Unterschenkel-Prothese für aktives Leben-welches System?

Hallo!
Bei mir kam es vor ca. 3 Monaten zu einer Amputation eines Unterschenkels. Ich bin 32 Jahre alt und führte immer ein sehr reges und aktives Leben. Bald werde ich meine erste endgültige Prothese bekommem, noch bin ich mit der Interims-Prothese unterwegs. Ich wollte mal fragen, wer von euch auch eine Unterschenkel-Prothese für ein aktives Leben trägt und nach welchem System? Ich war bei Selbsthilfegruppen aber da waren immer alle 70+, da ging es um völlig andere Themen. Ansonsten spreche ich immer nur mit Ärzten oder Technikern. Ich möchte aber auch mal hören, was eigentlich die sagen, denen es genau wie mir geht. Mein Orthopädie-Techniker, in den ich volles Vertrauen habe, rät mir zum Unity-System. Jetzt habe ich aber letztens mal mit einem anderen Techniker gesprochen, der mir von Mikrochips erzählt hat, was natürlich auch alles spannend klingt, aber keiner kann mir sagen, wie man damit denn jetzt eigentlich läuft und lebt! Ich möchte wieder wandern gehen, reisen und mein Leben führen. Mich frei bewegen können. Was tragt Ihr so für Prothesen, und was könnt ihr gutes oder schlechtes erzählen? Auch Sport möchte ich wieder treiben, schwimmen, Fahrrad fahren... Freu mich auf Eure Antworten, Viele Grüße!
Vitus

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  • Hallo Vitus,


    es ist eine sehr kurze Zeit seit deiner Amputation vergangen aber wir finden
    es gut, dass du dich bereits jetzt informierst was dir im Leben wirklich weiter hilft
    damit du nicht so alte Schinken bekommst mit den du nur von Toilete
    zum Wohnzimmer laufen kannst.Das machen manche Techniker gerne bei
    so unerfahrerenen Neuamputierten, was wir nie verstanden haben , grad wenn jemand
    jung ist und voll im Leben steht.

    Was hast du empfohlen bekommen?Was ist ein Unity System?
    Meinst du von der Firma Össur den Fuss Unity hier
    http://www.ossur.de/Pages/7155 ??

    Hab davon noch nie gehört und lese heute Abend das erste Mal darüber.
    Das was ich hier gut finde bei dem System ist das es ohne Kniekappe funktioniert.

    Mein Mann ist seit 5j amputiert und läuft mit dem Fuss Triton
    http://professionals.ottobockus.com/cps/rde/xchg/ob_us_en/hs.xsl/38130.html
    Ich habe seit 10j.eine Unterschenkelprothese und viele schon ausprobiert
    da ich einen kurzen Stumpf habe und zur Zeit laufe ich mit dem Fuss Trias +Harmony System
    Pumpe
    http://professionals.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/53868.html

    Wir sind verheiratet, haben einen kleinen Sohn 1j, alt und reisen viel um die Welt
    berufs und privat bedingt.
    Bis jetzt kommen wir sehr gut klar im alltäglichen mit Family +Beruf und
    den beiden Prothesen.Zusätzlich haben wir beide noch jeweils eine Badeprothese die nur
    für Duschen in Hotels verwendet wird oder in Schwimmbädern.
    Dazu kommt, dass ich noch von Össur den Cheetah Fuss habe mit dem ich
    joggen gehen kann (das wird nicht von der Krankenkasse übernommen)

    Wenn du wert drauf legst auch eine schöne Kosmetik zu haben um die
    Prothese herum die so aussieht wie dein anderes Bein oder zumindest
    sogut wie Mögich nachgebaut wird, da empfehle ich dir dich an
    die Romedis Orthopäödie http://www.romedis.de/
    zu melden, die machen weltweit die schönsten Kosmetischen Anfertigungen ,die wir
    gesehen haben.Sind etwas teuerer aber lohnt sich.

    Sonst empfehlen wir dir auch einfach bei deinem Prothesenmeister anzufragen dass
    du verschidene Füsse testest und selber dann entscheidest was dir am besten
    gefällt.Den jeder Patient ist anders und hat andere Prioritäten beim gehen.
    Das ist auf jedenfall kostenlos Möglich bei den Sanitätshäusern da wo du versorgt
    wirst. frage einfach mal eine Woche Probe zu laufen mit einem Fuss
    dann mit andern eine Woche und nach so 3 verschiedenen entscheidest du dich
    einfach was dir am besten zusagt.Wir haben es auch so öfter schon gemacht.


    Viel Erfolg, und gutes üben beim Laufen, nicht aufgeben am Anfang kommen
    viele auf und ab und auch mal vieleicht eine Zeit wo die Prothese in der Ecke stehen
    muss wegen der einen oder andern Druckstelle aber nicht verzweifeln, das haben
    wir alle als neu amputierte mehr oder weniger mal durch.


    Viele Grüsse,
    Jean-Gabriel und Biljana

  • Hallo

    wenn ich als OT etwas dazu schreiben darf....... da ich Sie nicht kenne und ich finanzielle Aspekte ganz bei Seite lasse, möchte ich gerne mal meine Meinung dazu schreiben.

    Als erstes muss man sagen, dass bei einer Amputation vor 3Monaten der Stumpf, nach meiner Meinung, noch nicht sein endgültiges Volumen und auch nicht die Endform erreicht hat.
    Das hängt jedoch auch davon ab, was für eine Art von Interims-Prothese getragen wird.
    Ob mit Liner und belastet oder ohne Liner mit Tuber Abstützung.

    Zu den Systemen ist meine Meinung, dass das Unity nicht den Tragekomfort vom Harmony bzw. der neueren Version des AeroLink Systems erreicht.

    Gerade zum Rad fahren und anderen sportlichen Aktivitäten halte ich das AeroLink für die beste Wahl.

    Das Unity ist sicherlich die schnellere Art für den Anwender seine Prothese anzuziehen, aber an Tragekomfort kann es, so glaube ich, und so wurde es mir auch von Anwendern gesagt, nicht mithalten.

    Bei den Füßen ist der Anwender ein wenig davon abhängig welches System er aussucht.

    Bei den Systemen Von der Firma Bock (Harmony und AeroLink) kann man, je nach Aufbauhöhe (der Platz zwischen Schaft und Ferse), aus einer ganzen Reihe von Füßen aussuchen immer darauf schauend welche Aktivität und welches Gewicht der Patient hat.

    Bei Unity sind es glaube ich max. 2-3 Füße die man aussuchen kann.

    Wenn das hier geholfen haben sollte würde ich mich freuen.
  • Hallo Vitus ... (übersetzt Lebenskraft/Energie)
    Jean -Gabriel und bili sind die richtigen Ansprechpartner für dich . Zu Fragen wie Fahrrad fahren und ähnlichem hatten wir hier schon verschiedene Beiträge , am besten gibst du mal ein paar Stichworte ein und surfst ein wenig
  • Also zunächst mal vielen Dank an Euch alle!
    Das hilft mir dosch schon mal sehr.

    bili: Ja, es geht tatsächlich um das Unity-System von Össur.
    Das mit dem Probelaufen ist ein guter Tip, das werd ich mal in Gang bringen bei meinem Techniker. Und danke für die anderen Empfehlungen auch. Es führt am Erleben alles nicht vorbei. Ich werde es einfach ausprobieren müssen!

    Losi998: Ich trage einen Silikon-Liner, ja. Und es ist gut möglich, daß der Stumpf auch noch kliener wird. Ich wollte mich nur auch früh schon mit dem Thema neue Prothese auseinandersetzen, damit ich das auch im Überblick habe. Danke für die Vergleiche auch. Was aber meinst Du genau mit "Komfort"? und was ist am Anziehen genau anders? Um ehrlich zu sein, ist mir die Verläßlichkeit und Vielseitigkeit wichtiger als wie schwer oder einfach das An- und Ablegen ist.

    VIELEN DANK!
  • Ich trage eine Eigenkraft-Armprothese, und führe einen für nicht-behinderte Begriffe "sehr aktiven Lebensstil".

    Erstens ist wichtig, dass man ausprobiert. Forums, Schreiben usw. ist nur gut, um den Schritt in die nächst höhere Belastungsstufe zu machen. Ein guter Tip reicht, dann hat man wieder 4-12 Monate zu tun mit Ausprobieren. Im Grunde hast Du immer eine Ausrüstung, die dann an die Grenzen kommt, und Du musst dann etwas verbessern. Hast Du es nicht an eine Grenze gebracht, bist Du nicht weit genug gegangen. Dann tust Du das, kommst wieder an Grenzen, und musst weiter schauen. Stets verschiebt sich die Grenze dann. Bei mir ist es so, dass die Armprothese diese Grenze nicht mehr darstellt, sondern Teil an den Fahrrädern. Das Vorgehen (auch dort dann) ist hingegen weiterhin dasselbe: ausprobieren, dann rumfragen, nächst härteres Teil suchen, einbauen, testen. In meiner Einschätzung gewinnen mechanisch gesehen die robustern und ev. etwas einfacheren Teile, die aber materialtechnisch sehr gut abgestimmte Hightech aufweisen; weniger brauchbare Teile erkennt man auch an der mechanisch schlechten Bauweise (z.B. sind Otto Bock Kabelzüge mit Metallseilen zum raschen Durchscheuern verdammt, je nach Hook, den man dort verwendet) und unausgewogenen Materialwahl (es gibt einen Otto Bock Hook aus 2 Metallen, der unter Warmwasser oder sommerlichen Temperaturen verklemmt, und unter Kaltwasser bzw. kühleren Temperaturen wieder gut bewegt). So wird man ein repetitiv geschlagen und hart beschleunigt werdendes Bauteil - Prothesenhandgelenke sind so was - kaum mit ausleiernden Federklemmen bestücken wollen, die rasch nachlassen, sondern härtere Verschlussmechanismen verwenden. Und so ist die Frage, welcher Aspekt der Prothese robust und einfach, welcher aber Hightech ist, m.E. so zu beantworten, dass man gerade bei der Materialwahl der Prothesenteile höchste Sorgfalt walten lassen muss, wobei das mechanische Bauprinzip dann der Belastung (inkl. Temperaturbereich) gut angemessen sein muss.

    Im Januar also ging ich mit Spikereifen mit dem Mountainbike in den Wald, bikte auch geholzte Schneisen runter und es war wirklich toll, die Natur mit umgestürmten Bäumen, Schnee und Eis gab sehr viel her. Ich killte dabei allerdings einen Umwerfer, legte eine hydraulische Scheibenbremse trocken und verbog eine Schaltung; die Prothese verlor durch die extremen Vibrationen am Adapterteil zum Lenker eine Fixierschraube, aber sonst, vor allem am Arm, hielt alles : )

    Zweitens ist wichtig, dass Du Deine Suspension bzw. wie die Prothese am Arm oder Bein hängt, auch auf die Belastung technisch gesehen einlässt. Will sagen, Deine Suspension, Liner oder was sonst, muss für Dich unter der gegeben hohen Belastung auch wirklich funktionieren. Bei mir ist es sicher so, dass ich erstens einen extrem guten Formschluss zwischen Liner und Stumpf brauche. Je besser der ist, umso länger kann ich zur Sache gehen. Da mein Arm konisch (aber nicht zylindrisch) ist, passen die fast zylindrischen Ossur-Liner nicht sehr gut (sie sind am Stumpfende etwas zu weit, oben etwas zu eng, was in der Vergangenheit dann Stauungsekzeme verursachte); Alphaliner (Firma Ohio Willowwood) sind dagegen hitzeverformbar und können besser angepasst werden. Den Ausschlag gab ein Tip meines Orthopädietechnikers, nach dem die dann stets unter jeder krassen Belastung entstehenden Ausschläge (sog. "friction rash") erst in den Griff zu kriegen waren, als ich begann, zwischen Haut und Liner einen dünnen Gazeschlauch zu tragen. Andere kaufen dafür dünne Nylonstrümpfe.

    Letzten Sommer überhitzte dann mein durchaus in die Jahre gekommener Heckenscherenmotor, BEVOR die Prothese bei sommerlichen Temperaturen auf dem Arm irgendwelchen schweiss- oder belastungsbedingten Probleme zu machen begann. Auch hier: es gibt immer ein "nächstes Ding", das versagt, wenn man den Unsinn weit genug treibt.

    Drittens hilft jedwelches Modell, das Du selbst im Griff hast. Je mehr ich in meiner Werkstatt selbst modifizieren, einstellen, nachstellen, anziehen, festschrauben, ersetzen und reparieren kann, umso besser. Niemand schafft es, so viele Termine so rasch beim Orthopädietechniker zu kriegen, wie bei guter Belastung nötig sind, um die Prothese am weit oben gelegenen Belastungsbereich in Schuss zu halten. Bereits bei der normalen Arbeit habe ich Belastungen auf dem Arm, gegen die das bisschen Sport verblasst. Dann muss ich die Details der Hochbelastungskomponenten kennen und die richtigen Werkzeuge besitzen. Bei mir lockert sich alle Nase lang das Pin Lock; und so besitze ich natürlich das zum Nachziehen notwendige Spezialwerkzeug.

    Man soll nicht vergessen, dass man selbst Hand anlegen kann und ev. muss. -- Was ich innert Kürze zu Müll konvertierte, waren "für Alltag" ausgelegte übliche kommerzielle Prothesenkomponenten. Die überlebten teils Sekunden, Minuten oder höchstens Tage; konventionelle Kabelzüge waren bei mir nach 4-10 Tagen durchgescheuert und rissen. Gut, ich komme aus einer Familie mit spezifischem High-Tech-Hintergrund und kann durchaus auch Prinzipien und Grundlagenwissen abgreifen. Wir wurden schon mit der Haltung gross, ass wenn Du willst, dass es am Ende hält und funktioniert, dass man es am besten selbst baut : ) Inzwischen habe ich längst meine Kabelzüge von Grund auf neu ausgelegt, ich kann damit 9-10 Monate servicefrei arbeiten, das schafft so sonst keiner. Das Handgelenk wackelte, also bauten wir selbst was viel besseres, für die wenigen Leute, die diese Art Belastung benötigen, ist es etwas, das man einfach haben muss. Der Schultergurt komprimierte meinen Armplexus und ich hatte neurologische Probleme, also wurde da auch was neues gebaut. Man muss sich jedenfalls Schraube für Schraube, Klemme für Klemme, Rohr für Rohr selbst durchs Setup turnen, nirgends nachgeben, und alles optimieren was geht. Jetzt habe ich mir ein Gerber Rennvelo (1982, Rahmenschalter) so unmgebaut, dass ich die Schalter alle an den Lenker gelegt habe (Silver Shifter, etc.), einen Doppelzugbremshebel verbaute, neue Shimanobremsen mit der passenden Grösse fand und montierte, und da braucht es auch Zeit und etwas Zuwendung bis das dann alles passt und läuft. Man findet sicher auch Fahrradmechaniker, die einem etwas machen - aber wenn ich will, dass die Sache die nächsten 20 Jahren nachhaltig ist und für mich extrem gut passt, bringt es mir bedeutend mehr, wenn ich diese Dinge alle selbst erledige. Sich da einzuarbeiten braucht dann auch immer etwas Zeit, ist aber wie ich meine unabdingbar. Geht dann was kaputt, kriegt man es selbst wieder hin.
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