Herzlich willkommen in einer Welt die richtig aussieht aber irgendwie komisch ist. Kurz zu mir: Ich bin 21 Jahre alt und Asperger-Autistin. Ausserdem habe ich rezidivierende Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung. Von meiner Asperger-Diagnose habe ich zum ersten Mal erfahren, als ich 8 Jahre alt war. Es hat also 13 Jahre gedauert, bis meine Beziehung zu meiner Asperger-Diagnose dort angekommen ist, wo sie jetzt ist. Es ist ein laufender Prozess und ich bin noch lange nicht am Ziel. Es gibt Tage, da bin ich zufrieden mit mir selbst und andere Tage, wo das Gegenteil der Fall ist. Nachfolgend möchte ich meine Ansichten zu Autismus und Asperger teilen. Dies sind ausdrücklich meine Meinungen, andere Menschen könnten komplett andere oder gegensätzliche Meinungen haben:
Diagnostik/Terminologie: In einigen Kreisen wurde die Diagnose Asperger-Syndrom abgeschafft und das Asperger-Syndrom wurde in die Diagnose Autismus-Spektrums-Störung aufgenommen. Ich finde, dass das Wort Asperger-Syndrom, ungeachtet der Taten des Arztes Hans Asperger, eine sinnvolle Unterscheidung zu anderen Autismus-Spektrums-Störungen ermöglicht. Sinnvoll deshalb, weil die Herausforderungen, mit denen ich lebe, andere sind als die Herausfoderungen, mit denen andere Autisten leben. Ich «leide» auch nicht an Autismus oder am Asperger-Syndrom. Mein Leid entsteht allenfalls durch mangelnde Akzeptanz in der Gesellschaft, nicht durch die Behinderung an sich.
Sozialkompetenztraining: Es gibt Therapien, die Sozialkompetenztraining, Training sozialer Kompetenzen oder ähnlich genannt werden. Als Kind habe ich mehrere dieser Therapien in den Kantonen Graubünden, St. Gallen und Zürich durchlaufen. Als junge Erwachsene folgten weitere Kurse in Graubünden und St. Gallen. Ich kann keinen dieser Kurse/Therapien, die ich persönlich besucht habe, mit gutem Gewissen empfehlen. Vielleicht meldet sich noch jemand, der diesbezüglich positivere Erfahrungen teilen kann.
Anpassung: Sich anzupassen, ist anstrengend. Ich muss täglich abwägen, inwieweit ich mich anpasse und wo ich mich auch schonen muss. Durch viele, teils missglückte, Anpassungsversuche in der Kindheit und Jugend habe ich mich selbst ein Stück weit verloren. Ich kann bis heute nicht beantworten, was meine Persönlichkeit ist. Es fühlt sich an, als wäre meine Persönlichkeit in viele kleine Splitter zersprungen und ich versuche, diese Splitter aufzuheben wärend das Leben in gewohnter Geschwindigkeit weiterrennt. Zum Glück habe ich seit Kurzem eine Arbeitsstelle, bei der ich mich weniger anpassen muss als z.B. während meiner Lehrzeit.
IV: Die Invalidenversicherung, kurz IV, kann hilfreich sein, sie kann aber auch das Gegenteil sein. Die Chance ist in etwa 50/50. Die IV kann z.B. eine Ausbildung im geschützten Rahmen ermöglichen. Für mich war das die einzige Möglichkeit, überhaupt eine Lehre zu machen. Die IV kann auch mit Job Coaching oder anderen Integrationsmassnahmen dazu beitragen, dass man die Arbeitsstelle entweder behalten oder eine bessere Arbeitsstelle finden kann. Andererseits können vorgeschlagene Arbeitsstellen von der IV auch völliger Nonsens sein, manchmal braucht es da mehrere Versuche. Man begibt sich in eine gewisse Abhängigkeit, wenn die IV immer auch mitentscheiden muss und insbesondere für KMU erhöht sich der Personalaufwand für deine Vorgesetzten enorm, wenn die IV plötzlich involviert ist. Bei Problemen am Arbeitsplatz, die sich nicht intern lösen lassen, kann ich das Job Coaching der IV mit gutem Gewissen empfehlen.
Falls du Englisch kannst, teile ich gerne drei Videos und ein Lied, die mir in meinem Leben in Bezug auf Asperger-Syndrom/Autismus ein Stück weit geholfen haben:
The Hidden Rules of Conversation: https://www.youtube.com/watch?v=IJEaMtNN_dM
Why “No Problem” Can Seem Rude: Phatic Expressions https://www.youtube.com/watch?v=eGnH0KAXhCw
The Autism Spectrum: Explained https://www.youtube.com/watch?v=paX6IcPZPjM
Amy Macdonald - The Human Demands https://www.youtube.com/watch?v=3cO4f9-oiTI
Obwohl meine Muttersprachen Deutsch und Romanisch sind, finde ich auf Englisch oft treffendere Worte dafür, wie ich mich fühle. Das nur als interessante Schlussbemerkung.