Ein bunter Strauß Einschränkungen

Hallo an alle!


Ich habe mir nun einige Zeit genommen, mich ins Forum einzulesen und habe schon auf den einen oder anderen Beitrag geantwortet. Heute fühlt es sich schließlich richtig an, mal wirklich 'einzusteigen' und ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern, in der Hoffnung, dass sich die oder der eine oder andere angesprochen fühlt und sich ein wenig austauschen möchte, oder auch nur still mitlesen will und sich nichtmehr so alleine fühlt.


Vorab möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen. Ich werde sehr offen sprechen, wenn auch nicht detailliert. Sexuelle Inhalte werden angesprochen.


Mein Name fängt, wie mein Nutzername, mit D an, und das reicht auch erstmal aus. Ich bin 34, komme aus Österreich und war bereits in meiner Kindheit ein bisschen anders. Das sagt sich so leicht, klingt so schwammig, ich weiß. Ich war ein stilles Kind, hatte niemals einen großen Freundeskreis, galt als sensibel und stark untergewichtig. Schon im Kindergarten wollte mich die 'Tante' zwingen zu essen, und als Reaktion darauf, hab ich ihr einfach den eingezwungenen Spinat auf die Schuhe gekotzt 😀

Meine Mama erzog mich die ersten Jahre alleine, da mein leiblicher Vater... naja. Sagen wir einfach, er war nicht eingebunden. Außer er hat uns mal wieder verfolgt, aber das ist ein ganz anderes Thema. Mein Leben hat also mit einiger Instabilität angefangen.

Ich habe sehr frühe Erinnerungen. Ich war maximal 3 Jahre alt und kann einiges erzählen, was damals so vorgefallen ist. Zwischen meinem 4. und 8. Lebensjahr kam dann emotionaler und körperlicher Missbrauch von einer 'Freundin', einer Gleichaltrigen, die ihr eigenes instabiles Elternhaus gerne an mir ausließ. Zur gleichen Zeit erfuhr ich erste Panikattacken, zb eine Schluckstörung beim Essen und exzessives Kratzen am Kopf. Nur wenig später fand meine Mama einen neuen Partner, und auf einmal hatte ich nichtnur den ersehnten Bruder, sondern auch die noch viel mehr ersehnten Großeltern. Ich hatte Hoffnung. Aber nicht sehr lange. Mein neuer älterer Stiefbruder missbrauchte mich sexuell, und meine neuen Großeltern gaben alles um mich spüren zu lassen, dass ich niemals Teil dieser Familie sein würde. Mein Stiefvater kann zwar bis heute keine Liebe zeigen, aber ich weiß dass er mich als sein eigenes Kind anerkannt hat und mich mindestens so sehr liebt wie seinen leiblichen Sohn.

Soviel zu meinem Start ins Leben. Er war nicht laut, nicht dramatisch, nicht plakativ. Nicht einfach zwar, aber auch nichts, was man nicht überleben könnte.

Weiter ging es eher mit körperlichen Problemen; zum Kopfkratzen kam noch ein aufkratzen der Arme und Beine, ständige Fieberschübe, Bauchkrämpfe, anhaltender Durchfall und eine starke Abgeschlagenheit. Dazu immer schlimmer werdende Probleme, mich zu konzentrieren. In der Schule konnte ich dem Unterricht nicht folgen, außer ich durfte nebenher zeichnen. Eine Sache auf einmal war mir nicht möglich, es mussten immer 2 oder 3 sein.

Als Teenager habe ich gemerkt, dass mich Geräusche, Menschenansammlungen und Stimmungen meiner Mitmenschen weitaus mehr verstören, als alle anderen. Hat jemand im Fernsehen Fußball geschaut und spontan gejubelt oder geschimpft, bin ich ins Badezimmer geflohen und habe mich da verkrochen. Bei längeren Gesprächen vergaß ich mitten im Gespräch, was das Thema war oder ich erlitt einen völligen Realitätsverlust. Ich war weiterhin schwer untergewichtig, und es würde noch viele Jahre dauern, bis ich wusste, woran es lag. Ich fühlte mich generell überfordert und irgendwie 'falsch'. Darum habe ich meine Mutter gebeten, mich mal für einen Termin bei einem/r Therapeutin/en anzumelden. Ihre Reaktion auf diese Bitte war heftig; Sie schrie mich an, meinte mit mir wäre alles in Ordnung, sie hätte nichts an mir falsch gemacht, und ich solle nur ja nie wieder um einen solchen Schwachsinn bitten.

Tja, das ist mal eine Ansage.

Die Krämpfe und Fieberschübe wurden übrigens damit abgetan, dass ich einfach nicht zur Schule gehen oder bestimmte Arbeiten nicht schreiben wollte. Ich musste betteln, um zum Arzt zu dürfen.

Ich schloss die Schule ab, mit nichts als 1ern und 5ern, dazwischen gab es nichts. Entweder ganz, oder garnicht. Allein mein Zeugnis hätte zu einer näheren Untersuchung führen müssen, aber ratet mal... die gab es natürlich nicht.


Ich fing mit 16 in der Firma meines Vaters an. Er wollte, dass ich irgendwann seinen Posten übernahm, aber ich wehrte diese Idee sofort ab. Die Branche war mir zu technisch, zu trocken, zu industriell.

Ich arbeitete vollzeit, und meistens ging das ganz gut. Ich war zwar anhaltend unterfordert, aber mir wurde von zu Hause sowieso eingetrichtert, dass ich zu faul, zu unzuverlässig und zu unselbstständig wäre, um 'richtig' zu arbeiten. Dass mich ein normaler Arbeitgeber niemals brauchen könnte, dass ich quasi arbeiten würde wie in einer geschützten Werkstätte.


Jahre vergingen, ich bewarb mich an der Kunstuni, wurde aber nicht genommen weil ich zu dem Zeitpunkt eben erst 16 war und nicht genau wusste, wohin ich im Leben wollte. Talent hatte ich immer, aber daheim wurde 'kreativ' nur im negativen Zusammenhang benutzt. So in etwa, wenn man nichts kann, ist man halt 'kreativ'. So wurde meine große Stärke zu einer Sache mehr, derer ich mich zu schämen hatte. ich unternahm keinen weiteren Versuch, mich an einer Uni zu bewerben.


Mein Vorgesetzter war ein - vergebt mir den Ausdruck - absolutes A*schloch. Er hielt mich klein, gab mir keine richtigen Aufgaben, und schließlich wurde mir im Unternehmen eine andere Position angeboten; Eine Kollegin vom Empfang ging in den Mutterschutz, und ich sollte sie ersetzen. Mir war's nur recht, kam ich dadurch zumindest räumlich von meinem Chef weg. Im Empfang war mehr zu tun als zu telefonieren, zB hatten wir Kaffee zu servieren, in alle Besprechungszimmer, und von denen gab es 3. Wir waren zu zweit. Eine von uns hing also unablässig am Telefon (Vermittlung) und die anderen empfing LKW-Fahrer, Besucher, servierte Kaffee, kümmerte sich um das Geschirr, die Eingangs- und Ausgangspost, die E-Mails, den Einkauf und die Verteilung des Büromaterials und noch Vieles mehr. Es war stressig, aber immerhin verging die Zeit schnell. Dann ging meine Kollegin in Pension, und ich wage zu behaupten, dass da die S*cheisse wirklich zu kochen begann; Ich machte alles vorhin genannte allein. Ich war beliebt bei Anrufern und Besuchern, weil ich sehr freundlich war und gerade die heikleren Zeitgenossen mit einem 'Schmäh' anpackte und außerdem gut Englisch sprach. Ich riss mich zusammen und schaukelte alles. Musste ich auf die Toilette, hatte ich mir für die 2 Minuten eine Vetretung zu suchen. Essen durfte ich weder im Empfang, noch in der Küche. Pause wurde mir abgezogen, aber ich durfte natürlich keine machen. Mir wurde immer wieder gesagt, es würde nach einer neuen Kollegin gesucht werden, aber es dauerte Monate, bis ich merkte, dass garkeine Stelle ausgeschrieben war. Darauf angesprochen sagte mein Chef nur mit einem abschätzigen Grinsen; Wieso? Das ist eine Arbeit die ein Affe machen könnte, und ich sehe ja dass du es alleine auch kannst.

Ich war dumm genug und wollte meinen Wert beweisen, also machte ich weiter.



  • die Story geht natürlich noch weiter, aber ich will erstmal sehen, ob überhaupt Menschen dabei sind, die so viel lesen möchten 😅

alles Liebe euch!

Beste Antwort

  • Paul69
    Paul69
    Antwort ✓

    Hallo Darling,

    anstatt auf Kommentare zu warten schreib doch bitte einfach weiter! ;-)

    LG

    Paul

«1

Antworten

  • der text von @Darling haut mich perönlich um, das muss ich erst mal sacken lassen.

    ich wäre eher für eine pause.


    lg jenner

  • nein, muss ich nicht. ich befürchte aber, dass bei einigen bei sehr langen beiträgen die konzentration nachlässt.

  • Auch die müssen ja nicht weiterlesen...

    Ich stoppe das hier mal weil es definitiv zu nichts führt.

  • @jenner macht doch nichts, ihr könnt es ja für euch selbst dosieren :) wie bei einem Buch.


    @Paul69 ist gut :) geht eh nur schrittweise, auch meine Konzentration ist eingeschränkt.

  • Ich blieb also in diesem Job, weil mir von allen Seiten eingetrichtert wurde, dass ich einfach nur nicht belastbar genug sei und mich eben zusammenreißen müsse.


    Nachdem meine Panikattacken unerträglich geworden waren, verschrieb mir der Hausarzt Tropfen die ich nicht wirklich hinterfragt habe. Er sagte nur "Bei Bedarf." und nichts weiter. Ich nahm sie länger als ein Jahr ehe mir aufging, dass ich angefangen hatte sie in mein Trinkwasser zu mischen um irgendwie über den Tag zu kommen und ich mich oft nicht daran erinnern konnte, wie ich zur Arbeit gekommen war. Endlich machte ich mich schlau und stieß auf meine fortgeschrittene Valiumabhängigkeit die ich in einem Akt der Sturheit per kaltem Entzug selbst beendete.


    Irgendwann brach ich in Tränen aus sobald die Tür aufging oder das Telefon läutete, unnötig zu erwähnen, dass das den ganzen Tag über nicht abriss. Ich war runter auf 39 Kilo auf 167cm Körpergröße. Ich schlief nurmehr im Sitzen, volle 3 Monate lang, wegen heftigem Sodbrennen. Mein Chef schimpfte wegen Kleinigkeiten, zufrieden schien er nie zu sein. Ich hörte auf zu essen, weil selbst Leitungswasser das Sodbrennen nur anfachte. Drei Tage später landete ich komplett entkräftet im Krankenhaus.

    Nach dem Krankenhausaufenthalt (bei dem man nichts Körperliches fand) beichtete ich meinem Chef, dass ich 3 Wochen krankgeschrieben wurde. Stressbedingte Belastungsstörung, hieß es. Ich brach vor lauter schlechtem Gewissen in Tränen aus. Er sah mich an, zog die Schultern hoch und meinte "Ja, du hast sicher privat irgendwelche Probleme, von der einfachen Arbeit die du hast kann es ja nicht kommen."

    Dazu sei angemerkt dass der Empfang in den späteren Jahren immer wieder neu besetzt wurde, und keine hat es länger ertragen als ein paar Monate, gewöhnlich sogar kürzer. Aufgaben wurden weggenommen, in jedem Raum wurden Kaffeemaschinen aufgestellt sodass der Service wegfiel, und auch heute sind sogar diese stark eingeschränkten Aufgaben mit einer Person nicht abzudecken. Ich arbeite mittlerweile in einer anderen Abteilung und sehe nurmehr aus der Ferne kopfschüttelnd zu. Es kommen von Kollegen immernoch Kommentare wie "Seit du das nichtmehr machst gehts nur bergab" oder "Wie hast du das so lange ausgehalten?". Die Wahrheit ist, dass ich es NICHT ausgehalten habe. Darum auch der interne Wechsel und endlich habe ich auch einen neuen Vorgesetzten der sehr zufrieden mit mir ist.


    Nach dieser Zeit, die jetzt auch schon einige Jahre zurückliegt, geriet ich in missbräuchliche Beziehungen, in der Schlimmsten blieb ich 6 Monate ehe ich die Flucht ergriff und mich niemals wieder so behandeln ließ. Ein Beispiel aus dieser Beziehung; Ich bin kein Mensch, der in einem Streit schreit. Ich will die Dinge friedlich lösen, mit Verständnis und Liebe. Aber er wollte den Konflikt, und hat mich stundenlang angebrüllt, bis sich schließlich ein Schalter in mir umgelegt hat und ich in völliger Resignation zurückgeschrien habe. Darauf fiel die ganze Wut aus seinem Gesicht und er meinte zufrieden "Siehst du? Ich weiß doch, wie ich dich brechen kann."


    Auch das liegt lange zurück. 10 Jahre in etwa.


    Ich zog aus meinem Elternhaus aus, beschloss (und sagte es auch laut damit es für alle klar ist) dass ich nicht weiter zu den Zwangsbesuchen zu den Großeltern mitkommen würde, und dass ich jetzt verdammt nochmal in Therapie bleibe (was nach der Belastungsstörung unumgänglich geworden war). Ich wurde medikamentös eingestellt. Antidepressiva, Neuroleptika, das ganze bunte Arsenal.


    (an dieser Stelle wieder eine Pause)

  • Paul69
    Paul69
    bearbeitet 18. Okt 2022, 11:11

    Erstmal einen riesen RESPEKT. Ich kann dich nur ermuntern das weiterhin so handzuhaben. Schreib einfach in dem Tempo das du willst.

  • da schließe ich mich an (respekt). @Darling wird aber sicher selbst wissen, ob und wann sie pausen einlegen muss und will.

  • Na das sage ich doch...sie soll so in dem Tempo machen wie sie will. Lesekompetenz?

  • Weiter geht's 😃


    ich habe mich als von der Familie meines Stiefvaters distanziert. Zu meiner absoluten Überraschung haben meine Eltern das relativ cool genommen. Ich habe meine Mutter irgendwann gefragt, wieso es da keinen riesen Aufschrei gegeben hat, und sie meinte bloß; Darling, wir haben alle gesehen, wie sie dich behandelt haben.

    Sicher, ich habe nie die liebevollen Großeltern gehabt die ich mir gewünscht habe, aber wer weiß, vielleicht darf ich irgendwann Großmutter sein und meinem Enkel das geben, was ich nie hatte. Das würde Vieles aufwiegen, finde ich.


    Auch zu meinem Stiefbruder habe ich keinen Kontakt mehr. Er ist jetzt Alkoholiker und ruft unseren Papa gerne sturzbetrunken an und droht, sich das Leben zu nehmen, wenn Papa ihm kein Geld überweist. Es geht immer nur um Geld. Zu Geburtstagen, Ostern, Weihnachten, Vatertag hört man nichts von ihm. Papa ist nur Papa wenn das Geld knapp wird. Mit der Einstellung kann ich absolut nichts anfangen.


    Vor einiger Zeit ist mein leiblicher Vater verstorben, den ich mit etwa 25 aufgesucht hatte weil mir doch meine biologischen Wurzeln keine Ruhe ließen. Es hat sich rausgestellt dass ich noch weitere Halbgeschwister habe, die allesamt nichts von mir wussten. Eine Ältere in der Nähe und zwei jüngere auf Kuba. Ich habe damals zu meinem leiblichen Vater gesagt, nachdem ja alle diese Kinder in Geburtsurkunden seinen Namen stehen haben, was er denkt wie es dann seiner Frau einmal gehen wird wenn er stirbt und der Notar sagt dann was von vier Kindern statt von dem einen von dem sie weiß. Seine Antwort darauf war "Was kümmern mich Einzelschicksale?" - woraufhin ich aufgestangen und gegangen bin. Was für ein A*sch. Jedenfalls ist er dann tatsächlich wenig später gestorben, und die Witwe wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass es weitere Erben (mich) gibt, wovon sie nichts geahnt hat. Von der Notarin wurde ich wie ein typischer Erbschleicher behandelt, richtig von oben herab und offenkundig feindselig. Bis ich gesagt habe "Okay, und was ist mit meinen anderen zwei Geschwistern auf Kuba?" - die Notarin war völlig sprachlos. Von diesen Kindern hatte auch sie nichts gewusst. Sie geriet ins stocken und fragte dann ob mir denn klar sei dass durch meine Aussage möglich wäre, dass ich mein Erbe teilen müsste. Ich bejahte, und meinte "Ja, natürlich. Aber wie komme ich dazu etwas zu erben und meine Geschwister nicht? Das wäre nicht fair." Und sie stockter wieder. Dann sagte sie "Dann geht es Ihnen garnicht ums Geld?!"


    Meine kubanischen Geschwister haben wir bis heute nicht gefunden, aber das Erbe betrug so und anders nur wenige hundert Euro. Davon habe ich mir eine analoge Kamera gekauft auf die ich schon länger ein Auge geworfen hatte. Ich würde das schon als 'Happy End' bezeichnen.


    Derweil in der Therapie wurden neben der Belastungsstörung auch noch eine generalisierte Angststörung, Depression, PCOS und Zwangsstörungen festgestellt. Später noch diffuse Züge von Autismus und starke Symptome von ADHS. Beides ist noch in Abklärung, aber ich muss ehrlich sagen, es ist mehr als offensichtlich. Ein kurzer Verdacht einer DIS wurde schnell wieder verworfen. Habe ich von meinen Bauchkrämpfen erzählt? ich weiß es nichtmehr. Es wurde eine sehr sehr starke Fruktoseintoleranz festgestellt die für die vielen Krankenhausaufenthalte verantwortlich gewesen ist. Das angebliche "Vortäuschen weil ich nicht zur Schule wollte". Oh und ich habe zwei unterschiedliche Typen von Migräne. Davon abgesehen habe ich anscheinend eine IQ von 146, aber ganz ehrlich, ich kann mich nur phasenweise konzentrieren, also hab ich davon herzlich wenig. Es ist als hätte man ein Auto mit 400 PS aber eine Straße voller Schlaglöcher.


    Ich glaube, dass ich hier fertig bin.. das war alles, was sich für mich im Rahmen einer ausschweifenden Zusammenfassung richtig anfühlt.


    Vielleicht hat ja jemand ähnliche Diagnosen / Erfahrungen? Ich würde mich ehrlich über jeden Austausch freuen!


    alles Liebe

    D.

  • Danke für deine Geschichte. Sie hat mich sehr berührt...

  • Hallo D.,


    ganz viel Respekt für deinen Mut deine Geschichte hier aufzuschreiben!

    Ich maße mir nicht an, ob du stolz darauf bist....aber ich hoffe es von Herzen.

    Viele können nicht so von außen refelktiert ihre Situation schildern, doch du schaffst das.


    Wie geht es dir mit dem Aufschreiben hier?


    Du fragtest nach Menschen, denen Ähnliches widerfahren ist. Da melde ich mich doch glatt, habe ich doch selbst nie in meinem bisherigen Leben jemanden gefunden, der überhaupt meine Geschichte ausgehalten hätte zu hören oder überhaupt hören wollte.


    Was ist dein Wunsch für dein Leben? Hast du eine Perspektive, wie und ob du mit deinem Lebenspaket voran kommst/kommen möchtest?


    Viele Grüße

    Tinchen :)

  • hi @Tinchen


    danke dir ganz herzlich für deine Antwort und natürlich auch fürs Lesen! Ich freu mich ehrlich über jede/n der/die sich die Zeit dafür nimmt.


    Ich werde öfter mal gefragt ob ich Stolz bin auf die Entwicklung, oder werde drum gebeten doch bitte stolz darauf zu sein, aber wenn ich ehrlich bin seh ich da wenig Grund Stolz zu empfinden. Ich versteh wie der Gedanke zu Stande kommt, wahrscheinlich würd ich sowas selbst auch zu anderen sagen, aber ich in der Situation und mit der ganzen Nähe dazu, seh ich eigentlich nicht was daran mich stolz machen sollte. Ich bin mir selbst für einige Schlüsselmomente dankbar, ganz einzelne Entscheidungen und Momente in denen ich mich zu meinem eigenen Wohl überwunden habe. Aber da empfinde ich eben eher Dankbarkeit als Stolz. Schwer zu beschreiben.


    Das Ganze aufgeschrieben zu haben fühlt sich gut an. War aber schwer weil ich immer diese Stimme im Hinterkopf hatte die sagte hey, dir hat nie jemand irgendwelche Knochen gebrochen, du hast keine lebensbedrohliche Krankheit, du hast noch alle Gliedmaßen, wer bitte soll deinen Pipifax ernst nehmen? Irgendwo macht man sich auch hier angreifbar, und das ist so der Knackpunkt. Vielleicht hätte ich es garnicht durchgezogen, hätte @Paul69 mich nicht immer weider ermuntert.


    Wenn du Lust hast, kannst du mir deine Geschichte gerne in einer direkten Nachricht schreiben! Ich hab so eine Ahnung dass ich das aushalten würde, grade wenn du dich von meiner Story angesprochen fühlst und vielleicht die eine oder andere Gemeinsamkeit gefunden hast.


    Mein Wunsch ist tatsächlich mir selbst zu vergeben. Vergeben, dass ich nicht so funktioniere wie andere, und auch über das Krankheitsbild mehr zu lernen, da grade diese ADHS Diagnose noch neu für mich ist. Ich hab mir grad heute 2 Bücher über das Thema bestellt. Ich möchte durch Akzeptanz mir selber gegenüber Druck rausnehmen und Wege finden, mehr Leichtigkeit und Freude in mein Leben zu bringen. Außerdem will ich die Antidepressiva runtersetzen. Ans Absetzen darf ich noch nichtmal denken, aber mir gefällt der Gedanke diesen irren Gefühlsreichtum den ich ja eigentlich habe zu spüren und zu lernen, damit umzugehen. Die Antidepressiva dimmen ja doch alles runter, was ich definitiv BRAUCHTE um zu überleben. Aber natürlich fallen dadurch die Guten wie die Schwierigen Facetten weg und das möchte ich eigentlich nicht.


    ich hoffe das beantwortet deine Frage :)

  • Hallo Darling,

    über dein "vergeben" bin ich etwas gestolpert. Fühlst du dich denn schuldig und kannst nicht gerade vor dir stehen?

    Das was dir passiert ist, hast du (zumindest nicht als Kind) beeinflussen können, du hast dein Paket gehabt und versucht damit etwas für dich auf die Beine zu stellen....mit einem wirklich enormen Resultat, wie ich finde!


    Schau dir doch körper Behinderte Menschen an, sie haben ihre Krankheit entweder von Geburt an oder später einfach bekommen. Jeder versucht da ganz sicher sein Bestes damit fertig zu werden. Mal klappt es gut, mal weniger gut.


    Für mich ist eine psychische Erkrankung das Gleiche wie eine Körperliche Erkrankung. Wo ist denn da Pipifax? Es gibt sicher Menschen, die mit einem Schnupfen tausend Tode sterben und psychisch schwer Erkrankte, denen würdest du das nie ansehen. Es ist toll, was du bisher mit deinen vielen Erkrankungen für einen Weg geschafft hast, vor allen Dingen, dass du sie versuchst anzugehen, mit ihnen umzugehen...und trotzdem ein "Leben" leben möchtest.....wie du das auch dir immer wünschst.

    Wo du geschrieben hast, dass du psychosomatische Symptome hast, ist es doch ähnlich vereinbar, wie eine körperliche Erkrankung. Oder siehst du das anders?


    Ein Mensch, der vllt nach einem Unfall ein Bein verliert, hat ein größeres Paket, als ein Mensch der noch in der Kindheit durch MB und Vernachlässigung zur Behinderten wurde? Das denke, zumindest ich, nicht so.

    Eine Diagnose zu erhalten, ist manchmal hilfreich um sich selbst zu verstehen und weiter zu gehen, zu verarbeiten.

    ADHS kann einen schlauchen, aber wenn du die Krankheit (ist auch eine anerkannte Krankheit) verstanden hast und die multimodale Therapie zu Hause machst (die auch wunderbar bei Traumata hilft/Struktur) plus eventuell Medikamente, dann gibt es durchaus positive Effekte, insbesondere im Zusammenhang mit Hochbegabung.


    Vllt merkst du auf Grund deiner mangelnden Konzentration noch garnicht deinen schönen hohen IQ, aber ich wünsche dir von Herzen, dass du ihn einsetzen wirst können, wenn alles in deinem Inneren/Herzen seinen Platz gefunden hat.


    Von mir möchte ich noch nicht so viel schreiben, dies ist deine Geschichte. Selbst in einer PN würde das den Rahen sprengen und ich möchte verantwortungsvoll mit den Lesern/Schreibern hier umgehen (Ein paar Eckdaten kann ich dir aufschreiben und dann entscheide selbst, ob du mehr hören möchtest). Gerade, wenn du "belastet" bist, können dich einige Dinge triggern.

    Gerne stelle ich dir mein "Wissen" und die "Erfahrungen" zur Verfügung... lese deine Geschichte und freue mich, dass ich nicht ganz so alleine bin auf der Welt mit meinem Paket.


    Wovor hast du Angst wg der negativen Antworten? Bzw. der Resonanz?


    Liebe Grüße

    Tinchen

  • @Darling

    du kannst stolz auf Dich sein, was Du trotzdem aus deinem Leben machst

    und auf den Mut, hier so ausführlich drüber zu reden.

    @Tinchen "Für mich ist eine psychische Erkrankung das Gleiche wie eine Körperliche Erkrankung."

    Genau das stimmt nicht. ein Bein zu verlieren ist etwas kalkulierbares. Man bekommt eine Prothese und lernt damit neu zu laufen. wie man damit laufen, hängt von fleiß und Ausdauer ab, man hat es im wesentlichen selbst in der Hand.

    Bei psychischen Erkrankungen ist nichts berechenbar. Hinzu kommt, dass die wirksamen Medis meist erhebliche Nebenwirkungen haben. aber auch hier kann man in begrenztem Umfung mit Hilfe etwas erreichen. Dafür gibt sich Darling sehr viel Mühe!!

    Vorallem, seid alle nett zueinander.


    Karin

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • Hallo Karin,


    Ein ganz wenig möchte ich, vllt zu Nutze für Darling, widersprechen.


    Körperliche Erkarnkungen sind definitiv nicht berechenbar, benötigen manchesmal schwierige Medikamenteneinstellungen, die oft auch nebenbei eine Depression oder Persönlichkeitsveränderung zu Folge haben.

    Von Epilepsie, Diabetes, Herzinsuffiziens und ja sogar einer Prothese reicht das Spektrum.

    Für mich (und ich spreche wirklich nur aus meiner Perspektive und jeder darf/sollte seine eigene haben) ist der Prozeß einer Erkrankung egal ob psychisch oder körperlich, stark oder schwach, der Gleiche.


    Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich jemandem auf den Schlips getreten habe oder nicht nett war, von ganzem Herzen. Besonders der tapferen Darling, der diese Geschichte gehört und die sie mutig angeht...Respekt!


    Viele Grüße

    Tinchen

  • Lassen wir es dabei.

    ansonsten sollte das in einem anderen Thread abgehandelt werden

    (Antwort ist keine Rechts oder Medizinische Beratung.Für die Richtigkeit der Antwort wird keine Haftung übernommen)

  • Hallo Tinchen,

    ich schreibe jetzt mal als körperlich Betroffener. Ich denke genau wie du das es eben überhaupt nicht berechenbar ist. Weder die Schmerzen, die oft nur durch reichlich Opiade und/oder Antidepressiva behandelt werden können noch das Stigma was man auf einmal hat.

    Nur soviel dazu ;)

  • ............................... vielleicht ging es dir / einigen von euch wie mir:

    .

    eines Tages, als ich wieder einmal meine "Traurigkeit" spaziern führte, sah ich Fussspuren neben mir. Ich stutzte und dachte im Innersten:

    Was ist das, wer bist du ?

    Ganz leise hörte ich eine ganz klare stimme, die sagte :

    Ich begleite dich schon sehr lange und pass auf dich auf.

    Ach ja, dachte ich --- und wo warst du in meinen schwersten Zeiten, wo ich deine Spuren vermisste ?

    Ganz sanft hörte ich die Stimme in mir :

    Da habe ich dich getragen