Unterschiedliche Auffassung von körperlichen vs. psychischen Krankheiten

Diese Woche hatte ich eine kleine Auseinandersetzung mit meiner Chefin. Es ging darum, dass eine Person die wir beide kennen ab sofort täglich psychiatrische Spitex benötigt (und diese glücklicherweise auch bekommt). Meine Chefin sagte, dies sei "verrückt". Ich habe sie dann darauf hingewiesen, dass ältere Menschen die sich z. B. nicht mehr selber waschen können auch täglich Spitex bekommen, ohne dass sich jemand darüber aufregt…

Ich weiss nicht, warum da so ein grosser Unterschied in den Köpfen der Menschen herrscht. Wenn jemand aufgrund einer psychischen Erkrankung beispielsweise den Haushalt nicht mehr alleine bewältigen kann, finde ich es genauso legitim, dass dieser Mensch Hilfe bekommt, wie wenn der Mensch aufgrund eines gebrochenen Beines nicht putzen könnte…

Kommentare

  • Nadine_EnableMe
    bearbeitet 12. Jul 2024

    Hallo @OK,

    noch beim Lesen deines Threads fiel mir ebenfalls der Vergleich mit dem gebrochenen Bein ein. Psychiatrische Pflege ist Pflege. Leider zeigt sich oft, dass in unserer Gesellschaft immer noch wenig Verständnis für psychische Erkrankungen übrig ist. Gerade unsichtbare Behinderungen / Erkrankungen geraten oft auf Unverständnis. Das ist sehr schade. Umso schöner ist es, dass wir hier im Forum offen über diese Themen sprechen können.

    Ich hoffe sehr,dass allgemein darüber zu sprechen dazu führt Vorurteile und Stigmatisierung abzubauen und zu mehr Awareness und Verständnis führt.

    Viele Grüße

  • Hallo Zusamen
    Mit diesen Vorurteilen habe ich und meine Partnerin auch zu kämpfen. Hätte sie ihr Unterschenkel durch einen Unfall oder Fremdverschulden verloren, wäre die Akzeptanz grösser.
    Sie verlor hingegen durch ihre Traumatische Vergangenheit, die sie zur einer Selbstverletzung führte, ihr Bein.

    Der Unerschenkel ist weg, wie sollte eigentlich egal sein und der Grund für das wieso sollte wiederum akzeptanz haben. Unsere Geselschaft und sogar meine Berufsgattung (Pflege) geht mit dieser Meinung weit auseinander.

    Es ist und bleibt am Ende eine Traumatische Erfahrung für alle beteiligten.

  • OK
    OK ✭✭✭

    @reimundo Ich wünsche deiner Partnerin viel Kraft für Ihren Heilungsweg.

    Es liegt in der Natur des Menschen, einen Schuldigen suchen zu wollen. Aber oft ist das überhaupt nicht sinnvoll. Denn egal wer als Schuldiger definiert wird, manche Geschehnisse kann man nicht rückgängig machen. Stattdessen sollte das Ziel sein, mit der Situation umzugehen, so wie sich die Situation präsentiert. Das ist leichter gesagt als getan, ich selber kann das auch noch nicht überall.

    Ich habe mich auch schon selber traumatisiert, allerdings ohne bleibende körperliche Schäden. Das ist auch etwas, was in den Köpfen von vielen Menschen gerne vergessen geht. Selbstverletzendes Verhalten - egal welcher Art und mit welcher Absicht - kann auch für den sich verletzenden Menschen ein traumatisches Erlebnis sein. Wenn dann hinterher von nahen Personen (z.B. Angehörige, aber auch Pflegende im Spital) Vorwürfe folgen, finde ich das nicht förderlich. Viel zu oft geht vergessen, dass Selbstverletzungen aufgrund von psychischen Krankheiten passieren - und nicht etwa, weil die Person morgens aufgestanden ist und grundlos, unprovoziert und aus freiem Willen entschieden hat, sich selbst zu verletzen.

  • @reimundo

    psychische Störungen hat man oder bekommt sie auch im Zusammenhang mit einer Amputation.

    Heilen mit Medikamenten kannman das meist nicht oder ur mit großen Nebenwirkungen.

    Siw hat sich mit der Selbstverletzung ein Ventil gesuch, um Druck abzubauen.

    Die Frage ist nun, war sie erfolgreich und konnte damit ihre Psyche wieder in richtige Bahnen lenken?

    Wenn ja, hat sie doch einen guten tausch gemacht, denn sie wird mit Prothese wieder normal gehen können, wenn sie ansonsten gesund ist.

    Ich sage das so, weil ich selbst amputiert bin und eine normales Leben führe.

    dann gute Genesung Deiner Partnerin und Dir viel Kraft

    Karlinchen

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • Ich glaube, Grundsätzlich sollte sich jeder selbst Gedanken darüber machen, was heisst für Ihn Gesund oder Krank. Bevor man überhaupt sich Gedanken machen kann ob es möglich ist psychischer Krankheit gegenüber einer Körperlichen zu vergleichen. Nach WHO sind beide Krank und nach Friedrich Nietzsche "Gesundheit als dasjenige Maß an Krankheit, das es noch erlaubt, wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen." Sind beide unter Umständen nicht.

    Irgendwann sind mir mit diesen Fragen tief in der Ethik.

    Ich komme aus der Pflege und weiss das dies unter umständen zu heftigen Diskussionen führen kann.

    Was heisst eine Erfolgreiche Genesung und wann ist diese Erreicht? Kann das nur jemand mit einer Psychischen Erkrankung oder mit einer Physischen Erkrankung und dabei kommt es am Ende auf die Krankheit selbst drauf an. Auch hier ist es wiederum sehr individuell.

    Was heisst ein normales Leben mit Amputation? Sprich kann ich ohne meine Brille ein "Normales Leben führen? "Nein aus heutiger Sicht nicht, da zum "Normalen Leben" bei mir das Autofahren, Radfahren und in die Weite zu sehen und dabei Scharf zu sehen dazu gehört. Ohne das Hilfsmittel mit der Brille wäre dies nicht oder eingeschränkt möglich.

    Neues Problem: Wer definiert das "Normale Leben"? Für jemanden der mit einem Auge geboren wurde ist es Normal auf einem Auge zu sehen und zu gehen und wir wo 2 Augen sehen und gehen sind die "Nicht Normalen" aus seiner Sicht.

    Welche Bahn ist den richtig? Für jemanden der kein Alkohol zu sich nimmt ist das die richtige Bahn und für den anderen wo jeden Abend 1 Glas Wein trinkt ist das richtig. Also wäre auch hier eine Definition angebracht zum Bestimmen wer von uns mit der Psyche auf der richten Spur ist.

    Wünsch einen schönen Tag

  • @reimundo

    Für das, was Du jetzt schreibst, gibt es keine gesetzliche Regelung. Das darf jeder für sich bewerten.

    Du vermischst hier einiges, Dein berufliches und das evtl. private.

    In dem direkten Kontakt, wo ich Dir helfen wollte, hast Du plötzlich nicht mehr geantwortet.

    Somit weiß ich nicht, was Du bezwecken willst und kann das leider nicht einordnen.

    VG

    Karlinchen

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • Hey @OK

    Ja, ich glaube da ist deine Chefin leider nicht die Einzige... Ich denke, es fällt den Leuten einfach viel schwerer, da man Psychische Probleme nicht „greifen“ kann. Man sieht nicht, was da genau „kaputt“ ist.

    Ich selbst hab eine körperliche und psychische Behinderung. Wenn es ums Körperliche geht ist einigermassen Verständnis da, aber wenn ich dann von der Psyche spreche, wird es meist bagatellisiert.Ich musste lernen, dass es leider Menschen gibt, die es nicht verstehen können. Mit solchen Personen diskutiere ich daher auch gar nicht mehr. Oft ist es so, dass man eine Psychische Krankheit selbst erfahren muss, um zu verstehen was es bedeutet und einen genauso einschränken kann wie eine körperliche Erkrankung.

    Ich bin ehrlich-vor meiner Psychischen Erkrankung hätte ich vermutlich die Körperlichen Krankheiten den Psychischen ebenfalls übergeordnet. 🙈

    Ich finde es super, dass du dich für eine „Gleichstellung“ einsetzt! Was du sicherlich sagen kannst, ist, dass die Psychischen Krankheiten nicht aus Spass im ICD (Diagnosemanual der WHO) aufgeführt sind. Zudem kann man einige Krankheiten durch klare Veränderungen im Hirn mittels Scan erkennen und manche Hinweise sind auch im Blutbild erkennbar. (Zb. Depression oder Trauma. Gibt bestimmt noch mehrere). Und noch ein wichtiger Punkt; Psychische Erkrankungen können Betroffene je nachdem bis in den Tod treiben-daher kann man durchaus sagen, dass eine Spitex wohl mehr als gerechtfertigt ist.

    Auf alle Fälle, danke dass du dich dafür einsetzt, und das schöne ist ja, man trifft auch immer wieder auf schöne, verständnisvolle Begegnungen!🙌