Hallo,
heute bekommt ihr ein update über mein Date vom Wochenenden.
Eins vorab: aus uns wird wohl nicht mehr als Freunde, was aber nichts mit seinem Handicap zu tun hat, sondern mit unseren Lebensumständen. Da er sehr sportlich ist, 3-4 x/ Woche trainiert und am Wochenende mit seinen Kumpels noch gerne ins Stadion geht, bleibt für mich einfach nicht genug Zeit. Hier bin ich wahrscheinlich zu anspruchsvoll, weil ich nicht bereit bin als Lückenfüller zu fungieren. Zudem sind wir beide voll berufstätig, ich habe zwei Kinder und wir wohnen knapp 50 km voneinander entfernt. Schade
So, nun aber zurück zum Date. Dank euren Ratschlägen, habe ich mich bemüht, dem Ganzen entspannt entgegen zu sehen. Hat so halbwegs geklappt- den Rollstuhl hatte ich als notwendig im Kopf, nicht mehr und nicht weniger. Aber hey, welche Frau ist nicht angespannt, wenn sie mit einem gutaussehenden Mann verabredet ist?
Das Lokal was er ausgesucht hat, hatte zwar keine Stufen am Eingang- war aber dafür innen so eng, dass man die Leute vom Nebentisch fast auf dem Schoß hatte. Viel Bewegungsfreiheit gab es da schon für mich nicht. Dafür konnten die Tischnachbarn aber alles hören, worüber wir so gesprochen haben. Was wirklich unangenehm für die war, mit zwei Sarkasten am Nebentisch. Das ist übrigens was, was er und ich gemeinsam haben. Und wir hatten extrem viel Spaß an dem Abend. Fing schon damit an, dass er mich vor der Tür fragte, ob ich emanzipiert genug sei, diese zu öffnen, weil er dummerweise gerade die Hände voll hätte. Punkt für ihn ;-)
Unsere Tischnachbarn waren wohl höchst erstaunt darüber, dass er und ich eine gepflegte Konversation betreiben konnten und ich ihm nicht ständig den Mund abwischen musste oder die Schnabeltasse halten, was wohl deren Erwartungen entsprochen hätte. Um sie nicht zu enttäuschen, bat er mich aber lauter als nötig, ihm das Fleisch zu schneiden, damit er nicht wie ein Kanibale mit der Hand esse müsse- dass würde die Leute drum herum immer irritieren, anwidern und noch betroffener gucken lassen. (Bei C5 ist das Schneiden tatsächlich schwierig).
Ansonsten waren unsere Themen völlig unspektakulär. Wir haben uns über unsere Jobs unterhalten, über Corona und welche Folgen die Ukraine Krise hat und noch haben wird. Und ob ihr es glaubt oder nicht- dabei hat der Rollstuhl überhaupt keine Rolle gespielt! Klar ging es auch mal um seinen Unfall und ich hatte ein paar Fragen zum Thema Querschnitt, aber die haben wir emotionslos, schon eher medizinisch rational abgehakt. Immerhin kenne ich jetzt jeden Wirbel mit Namen und kann mir in etwa vorstellen, welche Folge die einzelnen Verletzungshöhen haben können. Sein Allgemeinwissen zu erweitern hat noch keinem geschadet.
Das Kribbeln, was wir offensichtlich beide hatten, hat übrigens den ganzen Abend über angehalten- auch nachdem wir uns klar war, dass es mehr als eine Freundschaft nicht wird. Und so haben wir dann hemmungslos und teilweise anzüglich miteinander geflirtet, was wirklich schön und aufregend war. Mein persönliches Highlight zu diesem Thema, als er meinte: „Weißt du, den Christian Grey könnte ich dir natürlich nicht bieten- aber mehr als Will Traynor habe ich allemal noch drauf.“ Das war der Augenblick, wo am Nebentisch plötzlich aufgebrochen wurde und ich mehrere Minuten benötigt habe, mich wieder einzukriegen- vor Lachen.
Fazit eines mehr als schönen abends: ein Handycap haben wir beide- nämlich, dass wir bestimmte Dinge in unserem Leben derzeit nicht anders organisieren können oder nicht bereit sind aufzugeben. Das ist aber wohl eher ein völlig normales Problem, wenn sich zwei Erwachsene Menschen neu kennenlernen (wir sind beide Mitte/ Ende vierzig und „gebraucht“).
Ich hoffe, ich kann euch mit meinem Erfahrungsbericht ein wenig zum Schmunzeln bringen. Wir haben übrigens beschlossen, demnächst wieder zusammen auszugehen- am liebsten in ein Café an einer belebten Stelle, zum Leute beobachten und lästern.
LG
Elisa
P.S: Die wahren Probleme bei einer Beziehung liegen eben doch immer im zwischenmenschlichen. Zumindest am Anfang, wo (in dem Fall für mich) das Körperliche noch keine allzu große Rolle gespielt hat. Und dazu habe ich an dem Abend einiges gelernt. Dank eines sehr liebenswerten, gutaussehenden Mannes, mit Charme und Witz. Ach ja, einen Rollstuhl braucht er auch, aber das ist wirklich kein Problem gewesen.