfallbeseitigung nie im leben machen würde.
Er hat mich aber sehr mit der Aussage erschreckt, dass er seine Umkehrplastik hässlich findet. Ich gebe es zu, ungewohnt schaut sein Bein aus, das habe ich auch genauso zu ihm gesagt, aber hässlich, nein auf keinen Fall. Als er das immer wieder zu mir sagte, dass sein Bein doch hässlich sei, habe ich typisch Frau angefangen zu weinen und ihm gesagt, dass ich nie wieder so eine Äußerung von ihm hören möchte. So und im nachhinein bin ich mir nicht sicher ob das falsch war. Er scheint das gut zu finden. Aber war das wirklich in Ordnung von mir?
Darf man so direkt sein? Ich hatte noch nie eine Beziehung mit einer Person mit Handicap. und habe schon angst unabsichtlich und unbewusst in irgendeine Wunde zu schlagen.
Ich würde mich freuen, wenn ihr mir antworten würdet.

Gruß
Antigone

Antworten

  • Hallo Antigone,

    wie lange ist es denn her das Dein Freund sein Bein verloren hat? Weißt Du, meistens verlieren Kinder auf diese Weise ihr Bein weil sie Knochenkrebs hatten. Der gesunde Unterschenkel wird erhalten und das Sprunggelenk, verkehrt herum, an Stelle des Knies platziert. Ich habe auf der Kinderkrebsstation gearbeitet und meistens waren diese Kinder zwischen acht und vierzehn Jahre alt. Wenn diese Umkehrplastik gemacht wurde oder das Kind/der Jugendliche nicht ausreichend darüber aufgeklärt wurden, wurden sie nach der Op überascht und waren mit dem Anblick des verkehrt herum sitzenden Fußes überfordert. Dann ist es kein Wunder das so ein junger Mensch zwar mit der Funktion dieser Umkehrplastik gut zurecht kommt, diesen merwürdig platzierten Fuß aber häßlich findet.

    Ich habe in diesen Situationen mit meinen kleinen Patienten darüber geredet wie wichtig dieser verkehrte Fuß für sie sei. Ohne diese Amputation wären sie nicht mehr am Leben. Sie wären am Knochenkrebs gestorben. Ich sagte ihnen es gäbe gute Gründe stolz auf ihre Umkehrplastik und die Narben zu sein, denn sie hat ihnen das Leben gerettet. Meistens hat es funktioniert und diese Kinder/Jugendlichen waren damit zufrieden. Aber bei Deinem Freund ist das ein bischen anders. Die OP scheint schon Jahre her zu sein. Trotzdem solltest Du versuchen mit ihm zu reden um heraus zu finden warum er diesen Fuß häßlich findet. Vieleicht kann Du ihm eine ähnliche Lösung vorschlagen wie ich es bei den Kindern im Krankhaus tat. Du hast nämlich Recht. Es gibt keinen Grund so eine Umkehrplastik häßlich zu finden. Es ist zwar ein ungewohnter Anblick, aber wenn man sich mal daran gewöhnt hat, befremdet einen der Anblick nicht mehr. Der Fuß sieht ganz normal aus. Er liegt halt auf dem Rücken. Aber das ist dem Zuschauer nach einer Weile ganz egal.

    Lieben Gruß Karin
  • Hallo!

    Was scheint Dein Freund gut zu finden.Das Du geweint hast oder das er dadurch aus seinem Selbstmitleid aufgewacht ist,durch Deine Tränen.

    Das Dein Freund sich als perfekten Mann für Dich presentieren möchte ist ganz natürlich und deshalb hat er Dich meineserachtens auch mit der Bemerkung über sein Bein herausgefordert.
    Er wollte wissen,wie Du zu dem Teil stehst.Eine Beziehung beruht auf Vertrauen und Ehrlichkeit und nur so kann sie bestehen.Vielleicht solltet ihr Euch mal ehrlich über sein Handicap unterhalten und dann das Thema abhacken.
    Als ich meinen Mann kennengelernt habe und mich verliebte,erlebte ich ihn mal vor dem Spiegel,wie er mit sich sprach,wie häßlich er doch währe und warum ich ihn wohl mag.Er habe doch eine schiefe Nase(Durch Bruch) und Narben usw.
    Auch ich bekam Tränen in die Augen damals.Später hab ich ihm gesagt,das es das ganze ist,in das ich mich verliebt habe und ihn gar nicht anders möchte.Für mich ist er der schönste,so wie er ist und das ist er bis heute geblieben.
    Wenn Dein Freund wirklich der Meinung ist,das das Teil,das jetzt zu ihm gehört und ihm Hilfe bietet häßlich ist,dann soll er es so gestalten,das es ihm gefällt und natürlich auch Dir.Ist nur so ein vorschlag von mir.Wenn ich ein künstliches Gelenk ob Arm oder Bein tragen müßte,dann würde ich es für mich und zu mir paßend gestalten.Nicht verstecken,eher herausstellen.Bin halt auch etwas Bluna!Ich glaube,ich würde es von einem Künstler bemalen laßen.Es ist ja auch irgendwie ein Kunstwerk.Ein Kunstwerk,das zu mir gehört.Deshalb wünsche ich Euch beiden,das ihr Euch annehmt mit Respekt und Liebe und damit auch das eine oder andere nicht Perfekte.Lieben Gruß SENDRINE 😀
  • vielen lieben Danke für eure Antworten! ich fühle mich jetzt schon viel besser!
    seine Amputation hatter er vor 7 Jahren mit 15 weil er eben Knochenkrebs hatte. Ich habe ihn auch gefragt, ob er eine Depression hatte. Was aus meiner Sicht nur verständlich gewesen wäre, da ich mit 20 nur nen Bandscheibenvorfall hatte und es mir schon deswegen so schlecht ging. Er meinte nur, dass er damals nur Musik im Kopf hatte. Ich habe ihm gesagt, dass er ohne die Umkehrplastik seine Hobbys nicht so leicht ausüben könnte. Aus seinen Erzählungen habe ich mitbekommen, dass er schlechte Erfahrungen mit Frauen gemacht hat, die mit seiner Behinderung nicht umgehen konnten. Obwohl es bei mir da im Grunde nie die Frage gab wie ich damit umgehen soll. Seine Umkehrplastik ist ein Fakt und nicht mehr zu ändern.
    An den männlichen Anspruch der Perfektion habe ich ehrlich gesag überhaupt gar nicht gedacht. Aber stimmt, Männer sind da ja eigtl nicht anders als Frauen. Er fand das glaube ich schön, weil ich weinen musste, da ich es einfach nicht fassen kann, wie jmd von sich denken kann er sei hässlich. Aber ich denke wirklich nochmal ein Gespräch wäre richtig. Ihm nochmal sagen das ich ihn so liebe wie er ist, seine Persönlichkeit und seine Art und einfach alles. Immerhin darf ich den Fuß an der Umkehrplastik auch schon kitzeln.
    Nochmals vielen lieben Dank! ich denke ihr habt mich bestärkt, dass ich den richtigen Weg gegangen bin. Ehrlichkeit und Vertrauen sind nunmal die Eckpfeiler jeder Beziehung und ich sollte das nochmal klären.

    gruß Antigone

  • Liebe Antigone!

    Ich möchte Dich allerdings noch sehr als Neu zugang hier begrüßen.
    Währe auch schön,wenn sich evtl. irgendwann auch Dein Freund,mit seinen Erfahrungen hier einbringen würde.

    Ich bin mir sicher,das Du den richtigen Weg gehen wirst und Dein Freund bald erkennen wird,was er sich für einen Schatz geangelt hat.

    In diesem Sinne,ein hoch auf die Liebe.Gruß SENDRINE 😀
  • Hallo Antigone,

    nicht jeder bekommt wegen einer schweren Behinderung oder Krankheit eine Depression. Viele Menschen holen daraus sogar ihre Stärke. Dein Freund hat mit Sicherheit eine schwere Zeit hinter sich. Die Chemotherapie bei einem Osteosarkom ist so stark, daß man dadurch erst recht krank wird. Warscheinlich bekam er vor schon der Amputation mehere Wochen eine sehr hoch dosierte Behandlung damit man überhaupt "beinerhaltend" operieren konnte. Nach der Amputation ging die Chemotherapie nicht einfach weiter, nein, er mußte mit der Therapie wieder ganz von vorne anfangen und ein halbes Jahr lang sehr starke Krankheitsgefühle erleben. Sich so richtig krank und fertig zu fühlen ist eine Erfahrung, die man nur schwer verarbeiten kann. Hinzu kommt der Teilverlust des Beines und die Angst "schaffe ich es überhaupt den Krebs zu überwinden". Es kann natürlich sein, daß ihn das Erlebte psychisch anfällig gemacht hat, muß es aber nicht. Bitte vergleiche Deine Gefühle mit den Rückenschmerzen nicht mit den Gefühlen Deines Freundes, denn es kann wirklich so sein daß er zwar lieber ein vollständiger Mann wäre, Dich deswegen auch heraus fordet, aber trotzdem nicht leidet und Mitleid gar nicht will.

    Gruß Karin
  • Hallöchen,

    ist dieser Thread hier noch aktuell, oder schaut mal jemand rein?

    Also ich habe seit meinem 6. Lebensjahr eine Umkehrplastik.

    Ich denke, mit einer Behinderung einen Partner kennenzulernen - der diese dann auch toleriert - ist ohnehin schwerer,
    wie wenn gesunde Menschen sich treffen.

    Ich selber habe ab und an glaube ich auch mehr Probleme damit, wie meine Exfreunde bisher.
    Denen war das nämlich egal, und haben mich so geliebt wie ich bin. Das finde ich toll, aber es gab bei den vielen Dates
    natürlich auch schwarze Schafe, die sich mit meiner Behinderung nicht auseinander setzen wollten.
    Aber ich sehe ganz gut aus, bin nicht dick, mach viel Sport - und sowas sollte doch mehr wert sein, wie wenn jemand sich deswegen geniert oder so......nun ja. Es ist halt wie es ist, und auch ich hatte in meiner Jugend schwere Zeiten....grade in der Schule - Kinder und Jugendliche können gemein sein.


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