Welcher Kostenträger zuständig?

Hallo,

kurz zu meiner Situation:
- nach einem Freizeitunfall inkompletter Querschnitt, GdB 100, diverse Buchstaben
- nach der Reha hat der Arbeitgeber mich von der Arbeitsleistung freigestellt und eine Kündigung ausgesprochen
- ich bin in meinem Beruf als Personalberater voll einsatzfähig, dies sieht auch die zuständige Arbeitsagentur so.
- Führerschein auf eigene Kosten wieder vorhanden.

Nun die Fragestellung

Zur Aufnahme von Bewerbungsgesprächen/einer Tätigkeit benötige ich einen PKW sowie einen zweiten Rollstuhl. Ich habe eine gewisse Restgehfähigkeit, kann aber den vorhanden Rollstuhl nicht die vorhandene Treppe runterwerfen (jedenfalls nicht oft )

Ein zweiter Rollstuhl könnte im Auto verbleiben, alles wäre schick - mein Problem gelöst.

Arbeitsagentur: nicht zuständig, da mehr als 15 Jahre Beiträge eingezahlt.
Rentenversicherung nicht zuständig, da Rollstuhl ein Hilfsmittel ist.
Krankenkasse nicht möglich, da dies eine Doppelversorgung wäre

Bis jetzt komme ich zu dem Ergebnis selber zahlen.

Eine Bitte noch: Die Kündigungsfrage an sich soll hier NICHT das Thema sein, hier bin ich sozusagen Experte in eigener Sache und habe alles im Griff. Mir geht es um die jetzt möglichen Hilfen lediglich für einen zweiten Rollstuhl, da eine Verhandlung/Berufung locker 12 Monate und mehr dauern kann.
In dieser Zeit würde ich gerne produktiv sein und am Erwerbsleben teilhaben.
Vielleicht hat ja jemand ein ähnliches Problem schon einmal gelöst, besten Dank vorab.

Gruß
hagelschaden

Antworten

  • Lieber Hagelschaden,

    vielen Dank für die Anfrage,
    ich habe sie an einen Experten auf diesem Gebiet weitergeleitet, Sie hören baldigst wieder von uns.
  • Hallo Hagelschaden,

    Sie haben ja schon einiges an Kostenträgern - leider erfolglos - durchprobiert. Eigentlich kann nur noch als ergänzende Adresse das jeweilige Integrationsamt Ihres Wohnortsregierungsbezirks angefragt werden. Diese werden jedoch Sie auch erst mal im Sinne einer eigenen Nachrangigkeit auf die bereits probierten Kostenträger verweisen. Insofern ist hilfreich, die Absagen der Arbeitsverwaltung, des Rentenversicherung und Krankenkasse vorzuhalten.

    Alle Kostenträger steigen natürlich lieber in die Finanzierung ein, wenn ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bereits besteht oder wenigstens in konkreter Aussicht steht. Dazu dienen ja immerhin auch entsprechende Vorstellungsgespräche.

    Für die Bewerbungsgespräche bleibt Ihnen unter Umständen auch nichts anderes übrig, als mit einem Fahrdienst zu fahren, der den Transport des Rollstuhl beinhaltet, also dementsprechend aufwändiger ist. Dies kann dann aber auch die Begründung für die Kostenübernahme eines 2. Rollstuhl sein. Bei einem PKW ist die "Verknüpfung" mit einem Arbeitsverhältnis noch deutlicher, da 1. die Kosten höher und 2. die auf Dauer angelegte Notwendigkeit größer ist. Hier könnte das Argument der Teilhabe am sozialen Leben hilfreich sein, was aber die Arbeitsverwaltung und Rentenversicherung nicht als förderbar ansieht.

    Ich hoffe, Ihnen damit zumindest ein bißchen weitergeholfen zu haben

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Graus
  • Hallo,

    besten Dank erstmal.
    Ich bleibe hier am Ball, aber die Tendenz ist für mich klar erkennbar. Alle wohlklingenden Hilfsangebote sind durch vielfältige Bedingungen schwer bis gar nicht erreichbar. Dies haben ja auch schon viele andere Menschen erfahren müssen, insofern bin ich ja leider noch nicht einmal eines Ausnahme.
    Eine Antwort des Integrationsamtes steht noch aus, ansonsten wie geschrieben: Grosses Verständnis, konkrete Hilfe Fehlanzeige.
    Bei der Rentenversicherung war der Knaller, dass eine Rampe u.U. wohl genehmigt werden könne. Ich sicherte dem Sachbearbeiter zu, in diesem Falle das Fernsehen einzuladen, um zu demonstrieren, wie ich die Treppe neben der Rampe runterlaufe, meine Freundin kann ja dann den Rollstuhl die Rampe runterschubsen 😉) (Kosten Rampe ca. 20-25 Tsd Euro)
    Es wird vermutlich so ausgehen, dass ich neben meinem Auto auch den Rollstuhl aus eigener Tasche bezahle, aber was machen denn diejenigen, die dies finanziell nicht können?
    Insofern sind doch die ganzen §§ aus den einschlägigen SGB viel Augenwischerei. Ebenso kann ich mir aufgrund meiner Berufserfahrung auch ein Urteil über die Sinnhaftigkeit und Qualität der Arbeit der Arbeitsagenturen erlauben, das schon für Nichtbehinderte verheerend ausfällt, eine Behinderung macht die Sache jedenfalls nicht besser. (Nebenbei: Eine berufliche Reha für einige tausend Euro wäre kein Problem. Mein Argument: Ich brauche keine berufliche Reha, kann meinen Beruf ausüben..ach so, hmmm. Nehmen wir doch das gesparte Geld für den Rollstuhl, nein das geht natürlich nicht. Natürlich. Klar, Bin ich blöd, sorry 😀)

    Ich denke ernsthaft darüber nach, zu diesem Thema eine Recherche durchzuführen. Von einer Homepage über Zeitungsartikel,Buchveröffentlichung, Fernsehbeitrag bis zu Petitionen kann ich mir da einige lustige Aktionen vorstellen.
    Alleine meine Erlebnisse und die meiner Bekannten aus der Unfallklinik reichen da schon für einen "kurzweiligen" Abend. Freunde sagen mir ein gewisses rhetorisches Talent nach, vielleicht nutze ich dies demnächst.

    Ich kann/muss damit leben, dass mir bestimmte Hilfen nicht gewährt werden, ebenso wie viele andere Menschen. Allerdings soll man dann dem Kind auch einen Namen geben und nicht so tun, als ob hier alles toll wäre, das kann mich richtig ärgern ;-(((

    Ansonsten halte ich es mit (ich glaube)Karl Valentin: "Eigentlich bin ich ganz nett, aber ich komme so selten dazu."

    In diesem Sinne, Gruß
    Hagelschaden



  • Hallo Hagelschaden,

    ich möchte hier nur auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. August vergangenen Jahres hinweisen. Es betrifft die Frage nach der Zuständigkeit. Als Behinderter reicht es vollkommen, bei einem Kostenträger einen Antrag zu stellen. Dabei braucht man sich nicht den Kopf zu machen, ob er zuständig sind. Der erstangegangene Kostenträger muss prüfen, ob er oder ein anderer Sozialleistungsträger zuständig ist. Gibt der Kostenträger wegen Unzuständigkeit an einen anderen Kostenträger weiter, muss der Zweite über den Fall entscheiden, und zwar für alle Kostenträger. So kann es vorkommen, dass die Krankenkasse dann entscheidet, das Hilfsmittel gewährt wird auf Kosten der Rentenversicherungsträger. Die Krankenkasse zahlt und holt sich das Geld selbst vom Rentenversicherungsträger.

    Hier die wichtigsten Passagen des Urteils, es ging hier um Hörgeräte, wo auch immer großen Streit gibt, ob und wer die Kosten übernehmen soll. Ich streite auch jetzt und wieder mal mit den Kostenträgern auf Übernahme der Kosten für Hörgeräte, obwohl ich an Taubheit grenzend schwerhörig bin. Ohne Hörgeräte bin ich praktisch taub. Auch in diesen Fällen gibt es Streit mit Krankenkasse. 🙁


    Hier das Urteil des BSG:

    Hat der Kläger vor dem 28.11.2002 (bzw vor dem 2.12.2002) bei seiner Krankenkasse beantragt, ihn mit (neuen) Hörgeräten zu versorgen, so war die Krankenkasse der erstangegangene Träger i.S. des § 14 SGB IX. Da sie nicht innerhalb von zwei Wochen ihre Unzuständigkeit festgestellt und den Antrag demgemäß auch nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat, hatte sie sowohl die nach dem SGB V als auch die nach dem SGB VI vorgesehenen Leistungen zu erbringen, ggf. in Abstimmung mit der Beklagten.

    Hierbei ist unerheblich, ob die Versorgung eines Versicherten mit einer Hörhilfe nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Rahmen des SGB V ist (so z.B. Welti, SGb 2008, 321, 326 f). Denn selbst wenn dem nicht so wäre (so BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 36/06 R, RdNr. 16, 1😎, ist ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe i.S. von § 1, § 4 und § 5 SGB IX gerichtet. Im Zweifel will der Versicherte die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, d.h. auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen zu prüfen (Senatsurteile vom 29.11.2007 - B 13 R 44/07 R, RdNr. 21 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vom 23.5.2006, SozR 4-2600 § 43 Nr. 9 RdNr. 27; jeweils m.w.N.; s zum SGB V auch BSG vom 4.4.2006, BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 8, RdNr. 14).

    Dann aber hatte die Krankenkasse dem Kläger nicht nur die ihm nach dem SGB V zustehenden Leistungen zu gewähren (insbesondere also den Festbetrag nach § 36 SGB V), sondern auch darüber hinausgehende Leistungen zur Teilhabe, für deren Erbringung "eigentlich" der Rentenversicherungsträger zuständig ist (hierzu und zur Abgrenzung im Folgenden unter b), seien es Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 5 Nr. 1 bis 3 SGB IX). Dies gilt unabhängig davon, ob für die gesetzlichen Krankenkassen die Versorgung mit Hilfsmitteln keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist oder - was hier keine Rolle spielt (s oben bei 1a) - sie von vornherein z.B. für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ( § 5 Nr. 2 SGB IX) "eigentlich" nicht zuständig sind ( § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

    Ich wünsche Dir viel Erfolg.

    Gruß

    Thomas Worseck
  • Update - aktueller Stand

    Die entscheidende Frage lautete in meinem Fall: Gehört es zur Leistungspflicht der Krankenkasse, mir das eigenständige Verlassen der Wohnung zu ermöglichen?

    Nachdem ich diese Frage gestellt und ein "JA" als Antwort bekam kommt nun wohl etwas Bewegung in die Sache. Nun wird eben aus wirtschaftlichen Gründen wohl ein zweiter Rollstuhl genehmigt werden, wobei jetzt die Diskussion losgeht welche Qualität dieser haben muss. Schließlich hätte ich ja schon einen Aktivrollstuhl, der zweite Rollstuhl sein ja nur innerhalb der Wohnung, da tue es doch ein ein günstigerer.....

    Gruß
    hagelschaden


  • Hallo Hagelschaden,

    freut mich, von dieser positiven Entwicklung zu hören 😀
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