Wie ist eine Umgangsmöglichkeit mit Emotionen in verschiedenen Alltagssituationen ?

Antworten

  • Hallo und danke für diese allgemeine aber wichtige Frage.

    Grob gesagt gibt es hier 3 Wege:

    1) Man reagiert sofort auf jede Emotion die man wahrnimmt. Dies tun oftmals kleine Kinder. Als Erwachsener hat dies möglicherweise den Nachteil, dass "man zu seinen Emotionen wird" und dann Probleme bekommt sich zu kontrollieren, z.B. lässt man während einer Meinungsverschiedenheit den anderen nicht ausreden.

    2) Man blendet Emotionen aus, dass heisst man versucht sie nicht wahrzunehmen, spielt den Starken/Kontrollierten oder sagt sich "ich bin eh nicht meine Emotionen". Dies hat, einigen therapeutischen Studien zu Folge, den Nachteil, dass sich nicht gefühlte Emotionen manchmal als körperliche Symtome ausdrücken können.

    3)Man fühlt alle Gefühle/lässt alle Gefühle liebevoll zu, macht dann ganz bewusst eine Pause, z.B. tut 3 Atemzüge und dann erst handelt man. Hat den Vorteil: Man verdrängt nichts, lässt sich aber auch nicht durch Gefühle "hinfortreißen", sondern kann möglicherweise ganz klar eine Haltung vertreten und ist offen für die Reaktion des Gegenübers.
  • Nun das eine ergibt das andere,wäre ein lapidare Antwort 😉
    Es liegt an der Person selber und wie weit sie sich invoviert/involvieren lässt.
    Psyche und Stressverhalten sind m.e. zu individuell um mit sollte/könnte etc
    zu antworten.
    Ein konkretes Beispiel könnte sich zu einer interessanten Diskussion gestalten.

    mfg
    Pyrros


  • Eben pyrros ich nenne Dir ein konkretes Beispiel. Ich kann durch mein Hörverlust keine Musik mehr hören, sondern nur noch einige verzerrte Töne. Die höhe Töne und die Basstöne höre ich wiederum zu Laut. Ich habe es bis jetzt noch nicht fertig gebracht meine CD-Sammlung in den Abfall zu werfen. Wenn ich mit Jemanden einige Zeit über meinen Lieblingsmusik diskutiere kommen mir die Tränen. 🙁
    Dann höre ich auf und wechsle das Thema. Eine Art Verdrängung also, wie bei einen Verstorbenen, man redet drüber und plötzlich.... ich hoffe du verstehst mich?
    Es ist der Verlust welche schmerzt, es könnte auch ein Tier sein denke ich. Gruss
  • Behinderungsbezogene Emotionen:

    Ich gehe damit so um:

    - Wahrnehmen und Aufsaugen der Emotionen. Erstmal schauen was da gefühlsmässig daherkommt. Nicht sofort reagieren.

    - Zurücklehnen oder langsamer laufen und stehenbleiben. Manche Gefühle sind zu viel und stressig. Da hilft es mir sehr, stehen zu bleiben und zu warten. Es beduscht mich dann von innen, aber etwa 2-3 Minuten später schon lebt man wieder etwas. Zum Beispiel mit sichtbarer Behinderung in ein Hallenbad und die Leute schauen alle. Das ist je nach dem umheimlich stressig. Da nehme ich mir etwas Zeit, es einwirken zu lassen.

    - Gegenkommunikation. Was ich nicht besprechen kann aber was trotzdem immer wieder und regelmässig in der Luft hängt, kann ich zT averbal komunizieren. Auf einem meiner solchen T-Shirts steht zB "shit happens when you party naked". Das hat auf die Emotionen sehr wohl einen Einfluss.

    - Von Emotionen und Stress erholen. Ich ruhe mich aus, gehe spazieren oder schlafe. Mache Sport, suche Ruhe. Es ist manchmal etwas viel an unnötigem Stress, dass es sich lohnt, sich regelmässig alle paar Tage eine zwei Stunden oder mehr zu erholen.

    - Offen und direkt reagieren. Bin ich von etwas enttäuscht oder freut mich etwas, dann ist es gut, das auch angemessen zu äussern. Es nützt nur was, wenn es angemessen geht. Gibt es keine angemessene Reaktionsform, dann reagiere ich nicht offen und direkt.

    - Technische Lösungen. Bei meiner Behinderung ist eine technische Lösung auch manchmal Antwort auf eine Emotion. Mich stresste es zu Beginn, dass dauernd das Stahlseil an meinem Hook riss - also alle 1-2 Wochen. Ich war dunkelblau vor Wut, denn es legte mich nachhaltig lahm. Dann fuhr ich zur Brugg Drahtseil AG, wir lösten das Problem technisch, schickten Otto Bock die Lösung, und schwupp kommt von denen ein Designvorschlag für den MovoHook, bei dem unser Vorschlag erkennbar umgesetzt war. Inzwischen habe ich also diese MovoHooks, und dieses Problem hat nicht mehr zu negativen Emotionen geführt.
  • Hallo Leute,

    mir fällt es in meinem Freundeskreis leicht, aber auf offener Straße setze ich mich auch schon mal auch verbal durch, wenn ich diskriminierung sehe an einem Rollifahrer oder jemanden mit Down Syndrom...
    Wenn ich allein bin allerdings breche ich doch meistens in Tränen aus oder werde sehr wütend. Ich muss mich also in meinen Emotionen noch üben.

    Gruß Mali
  • Tag zusammen, Tim, Pyrros, amalgam, swisswulf, Mali,

    vielen Dank an euch alle für eure vielen ehrlichen, sehr hifreichen Antworten. Ich persönlich hatte oft Probleme im Umgang mit Gedanken und Emotionen. Manchmal weiss man ja nicht genau , was zuerst da ist. Mir hat geholfen die Gedanken und Emotionen in verschiedenen sozialen Situationen ganz zu fühlen und wohlwollend (als eine Art Zeuge) zu beobachten, nach dem Motto: "Ja jetzt denkt/fühlt er das eben" wenn sie auftauchen und mich auf diese Weise ein wenig unbhängiger von Situationen zu machen. Emotionen kommen und gehen, aber wenn ich sie bewusst erlebe, ohne sie unbedingt an anderen auszuleben ( ohne anderen für etwas die Schuld zu geben, das führt meiner Erfahrung nach nur zur unnötigen unproduktiven Verzettelung in emotionale Konflikte ) kann ich ein gelassenres, freudigeres Leben führen. Auch hinsichtlich was andere von mir denken wurde ich zunehmend gleichmütiger.

    Beispiel : Ich fühle Wut, etwas in mir möchte das Gefühl nicht, ich bleibe aber in dem Gefühl, ich fühle es, ruhe mich in gewisser Weise in dem Gefühl aus, kämpfe nicht dagegen. Irgendwann wird das Gefühl schwächer. Dann kann ich manchmal ganz überzeugend/gelassen meine Meinung vertreten, ohne in einen aggressiven und feindlichen Streit zu geraten.

    Auch denke ich mir manchmal, wenn ich die Reaktionen von anderen Menschen beobachte: Der/die steckt halt in ihrer Haut, in ihrem Programm und kann im Moment auf Grund irgendwelcher persönlichen Erfahrungen nicht anders reagieren, hats nicht anders gelernt. Das hilft mir dabei Verständnis für andere zu entwickeln.

    Ich würde mich über viele weitere Beiträge zu diesem interessanten Thema sehr freuen.

    lieber Gruß

    jörschi
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