ADHS bei Erwachsenen, mögliche Medikamente (z.B. Ritalin) situativ bezogen sinnvoll?

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Hallo

Ich hatte vor knapp 2 Jahren mit knapp über 40 Jahren die Diagnose Asperger-Syndrom bekommen und im Vorfeld zur Diagnostik bekam ich Unterlagen aus meiner Kindheit in die Hände, in denen auch die Diagnose "frühkindliches POS" gestellt wurde.
Anhand der Unterlagen konnte die Autismusdiagnostikfachstelle nach Rückfragen mit anderen Stellen daraus ADHS entschlüsseln.

Einige Dinge wurden in letzter Zeit immer schlimmer, z.B. die Reizwahrnehmung und vorallem das Prokrastinieren und die schnelle Ablenkbarkeit.
Meine Hausärztin kennt die Unterlagen aus meiner Kindheit noch nicht, weiss aber vom frühkindlichen POS und der Autismus-Diagnose.

Sie meinte, es würde vielleicht Sinn machen, situationsbezogen ein Medikament wie Ritualin (ohne Retardfunktion) einzunehmen, um stundenweise das Prokrastinieren zu unterdrücken und diverse andere Symtome damit ein wenig zu schwächen bzw zu dämpfen (Selbstunsicherheit) .

Ich hatte alle mir zur Verfügung stehenden Unterlagen durchgesehen und kann nicht erkennen, dass man mir in der Kindheit so etwas wie Ritalin gab.

Meine Fragen sind:
- ist jemand mit AD(H)S in einer ähnlichen Situation und mag seine eigene Erfahrungswerte beschreiben (dauerhafte/situative Medikamenteneinnahme, beide Erfahrungswerte wären gut)
- ist ein Medikament wie Ritalin in so einer Situation sinnvoll (also das/ein Medikament situativbezogen einnehmen)?
- gibt es vielleicht heute besser/verträglichere Medikamente mit gleichem Ergebnis und Wirkdauer wie Ritalin?
- welche Nebenwirkungen wären bei einem anderen Medikament zu erwarten?

Weiterführend... Gibt es Seiten im Internet, die das Thema "ADHS bei Erwachsenen, Medikamente" explizit thematisieren?

Vielen Dank für das Lesen und allfällige Antworten.

Antworten

  • Liebe/r Lumpi 1974

    Informiere Dich doch bitte mal unter:
    ADHS – Das Infoportal für Erwachsene mit ADHS
    https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-im-erwachsenenalter.html

    ADHS 20 + Schweizerische Info- und Beratungsstelle für Erwachsene mit ADHS
    https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-im-erwachsenenalter.html

    IG ADHS Schweiz stärkt die Stärken der Betroffenen
    https://www.ig-adhs-schweiz.ch/adhs/11-adhs-im-erwachsenenalter-krankheitsbild

    Oder in einer Selbsthilfegruppe:
    https://www.selbsthilfeschweiz.ch/shch/de/selbsthilfe-gesucht/themenliste.thema.b60b8d8b-cdfb-4cfe-a1dd-32cfbf63b378.html

    Hoffe Dir hiermit weitergeholfen zu haben und wünsche noch en guete Wuchestart.

    Beste Grüsse
    Claudia

  • Hallo Claudia

    Danke für die Links. Ich werde sie nachher alle durchlesen.

    Gruss
    Lumpi
  • Hallo Lumpi
    So wirklich helfen kann ich dir wahrscheinlich nicht . Bei mir wurde ADHS nie wirklich diagnostiziert aber ich bin zu 99% sicher das ich es habe ,wurde auch in die Deppenschule geschickt
    . Meine Tochter hat es und hat während der Pubertät ungefähr 2 Jahre lang Ritalin in verschiedener Dosierung eingenommen. Es hat viel gutes bewirkt und sie erlernt einen Beruf in der Informatik was ihrer Störung entgegenkommt.
    Da bei mir die Auswirkung zum Glück nicht so stark sind wurstle ich mich recht gut durchs Leben.
    Der Konsum von Medikamenten hat immer 2 Seiten und es ist wichtig sich genügend zu informieren . Ich behaupte nicht das man durch sein Denken ALLES erreichen kann aber es kann eine Heilung schon beeinflussen
  • Hallo Colores

    Danke für deine Rückmeldung.

    Gruss
    Lumpi
  • Hallo Lumpi,
    also eine ADHS zusätzlich zum Asperger Syndrom ist häufiger als man bisher annahm. Um Methylphenidat (also Ritalin etc.) verordnet zu bekommen, müsstest Du Dich sicher auf eine ADHS diagnostizieren lassen. Manche Krankenkassen fordern einen Bericht an. Wenn es Dir Deine Hausärztin verschreibt, sollte Sie sich bei der Medikation und Dosierung auch auskennen. Ritalin wird in der Schweiz von den meisten Krankenkassen nur bezahlt, wenn man es seit der Kindheit eingenommen hat. Aber Concerta, Focalin und Elvanse werden für Erwachsene mit ADHS übernommen.
    Ritalin, bzw. sein Wirkstoff Methylphenidat ist nach wie vor, das Mittel erster Wahl bei ADHS - es ist eines der nebenwirkungsärmsten Medikamente - auch wenn häufig das Gegenteil behauptet wird. Es wirkt bei ADHS nicht wie eine Droge!!! ADHS-Betroffene berichten deshalb auch das Amphetamin und Kokain ihnen keinen "Kick" gibt - sie wirken wie Methylphenidat (also Ritalin etc.)
    Also auf Deine Frage es gibt kein wirksameres Medikament bei ADHS - es ist seit über 70 Jahren zugelassen und es gibt dadurch sehr viel Erfahrung damit.
    Auch wenn die Liste der Nebenwirkungen - wie bei anderen Medikamenten - im Beipackzettel sehr lang ist, sehe ich fast nie Nebenwirkungen. Bekannt ist allerdings eine Appetitminderung - die meinen Erfahrungen nach auch selten auftritt und natürlich "nie" bei denen, die es sich wünschen!!!
    Die Wirkung erfolgt vor allem auf das Aufmerksamkeitszentrum und die Reizoffenheit (die bei Asperger ja oft noch mehr ausgeprägt ist) bessert sich meist erfreulich. Auf die Prokrastination wirkt es allenfalls indirekt durch die verbesserte Aufmerksamkeit und die Chancen sich entsprechende Strategien anzueignen wird verbessert.
    Wichtig ist die für Dich richtige Dosierung - es ist kein Medikament bei dem mehr, mehr hilft, wie bei einer Kopfschmerztablette - es muss die für Dich richtige Dosierung sein. ... und unter Umständen, das für Dich richtige Methylphenidat.
    Das Leben als Asperger ist nicht leicht und wenn man es durch die Medikation verbessern kann, ist oft viel gewonnen. Ich sehe dies immer wieder bei meinen Patienten und freue mich mit Ihnen.
    Ob Du es nur situationsbezogen nimmst, solltest Du nach einer guten Eindosierung selbst entscheiden. Ich vergleiche es gerne mit einer Brille. Natürlich kann ein Kurzsichtiger sie nur nehmen, wenn er z.B. beim Autofahren gut sehen muss und sonst versuchen ohne irgendwie zurecht zu kommen. Ob es sinnvoll ist, sei dahin gestellt.
    Das auch die ADHS mit ihrer ständigen Anspannung und dem Stress eine negative Nebenwirkung auf den Körper hat, lassen die meisten ausser Acht.
    Ich bin selbst auch ADHS betroffen, ebenso mein Sohn. Bei ihm wirkt es hervorragend, was ihn nicht daran hindert es seit dem Abitur nicht mehr einzunehmen. Die Wirkung bei mir ist mässig und ich beneide oft meine Patienten.
    Ich würde Dir raten, probier es und entscheide dann.- auch ob Du es nur gelegentlich nimmst. Bei der von Dir erwähnten unretardierten Form von Ritalin merkt man das Anfluten und den Wirkungsverlust oft recht deutlich, was sich nicht immer gut anfühlt (rebound).
    Alle Gute
    Tündi


  • Hallo tündi

    Vielen Dank für Deine Antwort.

    Ich bin ehrlich gesagt etwas hin- und hergerissen zwischen "soll ich ein Medikament nehmen?", "soll ich Ritalin nehmen?", "soll ich [Medikament] situativ oder dauerhaft nehmen?".

    Momentan tendiere ich zu Ritalin, situativ bezogen und würde die ersten Versuche während meines Urlaubs machen, weil ich dann flexibler als während auf der Arbeit auf mögliche Wirkungen reagieren kann.

    Meine Hausärztin meinte, dass die Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen würde. Das ist in meinem Fall aus finanzieller Sicht weniger ein Problem.

    Eine Diagnostik auf ADHS möchte ich nicht anstreben, weil ich mich meinem Umfeld nach aussen hin wegen meines Autismus perfekt angepasst hatte. Ich erscheine komplett normal, kompensiere und wenn am Abend nach der Arbeit Zuhause die Haustüre ins Schloss fällt, breche ich zusammen (wortwörtlich).
    Es war schon bei der Autismus-Diagnostik eine Herausforderung, dieses Kompensationsvermögen beiseite zu schieben und mein wahres Ich zumindest im Ansatz zu zeigen.

  • Hallo Lumpi,
    diese Schilderung ist mir von meinen Patienten nur zu bekannt. Ich denke dabei an eine Aspergerin, der ich noch das ADHS diagnostiziert habe. Sie ist dabei eine Umschulung zu machen und schilderte, dass sie bis Mittag völlig fertig sei und meist auch starke Kopfschmerzen bis hin zur Migräne bekomme. Sie sei so reizoffen und könne kaum dem Lehrer zuhören, hatte Angst es nicht zu schaffen. Sie war völlig verwundert, dass sie auch nach dem Mittag noch etwas machen konnte und ... keine Kopfschmerzen mehr hatte. Diese Kompensation kostet so viel Energie.
    ABER - es ist kein Wundermedikament, dass alle Probleme beseitigt, aber für etwa 80% der Betroffenen ist es eine grosse bis sehr grosse Hilfe.
    Du musst ja nicht sofort entscheiden, ob situativ oder länger - als erstes musst Du wissen ob es Dir hilft und welche Dosierung für Dich die Richtige ist. Das andere lass auf Dich zukommen - der Stress den Du schilderst hat auch seine Nebenwirkung. Ob Du ein Präparat nimmst, das die Krankenkasse zahlt kannst Du Dir immer noch überlegen - auch Ritalin gibt es retardiert (6 oder etwa 10 Std.) Meist wirken die anderen genauso gut.
    Du kannst auch gerne per PN schreiben.
    Alles Gute Tündi
  • Me
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    Hallo

    Was die schnelle Ablenkbarkeit angeht, nutze ich Piracetam. Das hilft mir bei 2 Dingen: Merkfähigkeit/Konzentration und Fokusiertheit.
    Von Ritalin und ähnlichen Medis bin ich komplett weg, da die Nebenwirkungen von totaler Unruhe bis völliger Gedämpftheit gingen.
    Was ich gerade probiere ist CBD. Ich habe gerade die Kristalle hier und teste ob sie eine positive Wirkung haben. Leider kann ich noch nichts sagen, da ich gerade erst angefangen habe.

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