Kann ich wieder laufen lernen?

Hallo ich hatte Ende September einen Unfall, war auch im künstlichen Koma und hatte mehrere Operationen. Ich habe schon sehr viel erreicht und könnte stolz auf mich sein aber das ich nicht gehen kann macht mich fertig. Ich bin täglich am kämpfen und arbeite daran aber aktuell gibt es keinen Fortschritt mehr. Eher geht es wieder bergab. Ich bin erst 29 habe eigentlich noch mein ganzes Leben vor mir. Im Januar beginnt meine Reha noch habe ich Hoffnung das es da zu besseren Fortschritten kommt. Es betrifft bei mir nur mein rechtes Bein, es sind auch Nerven geschädigt. Aktuell kann ich stehen am Gehwagen 1-2 Schritte machen aber das Bein fühlt sich fremd an als könnte ich es nicht kontrollieren, die Motorik ist grob. Hat sich vilt jemand von euch aus einer solchen Situation gekämpft und kann heute wieder ohne Hilfsmittel laufen?

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Antworten

  • Hallo @Lisa9876

    ganz toll finde ich, wie du die Situation betrachtest, und wie hoch du deine Fortschritte im Umgang mit den Auswirkungen des Unfalls bewertest. Das ist nämlich eine topp Voraussetzung für die weitere Entwicklung. Du gehst proaktiv damit um, obwohl die Fortschritte i. M. stagnieren.

    "Kann/werde ich irgendwann wieder ohne Hilfsmittel gehen können "? Mit der Frage nimmst du die Zukunft so ein bisschen vorweg. Eigentlich ist das schon eine abgemachte Sache für dich, du weißt nur noch nicht wie. Gut daher, dir Unterstützung zu suchen.

    Natürlich ist es ganz schwer, ohne Kenntnisse der ursprünglichen Verletzungen Vorausschau zu halten. Das künstliche Koma bringt auch ganz eigene Herausforderungen mit. Sicher hast du schon Mobilitätstraining, daher stellst du vllt. neben den Krafteinschränkungen, die von der Cortisonseite her mehr oder weniger gravierend sind, auch Gleichgewichtsstörungen fest. Diese Phänomene können sich im Verlauf der Reha und der Zeit zurückbilden.

    Jetzt wird es schon schwieriger für mich, denn ich kenne ja deinen Unfall und die Berichte nicht. In der Reha wirst du neben anderen Behandlungen Ergo - und Physiotherapie erhalten. Welche Prognose halten die Fachtherapeuten für möglich?

    Und wie schätzen die Chirurgen, Orthopäden, Neurologen die Chancen ein? Zuverlässige Aussagen können nur die Behandler vor Ort treffen.

    Aber um dir ein wenig "Futter" als Antwort auf deine Frage zu geben: von der Evolution des Menschen ist immer noch die Fähigkeit des Körpers oder des Gehirns geblieben, geschädigte Gebiete und Zentren quasi zu reparieren, ne?, der Mensch muss ja die notwendigen Fähigkeiten behalten, um zu überleben. Auf das Gehirn bezogen wird das Plastizität genannt. Du kannst dir dazu einen Plastik Colabecher vorstellen, der nach seiner Verformung zum Becher wieder in die Ursprungsform zurückkehrt, wenn man den auf eine genügend warme Herdplatte stellt - er wird wieder zur Scheibe, zum ursprünglichen Rohling. Naja, der Vergleich hinkt (ein wenig), aber das Gehirn kann sich auch in die ursprüngliche Lage vor dem Unfall zurückversetzen. Je nach Art der Verletzung muss diese Leistung aber mit ganz viel Power und Geduld angestoßen werden, etwa indem du mit allen Kräften das Gehen mit deinem Trainer/Trainerin übst. Das ist viel Arbeit, aber das funktioniert. Unzählige Berichte erzählen darüber, und dein Neurologe wird dir sicher auch genauer erklären, wie das geht. Ein Beispiel für die oberen Extremitäten zeigt die Möglichkeit, mit der s.g. Spiegeltherapie eine dysfunktionale Hand oder einen Arm wieder in Funktion zu bringen. Dabei wird ein genügend großer Spiegel beim sitzenden Patienten vorn senkrecht in die Körpermitte gestellt, und zwar so, dass die dysfunktionale Seite auf der spiegelabgewandten Seite ist. Der Patient macht jetzt vor dem Spiegel bestimmte Bewegungen mit der gesunden Hand/Arm, und durch den Spiegel entsteht eine Illusion, die gegenüber liegende Hand oder Arm würde sich bewegen. Aus Studien weiß man, dass die Illusion für das Gehirn so perfekt ist, dass sich neue neuronale Verbindungen bilden, die später nach Wiedererhalt der willentlichen Steuerung durch den Patienten perfektioniert werden können. Ich glaube, es gab da mal einen Pianisten -

    Also so könnte es bei dir auch sein.

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    Gib Alles, bloß nicht auf!

  • Hallo @Pitjes vielen Dank für deine lange und ausführliche Antwort.

    Ich habe von den Ärzten und Schwestern schon viel positives Feedback bekommen auch was mein Sprachbereich betrifft. Ich Kämpfe wirklich versuche täglich mein bestes zu geben, werde aber leider auch oft depressiv und traurig. Gerade heute war wieder ein schlechter Tag, da fiel mir schon das stehen schwer und sowas entmutigt mich dann und lässt mich zweifeln. Ich hoffe einfach das die Reha was bringt und das ich dadurch wieder mehr Lebensqualität habe.

  • @Lisa9876

    Hört sich gut an!

    Traurigkeit und Melancholie sind völlig normale menschliche Gefühle, die uns mitteilen, dass wir leben und denken. Vergiss nicht, was du erlebt hast in sehr kurzer Zeit. Und du warst im Koma. Nichts kommt im Leben dem Tod näher, nichts ist vergleichbarer als mit dem Tod als ein Koma. Du hast spirituell ein höheres Level erreicht. Das will dir deine Seele mit diesen Gefühlen mitteilen. Fast alle ehemaligen Komapatienten erzählen das so. Und ein bisschen gehören solche "Zustände" auch zu dem Krankheitsbild, weshalb auch viele Patienten resignieren und sich den Folgen ergeben. Das gilt es täglich auf's Neue zu überwinden, und sich ins Leben zurückzukämpfen. Daher bist du ja richtig gut unterwegs. Meine Schwester bspw. hatte eine eigentlich hätte tödlich verlaufende Massenhirnblutung, mit Halbseitenlähmung (Hemiparese), konnte nicht sprechen und lag fast drei Monate im Koma. Heute sitzt sie im Rollstuhl, aber sabbelt wieder wie früher als Psychotherapeutin in ihrer Praxis, dank einer engagierten Logopädin. Sie hat aber nicht gekämpft, was das Gehen und Stehen anbelangt. Zum Kämpfen gehören auch die Zwischentöne, die nicht weniger wichtig sind.

    Also alles gut.

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  • Hallo Lisa,


    mich würde interessieren, wie bei dir der aktuelle Stand ist? Bei mir ist es ähnlich und irgendwie auch nicht. Ich bin auch erst 29 Jahre und habe einen Hirntumor, welcher mir die Nerven im Rückenmark abdrückt und so die Motorik meiner Beine stark einschränkt. Laufen ging lange nur an Unterarmgehstützen und wird auch dort immer schwerer. Inzwischen benutze ich einen Rollator und habe vor Kurzem meinen ersten Rollstuhl bestellt - mal sehen, wann der dann an kommt. Es ist also nicht wie bei dir schlagartig weg, sondern kam schleichend.

    Der Befund des Tumors ist laut den MRTs eigentlich so weit stabil. Die Verschlechterungen kommen scheinbar von Neuropathien durch die Chemotherapie - ob das wieder besser werden kann? Ich weiß es nicht. Wir schauen mal mit viel Hoffnung und großem Kampfgeist in die Zukunft.


    Machst du Fortschritte, wenn ja, was hat dir geholfen? Warst du in einer Reha? Hat diese dir geholfen? Über Tipps und Erfahrungswerte von dir oder gerne auch anderen, die das hier lesen und ihren Fall auch nur im entferntesten wieder erkennen, wäre ich sehr dankbar.


    Ich schaue mit einem Lachenden und einem weinenden Auge in Richtung Rollstuhl. Zum einen gibt er mir Sicherheit und erspart mir die schon auch peinlichen Stürze in der Öffentlichkeit, zum anderen habe ich angst, dadurch an den Beinen noch weiter abzubauen.

  • Hallo Lisa,

    evtl. könnte Dir das C-Brace helfen, das Knie zu stabilisieren.

    Das C-Brace ist abgeleitet von einem modernen computerkniegelenk für Prothesen.

    Das besondere ist, man kann es außen auf- oder unter der Hose anschnallen und könnte damit stabil und sicher laufen.

    such mal bei google und youtube.

    Gegen die Depressionen musst ankämpfe, möglichst ohne Medis. Es ist schwer, aber machbar.

    liebe grüße

    Karin

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • "Gegen die Depressionen musst ankämpfe, möglichst ohne Medis. Es ist schwer, aber machbar."


    @Karlinchen diese auskunft halte ich für mehr als fragwürdig. jemand mit einer depression sollte sich unbedingt ärztlich beraten lassen. allein damit "fertig" zu werden, widerspricht jeglicher erkenntnis.


    gruß

  • @Karlinchen

    Solange @Lisa 9876 dies high tech Teil als Orthese, und nicht als Prothese vorübergehend nutzt, wird das eine gute Übergangslösung darstellen. Ansonsten habe ich die Befürchtung, dass unter der ständigen Anwendung die Remission der Lähmung wegen der geringeren Ansprache der geschädigten Nerven leidet, bzw. ausbleibt. Zur Unterstützung der Selbständigkeit im Alltag ist das super. Ob die beteiligte Krankenkasse das auch so sieht, bleibt abzuwarten.

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  • Pitjes
    Pitjes ✭✭✭
    bearbeitet 11. Mär 2023, 11:54

    @Lisa9876

    Durch die ausschließliche Einschränkung des rechten Beins kannst du hervorragend dein Linkes zur Unterstützung bei der Spiegeltherapie nutzen! Sprech das Thema einfach mal in der Reha, und bei dem behandelnden Neurologen an - es wirkt! Wichtig dabei ist die Vorstellung der Bewegung, das wird "Ideation" genannt. In vielen Studien unter bildgebenden Verfahren konnte gezeigt werden, dass allein der Gedanke an eine Bewegung ausreicht, um in Gehirn das betreffende motorische Zentrum anzusprechen, und aufleuchten zu lassen. Du kannst also allein durch Denken eines Spaziergangs die Neurone zum Wachsen anstoßen. Das ist super!

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  • @Pitjes Das muss sie selbst einschätzen. Diese Technik kann man ja

    Technik ohne anderweitig ranzugehen

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • Ich sehe auch eine Amputation zur Verbesserung der Lebensqualität, aber erst, wenn andere Möglichkeiten ausgeschöpft sind

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • @annev

    Etwas für "fragwürdig" zu halten, basiert auf einer Vermutung, nicht auf Wissen. Wenn sich jemand "als depressiv" bezeichnet, heißt das noch lange nicht, dass es auch so ist. Dazu gehört eine differenzierte Diagnostik.

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  • @Karlinchen

    Entschuldige, aber diese Äußerung, nach Allem, was sie bisher berichtet hat, halte ich für höchst grenzwertig und demotivierend, kurz für komplett Daneben. Wir haben doch überhaupt keinen Einblick in ihr Krankheitsbild, und sie beschreibt ihren Gemütszustand als depressiv und traurig! Trotzdem ist sie eine Kämpferin, und will gesund werden!

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  • @Karlinchen

    Sehe ich anders, und meine Erfahrungen bestätigen das. Die Patienten haben selten Kenntnisse über neurologische Zusammenhänge. Mit dieser Unkenntnis werden die auch häufig allein gelassen, weil man sie unterschätzt. Aufklärung über Behandlung und Therapie sollte deutlich ausgebaut werden.

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  • Karlinchen
    Karlinchen ✭✭✭
    bearbeitet 11. Mär 2023, 13:31

    genau, dshalb kann man in solchen Foren ideen aufnehmen, um sie fachlich prüfen zu lassen oder auszuprobieren.

    an was ich denke, kann man ja probieren im entsprechenden Sanitätshaus

    Es hat sich auch erwiesen, dass Neurologen mit ihrer Technik nicht alles prüfen(können) und Schlussfolgerungen zum Nachteil des Patienten treffen. Sie können ja nichtmal ein Kopf-MRT selbst auf dem PC auswerten


    Es ist nicht meine Art im fremden Thread Nebendiskussionen zu führen. In diesem Fall find ich es aber sinnvoll


    Behinderte müssen um die beste Lebensqualität kämpfen!

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • @Karlinchen

    Exakt! Man kann sich inspirieren lassen.

    Deine Meinung über die Neurologenfähigkeiten stimmen vllt. im Einzelfall, grds. gehört die Interpretation eines MRT, CT nicht zu deren Kernkompetenzen. Dafür gibt es ja die Radiologen.

    Zitat: Die Behinderten müssen./. kämpfen.

    Die Alternative wäre mglw. fehlerbehaftete Delegation, und Couch.

    Da kämpfe ich lieber.

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